Joshua Kimmich äußerte sich zuletzt mehrmals kritisch über die eigene Mannschaft. Einige ehemalige Fußball-Größen loben genau diese Eigenschaft des Mittelfeldspielers. Doch Kimmich sorgt nicht nur wegen seiner öffentlichen Kritik für Unruhe beim FC Bayern.

Eine Analyse
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Es gibt Spielertypen, die sich nach enttäuschenden Leistungen wegducken und nicht mit der Presse sprechen wollen. Und es gibt Typen wie Joshua Kimmich. Der Mittelfeldspieler des FC Bayern München scheut nicht davor zurück, unangenehme Themen anzusprechen.

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Als der FC Bayern am vergangenen Samstag gegen Holstein Kiel mit 4:0 führte und danach drei Gegentore kassierte, zwei davon in der Nachspielzeit (Endzeit 4:3), gab der 29-Jährige den Mahner. "Es ist keine Sache der Qualität. Es ist eher in den Köpfen. Wir dürfen unsere Prinzipien nicht verlieren. Wenn wir die verlieren, sind wir eine normale Mannschaft. So sind wir gegen jede Mannschaft verwundbar", sagte er.

Eineinhalb Wochen zuvor, bei der 0:3-Niederlage in der Champions League gegen Feyenoord Rotterdam, ging er mit der eigenen Mannschaft ebenfalls sehr kritisch um. "Wenn man auf die Tabelle blickt, sind wir momentan kein Top-Team in Europa", sagte er. "Wir haben von sieben Spielen drei verloren. Wer da noch der Meinung ist, dass wir ein Top-Team sind, der kann die Tabelle nicht lesen."

Einerseits braucht eine Mannschaft Spieler, die unangenehme Wahrheiten aussprechen und die Mitspieler aufrütteln. Andererseits besteht die Gefahr, dass man den Bogen überspannt und sich die Aussagen abnutzen. Auch für Kimmich eine Gratwanderung. Von ehemaligen Fußball-Größen erhält der Bayern-Star dennoch viel Zuspruch.

Khedira und Sammer loben kritische Herangehensweise von Kimmich

"Man braucht die besten Spieler in den eigenen Reihen. Joshua gehört zweifelsfrei dazu. Er ist nicht nur in der Nationalmannschaft ein wichtiger Eckpfeiler und Kapitän, sondern auch hier", sagte der frühere Nationalspieler Sami Khedira kürzlich bei DAZN. "Er spricht, er ist unangenehm, er ist eklig, er ist manchmal vielleicht auch ein bisschen drüber. Aber genau das braucht es in Phasen, in denen es nicht so läuft. Speziell junge Spieler brauchen Rückhalt, Führung und Struktur."

Auch Matthias Sammer lobte, dass Kimmich "von Ehrgeiz zerfressen" ist und dies auch vorlebt. "Wenn man dumm ist, kann man das als Schwäche auslegen. Wenn man aber weiß, wie Mannschaften funktionieren, sind das Energiegeber, die immer wieder antreiben", sagte er in der ZDF-Doku "Joshua Kimmich: Anführer und Antreiber".

Und weiter: "In dem, was seine Eigenschaften sind, ist das ein Genie. Er schaut auf ein Bild, wo die anderen sagen, das sei perfekt. Aber er sagt: 'Nee, das Bild ist nicht perfekt, schaue mal genau da hin, schaue mal da hin'. Das können Menschen manchmal nicht verkraften. Manchmal wollen sie das auch nicht hören. Aber leider werden diese Menschen auch nichts gewinnen."

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Auch früher gab es Spieler beim FC Bayern, die für ihre kritischen Worte bekannt waren. Stefan Effenberg beispielsweise hätte nach dem Spiel gegen Kiel ähnlich reagiert. "So darfst du als Bayern München nicht auftreten. Ich wäre stinksauer", sagte er im "Sport1 Doppelpass". "Obwohl man die drei Punkte auf der Habenseite hat, wäre ich stinksauer und hätte das auch intern angesprochen."

Möchte Kimmich ein Gegengewicht zu Kompany sein?

Kimmich kritisiert allerdings nicht nur intern, sondern auch öffentlich. Welche Motivation dahintersteckt? Möglicherweise möchte er ein Gegengewicht zu Vincent Kompany darstellen. Kompany ist ein Trainer, der selbst nach schwachen Leistungen kaum öffentliche Kritik äußert. Es passt nicht zu seinem Naturell, die Mannschaft oder gar einzelne Spieler an den Pranger zu stellen.

Kimmich steht einerseits voll hinter der Spielweise von Kompany, legt allerdings einen größeren Wert darauf, die Defizite klar anzusprechen. "Wir wissen, dass wir auf einem guten Weg sind und auch unter der Woche war nicht alles schlecht. Trotzdem geht es darum, dass wir uns nicht immer alles gut reden", sagte er vor gut einer Woche.

Zukunft von Kimmich weiterhin ungeklärt

Der FC Bayern blickt einer entscheidenden Phase der Saison entgegen. In der Champions League stehen bald die Playoff-Spiele gegen die Schotten von Celtic Glasgow (12. und 18. Februar) bevor. In der Bundesliga rückt das Top-Spiel gegen Verfolger Bayern Leverkusen (15. Februar) näher.

Ausgerechnet jetzt bekommt der FC Bayern keine Ruhe in den Verein. Dies liegt allerdings nicht nur an der öffentlichen Kritik von Kimmich, sondern auch an der unklaren Vertragssituation von ihm und einigen anderen Spielern. Obwohl der Vertrag des Mittelfeldspielers im Sommer endet, hat er noch immer keine Entscheidung über seine Zukunft getroffen.

"Diese Unruhe brauchst du nicht."

Lothar Matthäus über Hängepartie um Kimmich

Der frühere Bayern-Spieler und heutige Sky-Experte Lothar Matthäus kritisiert die Auswirkungen. "Du kannst als Verein nicht bis Ostern warten, wenn ein paar Wochen später die Saison zu Ende ist. Diese Unruhe brauchst du nicht", sagte er bei "Sky 90" und fügte hinzu: "Die hundertprozentige Überzeugung ist nicht da, sonst würde er ja unterschreiben."

Warum Kimmich den FC Bayern so lange zappeln lässt? "Ich spüre dem Verein gegenüber schon Verantwortung, bin nicht der Spieler, der es bis zum Ende auszockt. Ich möchte nicht bis Juni, Juli oder auch nur Mai warten, möchte auch für mich persönlich irgendwann eine Entscheidung treffen", erklärte er noch im Januar.

Bislang hat er das nicht getan. Dabei würde er dem FC Bayern mit einem Bekenntnis zum Verein möglicherweise mehr helfen als mit seinen wiederholt kritischen Worten.

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