Es ging um Millimeter und eine Minimalerschütterung des Balles: Zweimal schaltete sich der VAR in der zweiten Halbzeit ein, zweimal zum Nachteil von Dänemark. Nach Deutschlands Viertelfinaleinzug wird auch über den Videobeweis diskutiert. Hat er so einen Sinn?

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Macht die Technik den Fußball besser oder schlechter? Während Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand nach dem Spiel gegen Deutschland (0:2) über den VAR wütete und Unterstützung von deutschen Experten erhielt, versuchte sich Ilkay Gündogan differenziert zu äußern.

"Bei Handspiel bin ich noch so ein bisschen zwiegespalten, das ist so ein bisschen subjektiv. Man versucht, gewisse Regeln zu machen. Ich glaube, dass nicht alle im Sinne des Fußballs sind. Wenn man selbst Fußball gespielt hat und auch auf hohem Niveau, dann weiß man, dass es natürliche Bewegungen sind", sagte der 33-Jährige.

Handspiel oder kein Handspiel?

Joachim Andersen hatte die Hand an den Ball bekommen, die neue Erschütterungssoftware im Ball hatte angeschlagen, Schiedsrichter Oliver sichtete die Szene selbst, nachdem ihn der VAR darauf aufmerksam gemacht hatte und entschied auf Elfmeter für Deutschland. Havertz verwandelte sicher, es stand 1:0 für Deutschland.

Havertz verwandelt eiskalt

Mit einem sehr präzisen Elfmeter bringt Kai Havertz Deutschland gegen Dänemark auf die Siegerstraße.

Dänemarks Trainer hatte die Entscheidung als "lächerlich" bezeichnet. Eine Einschätzung, die auch MagentaTV-Experte Michael Ballack teilte. "Wie willst du denn aus einem Meter den Arm runternehmen? Der kann doch gar nicht reagieren", sagte Ballack bei MagentaTV. "Dieses Ausschlagding, was da angezeigt wird, das können wir gleich abschaffen", sagte Ballack. "Wir sollten immer noch nach Menschenverstand urteilen."

In eine ähnliche Kerbe schlug Didi Hamann. Es sei "das erste Mal, dass ich mir ernsthafte Sorgen um unser schönes Spiel mache", schrieb er bei X. Der Ex-Nationalspieler verwies auf andere Sportarten: "Snicko verbesserte Kricket, Hawkeye verbesserte Tennis. Die Technologie ist dabei, den Fußball zu ruinieren."

Abseits ist Abseits

Die Reaktion Hjulmands fiel wohl auch deshalb so heftig aus, weil sich Dänemark nur Sekunden vor der Handentscheidung durch den VAR um die Führung gebracht sah. Andersen hatte getroffen, doch der Computer erkannte eine minimale Abseitsstellung von Thomas Delaney.

"Es ging um einen Zentimeter. Ich habe das Foto hier auf meinem Handy", echauffierte sich Hjulmand. "Mir wurde gesagt, was die Statistik angeht, macht das keinen Sinn. So sollten wir nicht den Videoschiedsrichter benutzen. Es geht um einen Zentimeter."

Bundestrainer Julian Nagelsmann sah die Szene - logischerweise - etwas pragmatischer. "Das berechnet ein Computer, deshalb ist es korrekt, auch wenn es skurril ist", sagte er über die Szene. Überhaupt meinte er, der VAR und die Technik machten "den Sport etwas fairer".

Ist der VAR hilfreich?

Auch Gündogan ist froh über den VAR bei Abseitsentscheidungen. "Es gab früher auch schon knappe Entscheidungen ohne den VAR und auch immer wieder knifflige Szene, wo wir dann auch diskutiert hätten. 50 Prozent sagen ja, 50 Prozent sagen nein. Das ist auch das Schöne des Fußballs. Abseitsentscheidungen sind klar, das hilft den Schiedsrichtern schon extrem", sagte der DFB-Kapitän.

Niclas Füllkrug wollte sich überhaupt nicht auf eine größere Diskussion einlassen: "Abseits ist Abseits. Ich musste auch schon oft in den sauren Apfel beißen", sagte er nach dem Spiel.

Eine Abschaffung des VAR will übrigens auch Dänen-Trainer Hjulmand nicht: "Nein, ich mag den VAR. Die Technologie ist gut für den Sport", sagte er. "Meiner Meinung nach, wenn eine Entscheidung gut ist, sollte man das vom Mond aus sehen können und es sollte nicht um ein paar Zentimeter gehen. Wenn es nur um ein paar Zentimeter geht, ist es etwas fraglich." Hjulmand ergänzte: "Ich denke auch, dass es schneller gehen sollte. Es muss einen Weg geben, das zu verbessern." (dpa/sid/ska)

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