Timo Kern ist Kapitän der zweiten Mannschaft des FC Bayern München, schnupperte aber auch bereits Bundesliga-Luft. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über die besonderen Qualitäten von Aleksandar Pavlovic, Zweikämpfe mit Dayot Upamecano sowie über die Trainer Julian Nagelsmann und Sebastian Hoeneß.
Herr Kern, Sie sind beim FC Bayern Kapitän der zweiten Mannschaft in der Regionalliga und mit Ihren 34 Jahren fast nur von jungen Spielern umgeben, die sich für die erste Mannschaft empfehlen wollen. Wie definieren Sie Ihre Rolle?
Timo Kern: Ich bin ein aktiver Wegbegleiter, der den Jungs etwas vorleben möchte – zum Beispiel im Bereich Disziplin. Der Fokus liegt nicht mehr verstärkt auf mir selber, sondern auf der Entwicklung der jungen Spieler. Im Training versuche ich, die Jungs so zu fordern, dass sie an ihr Leistungslimit gelangen. Außerdem geht es darum, ein Mannschaftsgefüge zu bilden. Dafür braucht es eine gewisse Erfahrung.
Ist das überhaupt möglich, wenn alle Spieler sich selber in den Fokus spielen wollen, um eine Chance bei den Profis des FC Bayern München zu bekommen?
Es ist nicht ganz einfach. Wenn ich an meine eigene Zeit bei der zweiten Mannschaft des Karlsruher SC zurückdenke: Da geht es vorrangig um einen selbst! Erschwerend kommt bei uns hinzu, dass sich die Mannschaft von Jahr zu Jahr sehr verändert, weil die Spieler immer wieder woanders hingehen oder im Optimalfall zu den Profis hochgezogen werden. Könnte ich drei Jahre mit der aktuellen Mannschaft zusammenarbeiten, könnten wir gemeinsam etwas erreichen. Aber bei uns geht es eben in erster Linie um die Entwicklung der Spieler.
Kern spricht über die Stärken von Pavlovic
Sie sind bereits knapp fünf Jahre Bestandteil der Mannschaft und haben mit vielen Top-Talenten zusammengespielt, die heute auf höchstem Niveau für Furore sorgen. Einer von ihnen ist Aleksandar Pavlovic. Was zeichnet ihn aus?
Zunächst einmal, dass er ein guter Typ ist, der sehr beständig und zielstrebig ist. Auf dem Platz stechen vor allem seine läuferische Fähigkeit und sein unbedingter Wille hervor. Er ist immer für seine Mitspieler anspielbar. Im Vergleich zu anderen Mittelfeldspielern hat er eine deutlich höhere Laufleistung. Das hat auch etwas mit Einstellung zu tun. Ich kann ihn wirklich nur über den grünen Klee loben. Zudem hat er ein gutes Auge und eine gute Technik. Es ist schön zu sehen, wie gut er sich entwickelt und dass er seine Chance nutzt. Das ist eine große Qualität. Er spielte erst bei uns Regionalliga und ein paar Wochen später in der Bundesliga. So schnell den Schalter umzulegen und die hohe Qualität zu adaptieren, ist nur möglich, wenn man einen Mix aus Professionalität und Lockerheit hat. Und das hat er!
Auch mit dem Stürmer Joshua Zirkzee, der 17 Pflichtspiele für den FC Bayern absolvierte und nun in Italien für den FC Bologna spielte, haben Sie zusammengespielt. Was sind seine besonderen Qualitäten gewesen?
Rückblickend muss ich sagen, dass er beim FC Bayern München eines der größten Talente war, das mir aufgefallen ist. Als er bei uns für die U23 spielte, brachte er bereits alle Voraussetzungen mit. Es hat nur ein bisschen gedauert, bis er diese auf den Platz bringen konnte. Ich finde es herausstechend, wie er spielt. Beim FC Bologna agiert er als falsche Neun und lässt sich ins Mittelfeld fallen. Das passt gut zu ihm, weil er sowohl dazu in der Lage ist, einen Ball zu halten, als auch einen Gegenspieler im Eins-gegen-Eins zu umspielen. Zudem hat er einen sehr guten Schuss. Er bringt das Komplettpaket mit. Wir stehen noch immer im Kontakt zueinander und ich bin sehr gespannt, wie seine Karriere weitergeht.
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Auch mit einigen namhaften Trainern arbeiteten Sie zusammen. Mit Sebastian Hoeneß, der nun Trainer beim Bundesligisten VfB Stuttgart ist, wurden Sie gleich in Ihrer ersten Saison Meister in der 3. Liga. Was zeichnet ihn als Trainer aus?
