Die Zwischenbilanz von Thomas Tuchel beim FC Bayern ist ergebnistechnisch katastrophal. Lösungsansätze sind offenbar kaum vorhanden. Der Trainer wirkt ratlos, muss scharfe Kritik von Stefan Effenberg und sogar Spott von Felix Magath ertragen.

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Es braucht nur wenige Zahlen, um die Wirkungslosigkeit des Trainerwechsels beim FC Bayern München zu belegen. Zum Beispiel diese hier: Julian Nagelsmann saß in der laufenden Saison bei 37 Pflichtspielen auf der Trainerbank und kassierte drei Niederlagen. Sein Nachfolger Thomas Tuchel coachte bislang in sieben Pflichtspielen den FC Bayern – und verlor ebenfalls drei Spiele.

Thomas Tuchel ist statistisch punkteschwächster Bayern-Trainer seit 1954

Würde man wettbewerbsübergreifend einen Punkteschnitt errechnen, so holte der Rekordmeister unter Tuchel in sieben Spielen 1,14 Zähler. Seit dem Jahr 1954 gab es keinen Trainer beim FC Bayern, der in mindestens sieben Partien auf der Bank saß und durchschnittlich weniger Punkte holte.

Und das Schlimmste ist: Tuchel weiß selbst nicht, warum seine Mannschaft nicht ihr Potenzial abruft. "Wieder mal sitze ich da und sage, ich habe es nicht kommen sehen", erklärte Tuchel nach der 1:3-Niederlage am Samstag beim 1. FSV Mainz 05.

Bereits eine Woche zuvor, als der FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim schwach spielte und die Partie mit einem 1:1 endete, war Tuchel ratlos und erklärte, seine Mannschaft habe "zu wenig Spieltempo, zu wenig Tempowechsel" und sei "zu fehlerhaft."

Nun muss er feststellen, dass die Defizite ein dauerhaftes Problem sind: "Wir können offensichtlich nicht ohne individuelle Fehler spielen, wir können offensichtlich nicht ohne Konzentrationsmängel spielen." Geblieben ist die Ratlosigkeit: "Ich habe keine Erklärung dafür. Offensichtlich fehlt uns die Energie, um uns dagegen aufzulehnen und mit Rückschlägen umzugehen. Ich weiß nicht, weshalb."

Tuchel hat keine Erfahrung als Krisenmanager

Tuchel ist nun als Krisenmanager gefordert, hat mit einer solchen Situation allerdings überhaupt keine Erfahrung. In der Vergangenheit sorgte er stets für schnelle Erfolge. Als Tuchel im Sommer 2009 kurz vor dem Bundesliga-Saisonstart überraschend zum Cheftrainer des 1. FSV Mainz 05 befördert wurde, verlor er mit dem Aufsteiger nur eines der ersten sechs Spiele und besiegte sogar den FC Bayern.

Auch als Trainer von Borussia Dortmund erlebte er im Jahre 2015 einen Traumstart und gewann die ersten fünf Bundesligaspiele. Als er 2018 die Star-Truppe von Paris Saint-Germain übernahm, gelang in der französischen Liga sogar ein Erfolgslauf mit 14 Siegen in Folge.

Der einzige Verein, den Tuchel genauso wie nun den FC Bayern während der Saison übernahm, war der FC Chelsea im Januar 2021. Auch dort lief es erheblich besser: In der Premier League wurde keines der ersten zehn Spiele verloren. Vier Monate nach seinem Dienstantritt gewann er sogar die Champions League.

Stefan Effenberg kritisiert Leistungen unter Tuchel: "... zum Teil bodenlos"

Von Triumphen dieser Größenordnung ist Tuchel beim FC Bayern weit entfernt. Aus der Champions League und dem DFB-Pokal ist er bereits ausgeschieden. Und selbst die Meisterschaft hat der FC Bayern als Tabellen-Zweiter nicht mehr in der eigenen Hand.

Der frühere Bayern-Spieler Stefan Effenberg fällt im "Sport1"-Doppelpass ein hartes Urteil: "Wenn man seine Spiele sieht, waren es zweieinhalb gute Spiele. Sonst war es zum Teil bodenlos. Ich glaube, dass dieser Trainerwechsel doch mehr in den Köpfen der Spieler drin ist, als man dachte."

Effenberg stellt fest, dass der FC Bayern die Entschlossenheit verloren hat. Zu den Interviews, die Tuchel oder auch Thomas Müller nach dem Spiel gegeben haben, sagt Effenberg: "Da ist kein Aufbäumen, da ist keine Kampfansage, das ist eher ein Aufgeben."

Trainer gibt wankelmütiges Bild ab

Ohnehin gibt Tuchel in der Öffentlichkeit ein wankelmütiges Bild ab. Nach der 0:3-Niederlage im Champions-League-Hinspiel gegen Manchester City lobte er die Mannschaft überschwänglich und sagte, er sei "schockverliebt".

Vier Tage später, nach dem 1:1 gegen Hoffenheim, sprach er von einer "Enttäuschung." Als der FC Bayern dann vier weitere Tage später nach dem 1:1 im Rückspiel gegen Manchester aus der Champions League ausgeschieden war, ist er "sehr zufrieden" mit seiner Mannschaft gewesen und sagte, die Leistungen waren "absolut top".

Nach der Niederlage in Mainz, die sich nur drei Tage danach ereignete, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Tuchel ist ratlos und weiß offenbar selbst nicht, wie er die Krise des FC Bayern (im wahrsten Sinne des Wortes) gemeistert bekommt.

Seine erste Maßnahme: Er gab der Mannschaft drei Tage frei, damit die Spieler den Kopf freibekommen. Erst am Mittwoch startet die Vorbereitung auf das Spiel am Sonntag gegen Tabellen-Schlusslicht Hertha BSC.

Felix Magath, der sowohl die Hertha als auch den FC Bayern bereits trainierte, sieht die Berliner nicht chancenlos. Seine humorvolle Erklärung: "Gegen Bayern gewinnt doch fast jeder." So viel Spott mussten Tuchel und der FC Bayern (wenn überhaupt) schon lange nicht mehr ertragen.

Verwendete Quellen:

  • transfermarkt.de: Mitarbeiterhistorie des FC Bayern München - Trainer
  • Pressekonferenz nach dem Bundesligaspiel Mainz – Bayern München
  • Sport1 Doppelpass
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