Victor Boniface und Patrik Schick stellen nicht nur das gefährlichste Mittelstürmer-Duo der Liga, sie könnten im Titelkampf mit den Bayern auch den entscheidenden Unterschied machen. Die Zahlen sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache. Und das sollte dem FC Bayern zu denken geben.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Manchmal kommt es Xabi Alonso ganz gut zupass, wenn er auf einige der ihm gestellten Fragen auf Deutsch und nicht in seiner Muttersprache antwortet. Alonso formuliert dann entsprechend einfache Sätze, die vermutlich etwas weniger Tiefgang haben, als wenn er auf Spanisch antworten würde.

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Am Mittwoch kurz vor Mitternacht wurde Alonso unter anderem nach seinen beiden Angreifern Patrik Schick und Victor Boniface befragt und ob es denn nicht denkbar wäre, die beiden zu einer dauerhaften Doppellösung im Sturm zu machen.

"Wenn ich analysiere und fühle, dass ich diese Variante für ein Spiel brauche, bin ich offen für alles", sagte Alonso auf der Pressekonferenz nach dem DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Köln. "Ich habe nicht nur ein System - wir haben eine Struktur, einige Prinzipien, eine Idee. Doch wir haben in der Vergangenheit schon mit zwei Stürmern gespielt. Warum nicht in der Zukunft?"

In der Gegenwart musste der 1. FC Köln auf die besonders schmerzhafte Tour erfahren, wie gnadenlos das Duo Boniface und Schick funktionieren kann. Schick mit zwei und Boniface mit einem Tor waren zu viel für den ansonsten nahezu ebenbürtigen Außenseiter. Dank der beiden Angreifer blieb eine Sensation im Pokal-Viertelfinale aus - und Leverkusens Traum von der Double-Titelverteidigung damit am Leben.

Boniface endlich wieder zurück

Etliche Wochen der laufenden Spielzeit war Schick im Angriffszentrum die einzige Leverkusener Option. Anfang November hatte sich Boniface eine schwerwiegende Verletzung am Oberschenkel zugezogen und bis zum Bundesligaspiel gegen 1899 Hoffenheim am vergangenen Wochenende 14 Spiele am Stück verpasst. Dann kehrte der 24-Jährige zurück, steuerte einen Treffer zum 3:1-Sieg bei und entschied ein paar Tage später das Derby gegen den FC.

Beinahe hätte Boniface das Duell gegen den Kontrahenten von der anderen Rhein-Seite gar nicht mehr spielen können: Lange Zeit stand ein Wechsel nach Saudi-Arabien im Raum und die spektakuläre Ablösesumme von 70 Millionen Euro. Selbst für einen herausragend alimentierten Klub wie Bayer 04 eine mächtige Zahl.

Dann zerschlug sich der Wechsel zum Ronaldo-Klub Al-Nassr aber. Boniface bleibt in Leverkusen und soll nun, endlich wieder komplett genesen, die Optionen im Angriff wieder deutlich erweitern.

Schick trifft alle 59 Minuten ins Tor

Der Nigerianer fand nach seiner überragenden ersten Spielzeit mit insgesamt 21 Pflichtspieltoren zwar etwas schleppend in die aktuelle Saison, seine Quote besonders in der Bundesliga kann sich aber mehr als sehen lassen: Alle 100 Minuten schießt oder köpft Boniface einen Ball ins Tor. In der Liga sind da aktuell nur MainzJonathan Burkardt (alle 94 Minuten) und Bayerns Harry Kane (alle 75 Minuten) besser. Und natürlich Patrik Schick.

Der steht derzeit bei 14 Saisontoren, dürfte bald den nach Manchester abgewanderten Omar Marmoush in der Torjägerliste überholen und damit als einziger noch ein wenig Anschluss halten zu Bayerns Kane. Längst überflügelt hat Schick seinen Widersacher in puncto Effizienz: Lediglich 59 Minuten benötigt der Tscheche in der Bundesliga für ein Tor. Da kann selbst Harry Kane nicht mithalten.

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Das gefährlichste Mittelstürmer-Duo der Liga

Nun also kann sich Trainer Alonso über gleich zwei Mittelstürmer von internationalem Spitzenformat freuen und über die entsprechenden Variationsmöglichkeiten. Grundsätzlich ist im Leverkusener Spiel und in Alonsos 3-4-2-1-Anordnung nur Platz für einen Stoßstürmer. Dafür fortan aber wieder zwei einigermaßen unterschiedliche Spielertypen zu haben, plus Halbstürmer wie Florian Witz oder Nathan Tella daneben oder dahinter, ist ein überragender Vorteil im Vergleich zu Konkurrenz.

