Der Videobeweis sammelt am elften Spieltag Pluspunkte, obwohl sich die verantwortlichen Schiedsrichter-Funktionäre zuvor ziemlich ungeschickt verhalten haben. Dafür zeigt sich ein Unparteiischer äußerst selbstkritisch.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Meine Meinung
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Zum Schicksal der Schiedsrichter gehört es, dass sie nach ihren Spielen nur dann vor die Fernsehkamera gebeten werden, wenn sie eine umstrittene oder gar falsche Entscheidung getroffen haben, die erheblichen Einfluss auf die Partie genommen hat.

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Dann sollen sie erklären, warum sie so und nicht anders entschieden haben - obwohl doch nun wirklich jeder nach etlichen Superzeitlupen und Standbildern aus zahlreichen verschiedenen Perspektiven ganz klar gesehen hat, dass das nicht richtig war.

Es ist eine äußerst unangenehme Aufgabe für die Unparteiischen, zumal kurz nach dem Abpfiff. Und verständlicherweise hat nicht jeder von ihnen das Bedürfnis, diesen Job zu erledigen.

Selbstkritischer Referee in Hamburg

Guido Winkmann jedoch, der Referee des Spiels zwischen dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart (3:1), stellte sich am Samstag den kritischen Fragen von "Sky". Er hatte nach zwölf Minuten den Stuttgarter Dzenis Burnic zu Unrecht mit der Gelb-Roten Karte vom Platz gestellt, nach einem harmlosen Tackling gegen Aaron Hunt.

Seiner Wahrnehmung auf dem Platz nach sei Burnic "rücksichtslos eingestiegen, in die Achillessehne von Hunt", sagte Winkmann. Die Fernsehbilder gäben das aber nicht her. "Die Gelb-Rote Karte war in diesem Fall nicht richtig", räumte der Unparteiische ein. "Schiedsrichter machen halt Fehler."

Dabei zeigte eine der Wiederholungen dieser Szene ziemlich genau Winkmanns Blickwinkel. Sie machte deutlich, dass die Wahrnehmung des Referees nicht so abwegig war, wie es vielen schien: Aus dieser Perspektive sah es in der Tat so aus, als hätte Burnic den Hamburger an einer besonders verletzungsanfälligen Stelle getroffen.

Und ein anderer Blickwinkel stand Winkmann nun mal nicht zur Verfügung, zumal der Video-Assistent, wie der Schiedsrichter selbst sagte, "nicht befugt, war einzugreifen".

Denn Gelb-Rote Karten gehören nicht zu den Entscheidungen, die gemäß den Richtlinien des International Football Association Board (IFAB) mithilfe des Videobeweises überprüft werden dürfen.

Gelb-Rot wird vom Video-Assistenten nicht geprüft

Eine solche Prüfung ist im Kontext von persönlichen Strafen nur möglich, wenn der Unparteiische entweder eine glatt Rote Karte gezeigt hat oder der Verdacht besteht, dass es ein klarer Fehler war, eine Rote Karte nicht gezeigt zu haben.

Eine Gelb-Rote Karte dagegen ist nichts anderes als eine weitere Gelbe Karte für einen bereits verwarnten Spieler. Und Gelbe Karten werden vom Video-Assistenten generell nicht geprüft.

Manch einer will das ändern, etwa der Stuttgarter Trainer Hannes Wolf. Er plädiert für die Möglichkeit, bei einer Gelb-Roten Karte die zweite Verwarnung zu kontrollieren. Schließlich führe auch Gelb-Rot zur Unterzahl und habe damit dieselbe Konsequenz wie eine glatt Rote Karte.

Doch momentan ist eine solche Prüfung nicht möglich, weshalb Guido Winkmann vor allem für mehr Akzeptanz eintrat: "Ich habe heute einen Fehler gemacht, dazu muss ich stehen. Wir werden auch weiter Fehler machen, und irgendwann wird sich das ganze Thema beruhigen."

Klubs wurden vom DFB wochenlang allein gelassen

Einstweilen aber gibt es um dieses "ganze Thema", also den Videobeweis, weiterhin viele Diskussionen. Im Laufe der vergangenen Woche machte der "Kicker" ein Schreiben öffentlich, das Lutz Michael Fröhlich, der Chef der Bundesliga-Referees, und Hellmut Krug, der Leiter des Projekts Videobeweis, Ende Oktober an die Bundesligaklubs geschickt hatten.

Eigentlich sollte es mehr Klarheit hinsichtlich der Frage schaffen, wie durch die Einführung des Video-Assistenten die Rollenverteilung im Schiedsrichterteam aussieht und welchen Einfluss der technische Helfer auf die Entscheidungen des Schiedsrichters hat. Doch die Reaktionen auf den Brief fielen mehrheitlich negativ aus.

Das lag vor allem daran, dass Fröhlich und Krug von einer "Kurs-Korrektur" schrieben, die sie nach dem fünften Spieltag vorgenommen hätten. Das Schreiben wurde allerdings erst kurz vor dem zehnten Spieltag verfasst und den Vereinen übermittelt.

Bis dahin mussten sich die Klubs also selbst einen Reim auf die unübersehbaren Veränderungen beim Videobeweis machen, die es gab, nachdem die Praxis bis dahin für viel Kritik gesorgt hatte. Erst dann folgte die Aufklärung.

