Zwischen Bundesliga und 3. Liga: Etliche Profi-Klubs in Fußball-Deutschland müssen sich wegen der Corona-Krise mit dem Szenario einer Insolvenz beschäftigen. Für mehrere Vereine in der 2. Liga sind Geisterspiele der einzige Ausweg – zwei Traditionsklubs eröffnet sich eine unerwartete Chance.
Ihre Namen und die Geschichten, die die Fans mit ihnen verbinden, sind in Fußball-Deutschland Kult: Euro-Eddy, Dariusz Wosz und Olaf Marschall.
Wie Edgar Schmitt den Karlsruher SC 1993 mit einem Viererpack im UEFA-Pokal zum 7:0 gegen den FC Valencia führte; wie Wosz und sein VfL Bochum Trabzonspor 1997 beim 5:3 einen denkwürdigen Europapokal-Fight boten; wie Marschall Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern 1998 zur Deutschen Meisterschaft schoss – vor dem FC Bayern München.
Wegen der Coronakrise droht 13 Klubs in der Bundesliga und in der 2. Liga die Insolvenz
In diesen Tagen dürften besagte drei Herren sorgenvoll auf ihre Ex-Klubs schauen, denn durch die Coronakrise sind sie von der Insolvenz bedroht - und nicht nur sie.
Laut Fachmagazin Kicker sind vier Bundesliga-Klubs und neun Zweitligisten bald zahlungsunfähig, geht es nicht zumindest mit Geisterspielen weiter.
In der Bundesliga sorgt sich zum Beispiel Werder Bremen wegen möglicher Zahlungsengpässe im Zuge der Coronavirus-Pandemie, die den Spielbetrieb zum Erliegen gebracht hat.
"Da hätten auch keine Rücklagen geholfen", erklärte Geschäftsführer Klaus Filbry dem Weser-Kurier: "Kredite sind sicherlich kurzfristig ein wichtiges Instrument in dieser Krise."
KSC treibt Planinsolvenz voran
Auch eine Etage darunter geht es bei der Frage nach den wirtschaftlichen Überlebenschancen nicht weniger prominent zu. Zur Einordnung: Dem Vernehmen nach erhält ein Zweitligist aus der Vermarktung der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Schnitt zehn bis zwölf Millionen Euro.
Zum Vergleich: In der Bundesliga gibt es Medienberichten des Kicker und der Sport Bild zufolge zwischen 26 Millionen Euro (SC Paderborn) und 68 Millionen Euro (FC Bayern München). Entsprechend groß ist die Bedeutung der TV-Vermarktung für die Zweitligisten, bei denen zudem die Einnahmen aus Ticketing und Merchandising eine größere Rolle spielen als bei Bundesligisten.
Doch welche Klubs wanken in der 2. Liga? Der KSC treibt Pläne für eine Planinsolvenz intensiv voran. Die Gemengelage in Karlsruhe ist besonders grotesk. Auf der Baustelle Wildparkstadion wird trotz Kontaktverbot und Ausgangsbeschränkungen fleißig gearbeitet.
Insolvenz? Eine Chance für den Karlsruher SC
Die Stadt finanziert den Neubau für 34.302 Zuschauer vor, die geplanten Kosten liegen bei 123 Millionen Euro, die der KSC über die Pacht abbezahlen soll. Der Klub ist erst im Sommer aus der 3. Liga wieder aufgestiegen, sieht sich mittelfristig in der Bundesliga. Doch aktuell rangieren die Badener auf einem Abstiegsplatz (17.).
Die angepassten Regeln der DFL in der Coronakrise werden so zur Chance, schließlich gab der Liga-Träger bekannt, Insolvenzen nur mit drei Punkten Abzug zu bestrafen, und nicht mit neun Zählern wie üblich.
Präsident Ingo Wellenreuther und Geschäftsführer Michael Becker wurden bei der Stadt und den Hausbanken vorstellig, schreiben die Badischen Neuesten Nachrichten. Noch im April sollen rund 8.100 Mitglieder virtuell über eine Planinsolvenz abstimmen.
