Jamal Musiala (21) entwickelt sich beim FC Bayern vom Dribbler zum Torjäger. Kompany sollte ihn als Ersatz für den verletzten Harry Kane in der Sturmspitze einplanen.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Der FC Bayern ohne Harry Kane. Ausgerechnet vor dem enorm wichtigen DFB-Pokalspiel am Dienstagabend gegen Titelverteidiger Bayer Leverkusen (20:45 Uhr, Live in der ARD) muss der FC Bayern auf seinen Star-Stürmer verzichten. Es wird ein ungewöhnlicher Anblick, denn seit seiner Ankunft in München verpasste Kane kaum ein Spiel.

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Abwehr, zentrales Mittelfeld – Diskussionen gab es immer wieder in den vergangenen eineinhalb Jahren. Nur vorne, da stand der Fixpunkt. Kane hat in München so ziemlich alle Erwartungen erfüllt. Er trifft am Fließband, er bereitet Tore vor – er ist sogar ein deutlich größerer Teil im Offensivspiel jenseits des Strafraums, als das viele vor seiner Ankunft vermutet haben. 20 Pflichtspieltore hat Kane allein in dieser Saison schon wieder zu Buche stehen.

Nun muss Vincent Kompany in der Schlussphase des Jahres 2024 improvisieren. Eine Oberschenkelverletzung zwingt Kane zu einer mehrwöchigen Pause – und legt damit die vielleicht einzige echte Lücke in Bayerns Kader schonungslos offen.

Der FC Bayern hat keinen logischen Ersatz für die Mittelstürmer-Position. Kompany brachte in der Pressekonferenz gleich eine Reihe von möglichen Alternativen ins Spiel, ließ sich aber wie immer nicht endgültig in die Karten schauen.

Kompany plant wohl mit Tel oder Müller

Es war überraschend, dass Kompany den Namen Musiala in der PK zunächst nicht von sich aus nannte, als er über den möglichen Kane-Ersatz sprach. Müller, Gnabry, Sané, Olise, Tel – alle hätten laut Kompany gewisse Vorzüge. Zwischen den Zeilen war eine leichte Priorität für Müller oder Tel rauszuhören. Dabei wäre Musiala nach den Eindrücken der letzten Wochen eigentlich die logische Wahl.

Der junge Deutsche ist in einer überragenden Form. Er ist der zweitgefährlichste Münchner hinter Kane. Sein erklärtes Ziel, die Effektivität im Strafraum zu erhöhen, ist voll aufgegangen. 10 Pflichtspieltore hat Musiala bereits erzielt. Darunter auffällig viele per Kopf – wie gegen Dortmund am Wochenende. Musiala, der wie ein geschmeidiger Dribbler spielt, ist, das vergisst man bei seiner Spielweise oft, immerhin 1,84 Meter groß.

Er ist so auch in der Luft ein Faktor. Musiala ist zudem extrem beweglich, kann immer wieder mit den Flügelspielern rotieren und wie eine falsche Neun agieren. Er kreiert aus eigentlich toten Situationen allein mit dem Ball am Fuß gegen mehrere Verteidiger Torgefahr. Auch wenn Musiala nicht am Ball ist, fordert er die volle Aufmerksamkeit der Defensive, weil niemand ihn in Eins-gegen-Eins-Situationen lassen will. So schafft er wiederum Räume für seine Mitspieler. Alles Pluspunkte für den jungen Deutschen.

Musiala positioniert sich besser

Wenn Musiala in den Vorjahren noch etwas gefehlt hat, dann war es genau dieses kluge Verhalten im Strafraum, das er seit einigen Wochen zeigt. "Die einfachen Tore machen", nannte Musiala das selbst mal. Sein Spiel war immer anders programmiert. Schnelle Haken, Druck auf den Gegner im Dribbling – das ist immer der erste Impuls in seinem Spiel. In manchen Situationen im Strafraum war das hinderlich.

Unvergessen, wie es Musiala bei der WM 2022 in Katar im Strafraum gegen Costa Rica mit fünf oder sechs Gegenspielern aufnahm. Das war spektakulär, aber am Ende fehlten beim Abschluss häufig ein paar Zentimeter oder der tödliche Pass kam zu spät. In dieser Saison sucht Musiala sehr bewusst auch immer wieder seine Rolle als Abnehmer von Hereingaben. Er positioniert sich besser und das zahlt sich sofort in der Torjägerliste aus.

Musiala könnte die Leverkusener Defensive am Boden in Schwierigkeiten bringen

Gerade im Pokal gegen Leverkusen spricht nun viel für Musiala. Beim 1:1 in der Liga am 5. Spieltag zog sich Leverkusen beim Ballbesitz der Bayern immer wieder brutal weit zurück und blockierte mit sechs bis sieben Spielern den Strafraum. Auf den Außen wurde gedoppelt. Mit Tabsoba und Tah hat Leverkusen ohnehin Lufthoheit. Wenn Andrich und Xhaka mit in den eigenen Strafraum einrücken, erst recht. Es spricht wenig dafür, dass Xabi Alonso diese Marschroute im Pokal ändern wird.

Bayern wird es seltener mit Dribblings oder Hereingaben über außen gelingen, Torgefahr zur erzeugen, sondern eher durch schnelle Kombinationen und überraschende Drehungen direkt am Strafraum. Mit Musiala in der Spitze und Sané oder Olise dahinter könnten die Münchner darauf sehr gut reagieren und Leverkusen am Boden unter Stress setzen.

Musiala wäre als ständiger Unruheherd rund um den Strafraum unterwegs und könnte so zum Schlüsselelement gegen Leverkusens Defensive werden. Niemand dreht sich auf engstem Raum so geschickt um Gegner herum wie Musiala. Müller oder Gnabry und auch der wuchtige Mathys Tel könnten das so nicht, weil sie auf engstem Raum angespielt nicht die gleichen Qualitäten haben wie Musiala. Auch im Pressing ist er inzwischen stärker.

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Sportlich spricht also viel für den 21-Jährigen als Kane-Ersatz, doch so oder so ist klar, dass sich Bayerns Spielweise ohne Kane verändern wird. Ein Knipser wie Kane ist auch Musiala nicht.

Bayern wird bis Ende des Jahres von allen Offensivspielern mehr Risikobereitschaft in der Strafraumbesetzung einfordern, um Kane im Kollektiv zu ersetzen. Kanes Ausfall bleibt eine klare Schwächung. Spätestens zur kommenden Saison sollten die Münchner die Kaderlücke hinter ihrem Topstürmer schließen.

Bis dahin sollte Kompany aber noch einmal in sich gehen. Musiala ist jetzt der bestmögliche Kane-Ersatz.

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