Sebastian Hoeneß war von Anfang an dazu in der Lage, die Jungs mitzunehmen. Das geht nur, wenn man im zwischenmenschlichen Bereich ein guter Typ ist. Er hat eine sehr hohe soziale Kompetenz und Sachlichkeit und besitzt zudem eine große fußballerische Intelligenz. Seine Analysen waren sehr scharf und genau. Es wundert mich nicht, dass so eine gute Entwicklung bei ihm stattgefunden hat.
In dieser Saison dürfte der FC Bayern München II im Aufstiegskampf keine Rolle mehr spielen. Wäre es perspektivisch für den Verein wichtig, wieder in der 3. Liga vertreten zu sein?
Ich denke, dass der Unterschied gar nicht so groß ist. Wir haben es auch von der Regionalliga aus geschafft, junge Spieler zu entwickeln, die sich dann in der 1. oder 2. Liga durchgesetzt haben. Sicherlich spielt man in der 3. Liga vor einer anderen Kulisse, und die Gegner haben auch mehr Qualität. Allerdings müsste man dort wohl immer gegen den Abstieg spielen, wenn man mit sehr jungen Spielern aufläuft. Und es gehört nun einmal zum Ausbildungskonzept des FC Bayern, junge Talente so früh wie möglich im Herren-Fußball zu integrieren.
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Es gibt auch große Talente, die sich beim FC Bayern nicht wie gehofft entwickeln. Einer von ihnen war
Ich habe mich gut mit Fiete verstanden und ihn als einen sehr reflektierten Typen kennengelernt. Es ist schwer, sich in einen jungen Spieler hineinzuversetzen, auf den so viel einprasselt. Das hat sicherlich etwas mit ihm gemacht. Er galt als großes Offensiv-Talent, war U-Nationalspieler, wurde dann vom FC Bayern verpflichtet und sollte dort plötzlich mithalten. Vielleicht ging das alles zu schnell. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man manchmal einen Schritt zurück machen muss, um wieder Anlauf zu nehmen. Ich glaube, der Wechsel nach Kiel tat ihm gut. Dort ist alles etwas ruhiger und er konnte wieder einfach der Fiete sein. Nun hat er seinen Vertrag in Kiel verlängert. Das war offenbar der richtige Schritt für ihn. Es freut mich sehr, dass er sich so gut entwickelt.
Wie oft kam es bereits vor, dass Sie zum Training zur ersten Mannschaft hochgezogen wurden und mit
Das kam ab und zu vor. Aber generell werden meistens die jüngeren Spieler hochgezogen, wenn zum Beispiel eine Länderspielpause stattfindet und der Trainings-Kader aufgefüllt werden muss.
"Upamecano hat mich fast über die Bande geworfen"
Wer war der unangenehmste Gegenspieler im Training der Profis?
Ich weiß noch, dass ich mal ein Eins-gegen-Eins gegen
Im Januar 2022 standen Sie zum bislang einzigen Mal im Profikader des FC Bayern und saßen beim Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach auf der Bank. Wie kam es dazu?
Das war für mich spektakulär. Damals war die Corona-Zeit, acht oder neun Spieler aus der ersten Mannschaft waren erkrankt. Ich und einige andere Spieler aus der zweiten Mannschaft bekamen einen Anruf, dass wir bei den Profis mittrainieren sollen, um uns für das Bundesligaspiel gegen Gladbach vorzubereiten. Ich habe mich total darauf gefreut, war aber auch sehr aufgeregt. Leider wurde damals ohne Zuschauer gespielt, aber das tat nichts zur Sache. Es war schön, in der Kabine dabei zu sein, sich gemeinsam warmzumachen und die Energie zu spüren – gemeinsam mit Leuten wie Kimmich oder Robert Lewandowski. Leider haben wir das Spiel verloren.
Trainer war damals noch
Er ist sehr klar in seinen Aussagen und zu 100 Prozent überzeugt von dem, was er der Mannschaft mitgibt. Man spürte bei ihm die Besessenheit. Ich glaube, es ist sehr intensiv, wie er über Fußball nachdenkt. Vor allem ist er sehr analytisch. Das war wirklich cool zu erleben.
Über den Gesprächspartner
- Timo Kern (Jahrgang 1990) wurde in der Nachwuchsabteilung des Karlsruher SV ausgebildet und gab dort auch sein Profidebüt in der 2. Bundesliga. Nach 14 Pflichtspielen für den KSC war er beim FC Astoria Walldorf und Waldhof Mannheim aktiv, ehe er im Sommer 2019 für die 2. Mannschaft des FC Bayern München in der 3. Liga verpflichtet wurde.
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