Keine andere Spitzenmannschaft der Liga kann ein vergleichbar gefährliches Duo vorweisen. Den Bayern fehlt neben oder hinter Kane ein weiterer treffsicherer Zentrumsangreifer, seine vermeintliche 1B-Lösung Mathys Tel hat der Rekordmeister nach London ziehen lassen. Frankfurt hat in Marmoush den kongenialen Partner für Hugo Ekitike verloren, in Leipzig finden Lois Opanda und Bejamin Sesko nicht so richtig in ihre Rollen.

Im (Zwei)Kampf um die Deutsche Meisterschaft könnte das noch eine ganz entscheidende Rolle spielen. Weil sich Leverkusen mit Boniface oder Schick oder beiden gemeinsam auf dem Platz eine neue, kaum beachtete Option öffnet: Der Versuch, mit Halbfeldflanken zum Torerfolg zu kommen.

Flanken plus Wucht im Strafraum

Im Spiel gegen die renitenten Kölner war das Zentrum für Bayer wie vernagelt, stellte der Gegner mit drei engen Ketten den direkten Weg zum Tor und auch die für Bayers Offensivfluss essenziell wichtigen Halbräume zu. Also musste es die Werkself immer wieder über die Außen versuchen, stellte ab der zweiten Halbzeit Wirtz fast schon als Linksaußen ab - und ließ später mit dem Doppel-Sturm Boniface und Schick als potenzielle Abnehmer eine Flanke nach der anderen in den Kölner Strafraum regnen.

Nicht zufällig fielen der späte Ausgleich und der Siegtreffer nach Hereingaben von der Seite, am Ende waren es sogar 40 Leverkusener Flanken in 120 Minuten Spielzeit. Das wiederum passt zu Alonsos weniger dogmatischen, sondern pragmatischen Ansatz in dieser Saison.

Bayer spielt nicht mehr in jeder Partie betörend schönen Fußball, sondern wendet jene Mittel an, die den größten Erfolg versprechen. Das kann mal ein eher abwartender Fußball sein, der auf viel Umschaltspiel in der Offensive setzt wie beim Rückserien-Start in Dortmund oder das einfache Mittel der Halbfeldflanke bevorzugen, wenn der Weg zur Grundlinie und in den Rücken des Gegners versperrt ist.

Für diese Brechstangen-Option sind zwei wuchtige Zentrumsstürmer - plus der im Zweifel ebenfalls aufrückende Innenverteidiger Jonathan Tah als zusätzlicher Zielspieler - dann von unschätzbarem Wert.

Köln-Trainer Gerhard Struber war mit der Nachspielzeit nicht einverstanden.

DFB-Pokal: Struber hadert mit dem Schiedsrichter - Alonso adelt Wirtz

Nach dem 3:2 im Pokal-Viertelfinale zwischen Leverkusen und Köln mischte sich bei FC-Trainer Gerhard Struber Stolz und Unverständnis gleichermaßen. Der Österreicher konnte gerade eine Entscheidung des Schiedsrichters nicht nachvollziehen. (Fotoquelle: picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl)

Gemeinsam alle 24 Minuten zum Torerfolg

Schon in der vergangenen Saison war dies der größte Faktor für die schier unheimliche Serie von späten Leverkusener Toren mit meist spielentscheidendem Charakter. Nun steht die Mannschaft unter Alonsos Regie bei sagenhaften 25 Treffern in der Nachspielzeit - an einen Zufall mag man mittlerweile kaum noch glauben. Und die Bayern mögen zwar in der Tabelle führen, offenbaren aber genau in diesen entscheidenden Minuten oft große Schwächen. Die Chance der Titelverteidigung für Leverkusen ist also mehr als real.

Aktuell sind jedenfalls sowohl Victor Boniface als auch Patrik Schick fit und könnten ihrem Trainer noch deutlich öfter die Option bieten, beide gemeinsam spielen zu lassen. "Sie haben heute gezeigt, dass sie auch, wenn sie zusammen spielen, Tore schießen können", sagte Sportchef Simon Rolfes.

Erst fünfmal standen Boniface und Schick seit Sommer 2023 gemeinsam auf dem Platz, 143 Spielminuten sind mit dem Sturm-Duo erfasst. Die Bilanz: Drei Boniface-Tore und zwei von Schick - heruntergebrochen trifft also einer von beiden alle 24 Minuten ins Tor. Auch das sucht in der Bundesliga seinesgleichen.

Xabi Alonso weiß um diesen großen Vorteil und dass in der heißen Phase der Saison diese zusätzliche Waffe von fundamentaler Bedeutung werden kann. Nur sagen wollte Alonso das in der Form nicht. "Es ist gut beide zu haben. Und das ist am Ende entscheidend..."

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