Noch im November wurde er hart kritisiert. Doch inzwischen müssen viele anerkennen: Hasan Salihamidzic macht gar keinen so schlechten Job als Sportdirektor des FC Bayern.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als im November 2019 tausende Mitglieder des FC Bayern zur Jahreshauptversammlung zusammenkamen, war eigentlich alles für den großen Abschied von Uli Hoeneß bereitet. Der Bayern-Patriarch gab den Staffelstab weiter an den ehemaligen Adidas-Chef Herbert Hainer. Doch in den Tagen nach der Großveranstaltung wurde längst nicht nur über Hoeneß diskutiert. Sondern auch über Sportchef Hasan Salihamidzic. Der FC Bayern hatte keine gute Phase hinter sich. Kovac war bereits entlassen. Und so entlud sich der Frust einiger Mitglieder in ihren Wortbeiträgen an Salihamidzic.

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Der Bosnier, der im Jahr 2017 sehr überraschend zum Sportdirektor benannt wurde, stand vor allem für seine medialen Auftritte im Fokus. Als mindestens ungelenk, wenn nicht sogar unprofessionell wurden seine Auftritte bewertet - nicht nur im Bezug auf die sportliche Krise im Herbst, sondern auch in seinem Kerngeschäft, den Spielertransfers. Über viele Namen wurde öffentlich diskutiert, auch weil Salihamidzic Andeutungen machte oder sich unklar ausdrückte. Das war man in München nicht gewöhnt. Nachdem in den Jahren zuvor viele Transfers unbemerkt eingetütet und dann souverän präsentiert wurden, umwehte den FC Bayern in den Jahren 2018 und 2019 wieder ein Hauch FC Hollywood.

FC Bayern musste sich öffentlich entschuldigen

Negativer Höhepunkt war eine öffentliche Entschuldigung des damaligen Bayern-Trainer Nico Kovac Richtung Pep Guardiola und Manchester City, weil er vorher allzu auskunftsfreudig über die Bemühungen des Clubs sprach, Sané nach München zu locken. Am Ende musste Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge öffentlich eingreifen und seinen Coach zurückpfeifen. Salihamidzic konnte dafür zunächst nichts. Und doch trug er als Sportchef Verantwortung für die Vorgänge.

Sané kam im vergangenen Sommer nicht. Nach der Vorgeschichte ein herber Schlag für "Brazzo". Dass der hochveranlagte Flügelspieler nun doch den Weg nach München gefunden hat und im nächsten Jahr das Bayern-Trikot tragen soll, ist für Salihamidzic nicht nur eine Genugtuung. Es ist vorläufig auch sein Meisterstück. Sané soll den Verein lange prägen. Die Fähigkeiten hat er. Beim FC Bayern sind sie elektrisiert von der Vorstellung, spätestens bis zum Jahr 2023, wenn das Champions League-Finale wieder in München stattfinden soll, eine Mannschaft zu formen, die so begeistern kann wie die Triple-Elf von Jupp Heynckes 10 Jahre zuvor.

Und wer weiß, ob es überhaupt so lange dauert. In der Form der letzten Wochen zählen die Münchner auch in der laufenden Champions-League-Saison zu den Top-Favoriten. Der Sieger soll Mitte August in einem Turnier ermittelt werden. Am liebsten hätten die Bayern wohl sofort weitergespielt.

Selbst die Jugendarbeit sieht plötzlich wieder glänzend aus

Seit dem 1. Juli ist Salihamidzic nun offiziell zum Sportvorstand beim FC Bayern aufgestiegen. Pünktlich zur Sané-Verpflichtung. Selbst hartnäckige Kritiker können an der hervorragenden Gesamtbilanz nicht mehr vorbeischauen. Das Profiteam ist Meister. Die Amateure sind sensationell Tabellenführer in der 3. Liga. Der Nachwuchs ist insgesamt gut aufgestellt. Erstmals seit Jahren sind eine Reihe von Nachwuchsspielern wie Joshua Zirkzee (19) oder Sarpreet Singh (21) ganz nah an die Mannschaft heran gerückt.

Dazu hat "Brazzo"-Transfer Alphonso Davies (19) den Sprung vom No Name zu einem der spektakulärsten Außenverteidiger der Welt geschafft. Sogar Mickael Cuisance (20), dessen Verpflichtung in der Branche belächelt wurde, blühte in der Saisonschlussphase auf. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass ausgerechnet die vermeintlichen Top-Transfers Lucas Hernandez (oft verletzt) und Coutinho (zu selten überzeugend) bisher nicht komplett einschlugen.

Und Salihamidzic legte in dieser Woche nach. Nicht nur mit Sané. Mit Innenverteidiger Tanguy Nianzou Kouassi (18) wurde das nächste Riesentalent präsentiert. PSG-Trainer Thomas Tuchel zeigte sich in Pressestatements unter der Woche beinahe geschockt, einen Spieler dieser Qualität zu verlieren.

Kahn übernimmt mehr Öffentlichkeitsarbeit

Natürlich wird weiter darüber diskutiert werden, welchen Anteil der Sportchef im komplexen Gebilde des FC Bayern mit starken Vorständen, hochgepriesenen Chefscouts und Nachwuchsleitern wirklich hat. Doch das ist am Ende eine Diskussion für Feinschmecker. Die Bilanz stimmt und Salihamidzic genießt seine neue Rolle als Arbeiter im Hintergrund sichtlich. Dass Oliver Kahn seit Anfang des Jahres als neues Gesicht des Vereins mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, kann dem neuen Bayern-Sportvorstand da nur recht sein.

Auch wenn die nächste Jahreshauptversammlung noch einige Zeit entfernt ist: Sorgen muss sich Bayerns Sportvorstand keine mehr machen. Es gab in den vergangenen Wochen viele Gewinner beim FC Bayern. Trainer Hansi Flick, der gezeigt hat, was als Cheftrainer in ihm steckt. Jerome Boateng, der aus dem Nichts wieder eine feste Größe in München wurde. Leon Goretzka, der endlich sportlich richtig relevant geworden ist. Oder Thomas Müller, der seinen zweiten Frühling erlebt. Doch der größte Gewinner der Rückrunde ist zweifelsohne Hasan Salihamidzic.

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