Der FC Bayern München fühlt sich von Schiedsrichter Viktor Kassai um das Weiterkommen in der Champions League gebracht. Der Frust ist verständlich, richtet sich aber gegen den Falschen. Vielmehr offenbarte das Spiel wieder einmal eine von der UEFA selbst verschuldete Schwäche des Profi-Fußballs.
"Wir sind beschissen worden", schimpft Karl-Heinz Rummenigge. "Zehn gegen 14 ist schwer zu spielen", meckert
Hauptverantwortlich dafür ihrer Meinung nach: das Schiedsrichtergespann um Viktor Kassai.
Kassai erwischt in Madrid rabenschwarzen Tag
In der Tat, die Unparteiischen erwischten gestern einen rabenschwarzen Abend:
Ein Platzverweis für Casemiro wäre angebracht gewesen,
Dass die Bayern auch in der einen oder anderen Situation von den Entscheidungen des Referees profitierten, wird da schnell ausgeblendet. Vidal hätte bereits kurz nach Wiederanpfiff Gelb-Rot sehen können, Lewandowski stand beim 2:1-Führungstreffer der Bayern im Abseits.
Aus Sicht der Münchner ist es einfach, ja geradezu praktisch, in Kassai den Schuldigen für den K.o. auszumachen. Dabei vergessen die Bayern bei all ihren Emotionen eines: Kassai ist ein Mensch. Und Menschen machen Fehler.
Der Ungar wollte gewiss genauso wie alle Spieler auf dem Platz seine bestmögliche Leistung abrufen. Das Dilemma ist vielmehr ein anderes.
Das Dilemma ist eine Farce
Schiedsrichter sind im immer schneller gewordenen Profi-Fußball weitestgehend auf sich alleine gestellt, haben aktuell nur bedingt technologische Hilfen, die sie in Anspruch nehmen können.
Angesichts der Tatsache, dass wir mittlerweile im Jahr 2017 leben, ist das schlichtweg eine Farce.
Jedem TV-Zuschauer war innerhalb weniger Augenblicke bewusst, dass die Tore zum 1:2, 2:2 und 3:2 nicht hätten zählen dürfen. Ein kurzer Blick auf die Zeitlupen offenbarte die jeweiligen Abseitspositionen.
Wenn die Bayern also außerhalb der eigenen Mannschaft Schuldige für das Aus suchen, dann finden sie diese bei der UEFA. Viel zu lange haben sich dort die Verantwortlichen gegen ihrer Ansicht nach zu viel technologischen Einfluss auf den Fußball gewehrt.
Die Einführung der Torlinientechnologie war immerhin ein Anfang. Dass diese Reform nicht ausreicht, hat das Bayern-Spiel in Madrid wieder einmal gezeigt.
Zum Glück wird der Video-Schiedsrichter in der Bundesliga ab der kommenden Saison eingesetzt. Nicht so aber im Europapokal - dabei wäre er auch dort überfällig.
Diese wichtige Unterstützung für den Referee muss her - und das lieber heute als morgen! Natürlich darf der Video-Schiedsrichter nicht für jede ansatzweise heikle Szene herangezogen werden, der Spielfluss würde darunter viel zu stark leiden.
Aber er hat in den spielentscheidenden Momenten einzugreifen. Und was könnte spielentscheidender sein als Platzverweise, Elfmeter oder gar Tore?
Tradition oder Nutzen?
Es gibt weiter Traditionalisten, die befürchten, dass ihr schöner Sport durch solche Änderungen leiden, ja gar kaputtgemacht werden würde. Dabei gibt es genügend Beispiele, die zeigen, wie sehr der Videobeweis jeweilige Sportarten bereichert hat.
Tennis ist durch den Einsatz des sogenannten "Hawk-Eye" viel fairer geworden. Im Basketball oder Eishockey nehmen sich die Unparteiischen insbesondere in wichtigen Situationen die Zeit, spielentscheidende Szenen noch einmal genau anzuschauen.
Und in der amerikanischen Football-Profiliga NFL wird gar jeder Spielzug, der zuvor zu Punkten führte, von den Schiedsrichtern überprüft. Genau das braucht auch der Profi-Fußball - und das nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in Champions und Europa League!
Gibt es einen Platzverweis, wird ein Elfmeter gepfiffen oder fällt ein Tor, dann ist das Spiel ohnehin unterbrochen. Zeit genug für den Referee, um sich mit dem Video-Schiedsrichter kurzzuschließen.
Heutzutage dauert dies nur Augenblicke - und es hätte so eine große Auswirkung auf das Spiel.
Ob die Bayern mit einem Video-Schiedsrichter gegen Real Madrid weitergekommen wären, ist fraglich und letztlich nicht zu beantworten.
Klar ist nur: Ihnen - und insbesondere Viktor Kassai - wäre mit dieser Schiri-Hilfe eine Menge Ärger erspart geblieben.
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