Inflation des Videobeweises?

Der Video-Assistent, so hieß es jetzt, solle sich auch dann einschalten, wenn im Zusammenhang mit Torerzielungen, Roten Karten (und rotverdächtigen Vergehen), Elfmetern (und elfmeterverdächtigen Szenen) sowie Spielerverwechslungen "die Einordnung der Schiedsrichterentscheidung in die Kategorie 'klarer Fehler' nicht zweifelsfrei gewährleistet ist, der Video-Assistent aber starke Zweifel an der Berechtigung der Schiedsrichterentscheidung hat".

Das klang für viele nach einer Inflation des Videobeweises. Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel äußerte sich kritisch und sagte, mit ihm sei der Brief nicht abgesprochen gewesen.

Fröhlich schob daraufhin eine weitere Erklärung an die Klubs nach, die auszugsweise auch auf der Website des DFB veröffentlicht wurde. Darin war nicht mehr von einer "Kurs-Korrektur" die Rede, auch die "starken Zweifel" als Kriterium für einen Eingriff des Video-Assistenten waren verschwunden.

Dafür wurde nun klargestellt, dass der Video-Assistent nur dann einschreiten soll, "wenn die Entscheidung des Schiedsrichters dem vorliegenden Bildmaterial gravierend widerspricht".

Dann müssten die beiden kommunizieren und die Wahrnehmung des Referees mit den Bildern abgleichen. Um einen klaren Fehler auszuschließen, könne sich der Unparteiische die Szene bei Bedarf in der "Review Area" selbst ansehen.

Eberl: "Katastrophale Kommunikation des DFB"

Fröhlich bedauerte zwar, dass "missverständliche Formulierungen" im ersten Brief "für Irritationen gesorgt und Fragen aufgeworfen" hätten. Doch das reichte vielen nicht.

"Die ganze Kommunikation beim DFB ist momentan katastrophal", sagte etwa der Mönchengladbacher Manager Max Eberl. "Wenn man eine Testphase hat und das ganze System dann auch anpassen will, ist das durchaus berechtigt. Nur sollten es dann auch alle wissen."

In der Tat ist es unverständlich, dass die Schiedsrichter-Funktionäre trotz der Verunsicherung und der deutlichen Kritik vonseiten der Klubs und der Öffentlichkeit nicht viel früher Stellung bezogen und für Transparenz gesorgt haben.

Vor allem, weil der Hauptgedanke in den Schreiben an die Klubs nachvollziehbar ist: Wenn die Einordnung einer Entscheidung in die Kategorie "klarer Fehler" schwierig ist, dann ist es sinnvoll, wenn der Schiedsrichter vor einem endgültigen Urteil noch einmal selbst einen Blick auf den Bildschirm an der Seitenlinie wirft.

Videobeweis muss berechenbarer werden

"Die Entscheidung, ob ihm ein klarer Fehler unterlaufen ist, liegt dann bei ihm selbst", so Fröhlich und Krug in ihrem ersten Brief. Das steht auch im Einklang mit den Regularien des IFAB, in denen es heißt: "Ein klarer Fehler des Schiedsrichters liegt vor, wenn er seine Entscheidung nach Betrachtung des Bildmaterials unverzüglich ändern würde."

Da es bei subjektiven Entscheidungen, etwa über Zweikämpfe und Handspiele im Strafraum, oft Ermessensspielräume gibt, wird die diesbezügliche Linie nie vollkommen einheitlich sein können.

Dennoch lässt sich die Berechenbarkeit in Bezug auf die Eingriffe der Video-Assistenten zweifellos verbessern. Gleiches gilt für die Frage, wann der Referee den Gang in die Review Area antritt und wann er dem Video-Assistenten blind vertraut.

Schritt nach vorne für den Videobeweis

Insgesamt hat der Videobeweis am elften Spieltag jedoch Pluspunkte sammeln können. So wurden beispielsweise in Wolfsburg beim turbulenten Spiel gegen Hertha BSC (3:3) gleich zwei Abseitstore für die Gastgeber annulliert, die ohne den Video-Assistenten anerkannt worden wären.

In Hamburg gab es in der 54. Minute nach einer Intervention aus dem Studio in Köln zu Recht einen Strafstoß für den VfB Stuttgart, nachdem Dennis Diekmeier den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand gespielt hatte, ohne dass der Unparteiische es bemerkt hatte.

In Mönchengladbach wurde korrekterweise ein Tor für den 1. FSV Mainz 05 zurückgenommen, weil der Video-Assistent ein klares Stürmerfoul von Suat Serdar erkannt hatte, das dem Referee verborgen geblieben war.

Allerdings entging ihm, genauso wie dem Schiedsrichter, nach 17 Minuten eine "Notbremse" des Gladbachers Lars Stindl an Philippe Gbamin, die einen Elfmeter und eine Rote Karte hätte nach sich ziehen müssen. Der regelwidrige Fußkontakt war zwar schwer zu sehen, in den Wiederholungen aber doch erkennbar.

Solche Fehler sind ärgerlich, werden sich jedoch nicht immer vermeiden lassen. Wichtiger ist aber eine erkennbare Linie beim Einsatz des Video-Assistenten. Und da war das Wochenende nach den Turbulenzen der vergangenen Tage ein Schritt nach vorne.



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