Seit fast 40 Jahren dient Karl-Heinz Rummenigge, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, dem FC Bayern München. Er ist das Gesicht des Rekordmeisters. Er hat die Bayern fit gemacht für eine prosperierende Zukunft. Und doch muss er immer noch mit alten Ressentiments leben.

Mehr News zur Bundesliga

Man kann nicht behaupten, dass Karl-Heinz Rummenigge ein Ur-Bayer ist. Rummenigge ist Westfale, in Lippstadt zwischen Dortmund und Paderborn geboren. Vor mehr als 40 Jahren ereilte den damals 18-Jährigen ein Anruf, der sein Leben verändern sollte.

Der damalige Bayern-Manager Robert Schwan war am Telefon und fragte an, ob sich der Jüngling eine Fußballkarriere beim FC Bayern München vorstellen könne. "Als Bayern anrief, habe ich meine Sachen so schnell gepackt wie nie in meinem Leben", erzählt Rummenigge.

"Rotbäckchen" und "Rummelfliege" haben sie ihn in seinen ersten Jahren wegen seiner gesunden Gesichtsfarbe und seinem schüchternen Auftreten genannt. Franz Beckenbauer hat mal gesagt: "Der Rummenigge, das ist ne Bratwurst."

Die Bratwurst hat's weit gebracht. In München ist er zum besten Stürmer seiner Zeit gereift, danach hat sein Verkauf für die Rekordsumme von elf Millionen D-Mark den FC Bayern vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere kehrt er nach München zurück, wird 2001 Vizepräsident und ein Jahr später Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten FC Bayern München AG.

Treibende Kraft der Globalisierung

Seitdem leitet er die Geschicke des Klubs und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Bayern rund eine Dekade später auf einer Stufe mit den besten des europäischen Klubfußballs stehen. "Das ist das Größte, was wir alle bei Bayern München in den letzten 20 Jahren bewerkstelligt haben, dass wir mit Barcelona und Madrid in einem Atemzug genannt werden", sagt Rummenigge.

Im Schatten der ewigen Bayern-Granden Beckenbauer und Uli Hoeneß war Rummenigge lange Zeit so etwas wie der Ausputzer, der Mann für die unspektakuläreren Angelegenheiten. "Ich hatte das Glück, dass ich zehn Jahre im Windschatten von Uli und Franz ein Netzwerk aufbauen und lernen konnte", sagt er rückblickend.

Mit dem Abtreten von Beckenbauer aus dem operativen Geschäft und der Gefängnisstrafe von Hoeneß ist Rummenigge seit einiger Zeit der wichtigste Repräsentant der erfolgreichsten Marke des deutschen Fußballs. Rummenigge hat die richtungweisenden Deals mit den Premiumsponsoren "Adidas", "Audi" und "Telekom" eingefädelt und abgeschlossen. Er hat die globale Expansion der Bayern vorangetrieben, die Büros in New York und Schanghai installiert.

Er ist unglaublich gut vernetzt in der Welt des Fußballs, aber nicht nur da. Rummenigges Fühler reichen weit hinein in die Landespolitik. Er pflegt einen hervorragenden Draht zu wichtigen Wirtschaftsgrößen und ist als Freund der New Economy stets offen für neue Märkte und Aufgaben. Rummenigge ist der Global Player des FC Bayern. Und genau das ist manchmal auch sein Problem.

Kein bayerischer Stallgeruch

Es ist das Undankbare an seinem Job, dass er immer zwischen den Welten wandelt. Der FC Bayern, das bedeutet Heimatverbundenheit, Wir-Gefühl, die große, rote Familie. Die emotionale Bindung ist enorm, für Rationalität bleibt da nicht immer Platz. Genau dieser bedarf es aber, wenn Rummenigge als Chef des FCB oder in seiner Funktion als Vorsitzender der europäischen Klubvereinigung ECA und Uefa-Exekutivmitglied für die Belange seines Klubs in Gefecht zieht.

Rummenigge spricht fließend englisch und italienisch, tritt weltmännischer auf als zum Beispiel Hoeneß dies immer tat. Aber zu Hause, in Bayern, da ist diese mondäne Art nicht immer auch gerne gesehen. Die Fan-Basis liebt es zünftig-rustikal. Und wenn möglich, dann auch mit bayerischem Einschlag.

Rummenigge kann und will das nicht liefern. "Ich bin Ostwestfale. Diese sind etwas rationaler als Bayern. Ich habe auch nicht vor, das zu ändern. Ich spreche nach wie vor Hochdeutsch und nicht Bayerisch. Fußball ist Emotionalität, aber man muss sie mit der Rationalität, die vom Management verlangt wird, vereinen." Manche seiner Reden wirken ein wenig ungelenk und hölzern. Der impulsive Hoeneß konnte die Leute mit seinen Tiraden packen.

Rummenigge hat den Umstand längst akzeptiert, dass ihm trotz fast 40 Jahren im Verein immer noch der Stallgeruch abgesprochen wird. Und dass er jetzt derjenige sein wird, der das nächste große - aber nicht von jedem befürwortete - Projekt in Angriff nimmt.

Pep Guardiolas Vertrag sein nächstes Projekt

Der Vertrag von Pep Guardiola endet im kommenden Sommer. Lange Zeit sah es danach aus, dass der Katalane die Bayern dann auch schon wieder verlässt. Rummenigge hat seinem ersten Angestellten stets alle Zeit und Ruhe der Welt gegeben, erst gegen Ende des Jahres soll es konkrete Gespräche geben. Und mittlerweile scheint sich das Blatt ein wenig zu wenden.

"Ich bin durchaus optimistisch, dass Pep über den 30. Juni 2016 hinaus bleibt. Der Trainer fühlt sich wohl. Er hat eine gute Mannschaft. München als Stadt ist hilfreich. Es liegt viel auf der Waage, damit sich Pep Guardiola für Bayern München entscheidet", sagt Rummenigge.

Nicht jeder wird das gerne hören. Guardiola steht für Teile der Fans für die schleichende Entfernung des Klubs von seinem bayerischen Kern. Rummenigge hält diese Annahme für Nonsens. Die Bayern wollen (wieder) der beste Klub der Welt werden. Und dafür brauchen sie nunmal den besten Trainer der Welt. Und den mit der größten Strahlkraft.

Rummenigge wäre nicht Rummenigge, hätte er nicht schon längst die vielen Vorzüge Guardiolas abseits des Platzes erkannt. Dieser Trainer öffnet den Bayern viele Türen für mögliche Sponsoren, in der TV-Vermarktung und in der globalen Wahrnehmung der Fans. Das ist etwas mehr als Mia san Mia. Und, eine von Rummenigge gerne benutzte Floskel: Am Ende des Tages geht es im Profifußball neben den Titeln eben auch um jede Menge Geld.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.