VfL Bochum und Darmstadt 98 bangen
Die Coronakrise als Chance? Auch der VfL Bochum aus dem strukturschwachen Ruhrgebiet gilt als notorisch klamm. "Die Insolvenz wäre ein Szenario, wenn keine der Maßnahmen von Vereins- oder Ligaseite greifen würde, quasi ein Worst-Worst-Case-Szenario", sagte Geschäftsführer Ilja Kaenzig der WAZ. Mit Maßnahmen meinte wohl auch er Geisterspiele - und damit fest einkalkulierte TV-Einnahmen.
Ohne TV-Gelder droht offenbar auch Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden der K.o.. "Wenn bis zum Saisonende keine Zuschauer zugelassen werden - und davon gehe ich persönlich aus - dann ist das durchaus existenzbedrohend", erklärte Geschäftsführer Nico Schäfer.
Der Etat sei mit rund acht Millionen Euro "auf Kante genäht", der wirtschaftliche Schaden liege pro Partie ohne Zuschauer bei rund 200.000 Euro. Bitter: Ausgerechnet das mit 8.200 Zuschauern ausverkaufte Heimspiel gegen den VfB Stuttgart musste wegen der Coronavirus-Pandemie als erstes abgesagt werden.
Weitere Zweitligisten bangen. Beim SV Darmstadt gab Präsident Rüdiger Fritsch vielsagend die Devise aus: "Es ist verboten, aufzugeben!" Und Helge Leonhardt, Präsident von Erzgebirge Aue, erklärte im Aktuellen Sportstudio des ZDF: "Wir haben einen Plan bis 30. Juni. Danach wird es eklig und grausam. Ich kann kein Szenario ausschließen. Es kann bis zur Planinsolvenz gehen."
Drastische Lage in der 3. Liga
In der 3. Liga stellt sich die Situation noch drastischer dar. 1,042 Millionen Euro gibt es hier pro Klub aus der Vermarktung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) - entsprechend wichtig sind die Zuschauereinnahmen.
Der viermalige Meister 1. FC Kaiserslautern hat einen Schnitt von 19.269 Zuschauern. Laut Süddeutscher Zeitung belasten Verbindlichkeiten von 20 Millionen Euro den Traditionsverein, der bislang nur überleben konnte, weil die Stadt regelmäßig die Stadionmiete reduzierte.
Laut SZ sei auch für den 1. FCK eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung denkbar. Der Geschäftsbetrieb könnte weitergehen, von einem Neun-Punkte-Abzug geht in der Corona-Gemengelage niemand mehr aus. Wie das Solidaritätsprinzip in der 3. Liga aussehen könnte, hat der wohlhabende DFB bis heute nicht geklärt.
MSV Duisburg, TSV 1860 München und Hansa Rostock mit Problemen
Auch andere Klubs mit großen Namen taumeln: Tabellenführer MSV Duisburg beziffert ausbleibende Einnahmen aus dem Ticketing auf rund 1,5 Millionen Euro, der TSV 1860 München spricht von einer "gefährlichen Schieflage" und Hansa Rostock von einem Millionen-Schaden.
Wen erwischt es wirklich? Wer kann sich durch die Corona-Krise vielleicht sogar sanieren? Es bleibt spannend im deutschen Profi-Fußball – vor allem unterhalb der Bundesliga.
Verwendete Quellen:
- Weser-Kurier.de: Klaus Filbry: Für die Krise hätten keine Rücklagen geholfen
- Kicker.de: 13 der 36 Profi-Klubs droht Insolvenz
- bnn.de: Wellenreuther und Co. treiben beim KSC Insolvenzpläne voran
- waz.de: VfL Bochum: Im schlimmsten Fall droht im Mai die Insolvenz
- liga3-online.de: Wie die Corona-Krise die Existenz die Drittligisten bedroht
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.