Der SC Freiburg trifft gegen den VfL Wolfsburg spät zum 4:3 – doch der Video-Assistent greift ein, und der Unparteiische nimmt den Treffer zurück. Das war richtig so, auch wenn die Breisgauer das ganz anders sehen.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Im Freiburger Schwarzwaldstadion lief schon die Nachspielzeit, da erhielten die Gastgeber in der Begegnung gegen den VfL Wolfsburg noch einmal die Gelegenheit zu einem Eckstoß.

Luca Waldschmidt führte ihn aus, jener Spieler, der nur wenige Minuten zuvor den Ausgleichstreffer zum 3:3 erzielt hatte.

Nun brachte er den Ball an die Grenze des Fünfmeterraums. Dort stieg sein Mitspieler Philipp Lienhart hoch und drückte die Kugel mit dem Kopf ins Tor. Doch mitten in den frenetischen Jubel hinein signalisierte Schiedsrichter Felix Brych, dass er die Torerzielung auf Empfehlung seines Video-Assistenten noch einmal in der Review Area überprüfen wird.

Als der Unparteiische danach auf den Platz zurückkehrte, wurde er zum Spielverderber. Denn er annullierte den Treffer für die Freiburger. Den Grund dafür erläuterte Brych später gegenüber dem „Aktuellen Sportstudio“.

„Dominique Heintz steht im Abseits, weil nur noch ein Spieler näher zum Tor ist als er selber“, sagte er. „Dann berührt er sogar in dieser Situation zwei Gegenspieler, kann sie somit am Laufen hindern, ist damit im Zweikampf mit ihnen, beeinflusst sie. Und deswegen: Abseits.“

Bei diesen beiden Gegenspielern handelte es sich um Robin Knoche, der sich unmittelbar hinter Heintz befand, und den Wolfsburger Torwart Koen Casteels, der direkt vor dem Freiburger stand.

Heintz ist sich keiner Schuld bewusst

Die Abseitsstellung von Heintz war unstrittig, es ging nur um die Frage, ob sie ahndungswürdig war. In Betracht kam eine Beeinträchtigung von Knoche oder Casteels.

Eine solche Beeinträchtigung liegt laut dem Regelwerk beispielsweise vor, wenn ein Spieler im Abseits „eindeutig aktiv wird und so klarerweise die Möglichkeit des Gegners beeinflusst, den Ball zu spielen“.

Oder wenn er einen Gegner „daran hindert, den Ball zu spielen oder spielen zu können, indem er ihm eindeutig die Sicht versperrt“.

Dominique Heintz war nicht der Ansicht, gegen die Regeln verstoßen zu haben: „Ich habe nichts gemacht, nicht gezogen“, sagte er. „Der Torwart wäre sowieso nie an den Ball gekommen, weil der im anderen Eck reingeht.“

Anderer Meinung war nach dem Betrachten der Bilder nicht nur der Referee selbst, sondern auch Rainer Werthmann von der DFB-Schiedsrichter-Kommission Elite.

Gegenüber dem „Kicker“ machte er zwei Gründe für ein strafbares Abseits von Heintz geltend: „die Beeinflussung des Torwarts und die komplette Sichtfeldbehinderung des Feld-Gegenspielers“, also von Knoche.

Die Beeinträchtigung von Torhüter Casteels habe darin bestanden, dass Heintz mit seiner linken Hand kurz den linken Arm des Schlussmanns angefasst habe.

Knoche wiederum konnte nach Werthmanns Einschätzung den Ball nicht sehen, weil der Freiburger direkt vor ihm stand. Deshalb sei Brychs Entscheidung, das Tor zurückzunehmen, „absolut richtig“ gewesen.

Bei Körperkontakt ist es strafbares Abseits

Aber wurden Casteels und Knoche tatsächlich von Heintz in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, an den Ball zu gelangen?

Betrachtet man sich die Bilder, dann kommen Zweifel auf. Denn Lienharts Kopfball wirkte unhaltbar, zumal er ins entfernte Toreck ging.

Rainer Werthmann sagt jedoch: „Es ist manchmal schwer zu vermitteln, aber es spielt keine Rolle, ob die beiden Spieler an den Ball kommen könnten oder der Ball in die andere Ecke des Tores fliegt.“

Eine Berücksichtigung solcher Faktoren gebe die Regel derzeit nicht her. „Man kann sicher diskutieren, ob das sinnvoll ist“, so der 59-jährige Ex-Schiedsrichter. „Wir sind jedoch dafür zuständig, die Regeln anzuwenden.“

Das heißt: Wenn sich ein Spieler im Abseits befindet und dann in der Nähe des Balles einen Gegner durch Körperkontakt, eine Bewegung zum Ball oder das Einschränken des Sichtfeldes behelligt, soll der Schiedsrichter das als regelwidriges Verhalten ahnden. Auch wenn es nicht sicher ist, ob der Gegner an den Ball gekommen wäre.

Der Video-Assistent griff zu Recht ein

Keine Rolle spielte es, dass Heintz ganz leicht von Knoche gehalten wurde, wie Werthmann erklärt: „Da hätte der Schiedsrichter nur eingegriffen, wenn nach Regel 12 ein Foulspiel vorgelegen hätte. Auch nach der Ansicht mehrerer Einstellungen im Kölner Videocenter war das für uns jedoch im Rahmen des üblichen Zweikampfverhaltens.“

Zu klären bleibt die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff von Video-Assistent Günter Perl tatsächlich vorlagen.

Wenn man annimmt, dass weder der Schiedsrichter noch sein Assistent an der Seitenlinie die Beeinflussung wahrgenommen hat, die von Dominique Heintz ausging, dann wäre dieses Vergehen glatt übersehen worden.

Sollten die beiden in Heintz‘ Verhalten dagegen keine Beeinflussung erkannt haben, wäre das nach der Maßgabe des DFB ein klarer und offensichtlicher Fehler gewesen.

So oder so war Perls Intervention also richtig. Und Brychs Entscheidung war es auch, selbst wenn der Freiburger Nils Petersen sie für einen „Stimmungskiller“ hielt.

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Teaserbild: © Robin Rudel