Die Europameisterschaft stand vor ihrer ersten Reform. Die Viertelfinals mit Hin- und Rückspiel wurden abgelöst, fortan sollten in zwei Vierergruppen die beiden Finalteilnehmer ausgespielt werden. Das Gastgeberland wurde bereits vor dem ersten Anstoß bestimmt. Sechs Verbände – darunter auch Deutschland - bewarben sich, Italien bekam letztlich den Zuschlag.
Der Gastgeber war ab sofort immer bereits qualifiziert. So mussten die 31 gemeldeten Verbände in sieben Qualifikationsgruppen um die letzten sieben Plätze streiten. Deutschland erwischte in Gruppe 7 mit der Türkei, Malta und Wales vermeintlich leichte Lose. Doch der Start unter dem neuen Trainer Jupp Derwall war holprig. In den Spielen in Malta und der Türkei (beide 0:0) enttäuschte die DFB-Elf maßlos. Erst der 2:0-Sieg gegen Wales brachte die Wende. Was damals noch niemand wusste: Für Sepp Maier sollte es das letzte seiner insgesamt 95 Auftritte im DFB-Dress gewesen sein. Einige Monate musste Maier seine Karriere nach einem schweren Autounfall an den Nagel hängen. Der Aufstieg von Toni Schumacher begann.
Die restlichen Spiele gewann Deutschland dann souverän und qualifizierte sich am Ende doch standesgemäß. Die DDR dagegen musste denkbar knapp die Segel streichen. In der Hammer-Gruppe mit Vize-Weltmeister Niederlande, Olympiasieger Polen und der Schweiz hatten es die Ostdeutschen am letzten Spieltag mit einem Sieg über Holland selbst in der Hand. Oranje reichte im Leipziger Zentralstadion ein Remis.
Vor 100.000 Fans sah es nach 33 Minuten sehr gut aus für die DDR. Schnupphase und Streich brachten die DDR 2:0 in Front. Die Holländer schlugen nach der Pause aber zurück und drehten die Partie noch zum 3:2. Die DDR war draußen. Die EM begann – und keinen interessierte es. Italien und die Serie A waren durch einen ungeheueren Manipulationsskandal erschüttert worden. Das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und der CSSR sahen im Römer Stadio Olimpici nur rund 11.000 Zuschauer.
Deutschland revanchierte sich für die Finalniederlage vier Jahre zuvor und gewann durch ein Tor von
Das letzte Spiel der Gruppenphase gegen Griechenland wurde durch das 1:1 zwischen der CSSR und den Niederlanden für die deutsche Elf bedeutungslos, da der Einzug ins Finale dadurch bereits feststand. Gegen die wackeren Griechen gab es dann auch lediglich ein 0:0. In der Gruppe B erlebten die Favoriten ihr blaues Wunder. Nicht Spanien, nicht England und auch nicht Gastgeber Italien erreichten das Finale – sondern der krasse Außenseiter Belgien.
Die Roten Teufel brachten die Favoriten dabei mit ihrer nahezu perfekt einstudierten Abseitsfalle beinahe zur Verzweiflung. Die Entscheidung fiel am letzten Spieltag, als Italien einen Sieg gegen Belgien benötigte. Das Team von Enzo Bearzot aber erwies sich als ähnlich abschlussschwach wie in den Partien zuvor und biss sich zudem am überragenden Jean-Marie Pfaff die Zähne aus. Das 0:0 bedeutete das Aus für die Squadra Azzurra. "Wir waren wie vom Glück verlassen", meinte Bearzot – und stand mit dieser Meinung ziemlich exklusiv da.
"Ohne Methode kann man keine Tore schießen. Italien fehlte es an der Kraft, das belgische Spinnennetz zu zerreißen", schrieb die "Gazzetta dello Sport" und "De Volkskrant" aus Amsterdam konstatierte "Italien ist als Fußballnation gestorben". Ganz und gar vital dagegen war die deutsche Mannschaft. In der Heimat zettelte die "Bild-Zeitung" mit einigen pikanten Geschichten über angebliche Trinkgelage der belgischen Spieler einen Medienkrieg an.
Auf dem Spielfeld erwies sich die DFB-Elf dann zunächst wirklich als die stärkere Mannschaft.
Den fälligen Elfmeter verwandelte Raymund Mommsens sicher. Die Belgier waren jetzt am Drücker, das Spiel drohte zu kippen. In der 89. Minute dann nochmals Eckball für Deutschland. Klaus Allofs trabte zur Ausführung, als ihn Kalle Rummenigge quasi zur Seite schubste. "Stellt Eure Linsen scharf, ich hau das Ding jetzt genau dem Hrubesch auf die Birne", soll er den am Spielfeldrand sitzenden Fotografen zugerufen haben. Die Ecke flog in den Fünfmeterraum. Hrubesch stand tatsächlich da und schraubte sich zwischen Luc Millecamps und Walter Meeuws am höchsten. Jean-Marie Pfaff eilte den Bruchteil einer Sekunde zu spät aus dem Tor und Hrubesch versenkte den Ball zur Entscheidung im Netz.
"Der Bulldozer aus Hamburg hat uns alle Illusionen geraubt", schrieb die Zeitung "Le soir". Toni Schumacher wurde zum besten Torhüter, Kalle Rummenigge zum besten Spieler des Turniers gewählt. Klaus Allofs wurde mit seinen drei Toren gegen die Niederlande Torschützenkönig. Und doch war ein enttäuschendes Turnier. "Deutschland ist der Meister der Armut", schrieb das "Algemen Dagbladet". Niemand wollte widersprechen.
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