Borussia Dortmund pflügt nur so durch die Europa League. Der Traum vom ersten Titel in diesem Wettbewerb ist so lebendig wie nie zuvor. Auch der FC Liverpool mit Ex-Ikone Jürgen Klopp dürfte den BVB nur schwerlich aufhalten können.
Natürlich waren diese Tottenham Hotspur nicht der echte Gratmesser.
Die Spurs jagen in der heimischen Premier League immer noch Überraschungs-Spitzenreiter Leicester City hinterher und die Chancen, die "Foxes" bei fünf Punkten Rückstand doch noch abzufangen, dürften deutlich höher sein als jene von Borussia Dortmund, die in der Bundesliga ebenfalls fünf Punkte von Bayern München entfernt sind. Also entschloss sich Tottenhams Trainer Mauricio Pochettino auch im Rückspiel an der White Harte Lane für die große Rotation, wechselte fünf Stammspieler aus und nahm die Europa League quasi im Vorbeigehen mit, ohne dem Wettbewerb die ganz große Bedeutung zu schenken.
Vielleicht war Borussia Dortmund deshalb wie schon im Hinspiel eine Klasse besser als der Gegner. Vielleicht spielt der BVB derzeit aber auch einfach überragenden Fußball. Der Vergleich des Tabellenzweiten der Premier League gegen den Tabellenzweiten der Bundesliga jedenfalls fiel in der Addition beider Spiele eindeutig aus.
Die beiden Spiele gegen die Spurs waren eine Ansage an die Konkurrenz. In der Gruppenphase hatte der BVB ja noch sehr gefremdelt mit diesem Wettbewerb. Die Mannschaft fand keinen Zugang zu Gegnern wie FK Qäbälä oder FK Krasnodar.
Und die Tatsache, dass immer erst donnerstags gespielt wird, im Nachklapp der großen Champions League, die die Profis zu Hause auf dem Sofa schauen mussten, verstärkte diesen Eindruck nur noch.
Den Wettbewerb angenommen
Nach der Winterpause muss Dortmunds Trainer
"Wenn wir darüber nachdenken, in diesem Wettbewerb etwas zu gewinnen, dann müssen wir ihn auch zu unserem Wettbewerb machen. Das haben wir in der Gruppenphase definitiv vermissen lassen!", zürnte Tuchel im Februar und forderte die "nötige Haltung" zur Europa League ein.
Offenbar haben die Worte des Trainers sofort und nachhaltig gewirkt. Anders ist das teilweise fantastische Auftreten in den Partien gegen Porto und Tottenham mit vier Siegen aus vier Spielen kaum zu erklären.
Der Trainer selbst geht dabei mit bestem Beispiel voran: Tuchel lässt seinen bisweilen verschachtelt formulierten Aussagen auch die entsprechenden Taten folgen. Er überlässt rein gar nichts dem Zufall, ist auf alle Eventualitäten vorbereitet, hat ein tolles Händchen für die Rotation seiner Spieler und er schafft es derzeit perfekt, die richtige Balance zwischen Druck und Lockerheit zu finden.
Nur vier Gegentore, zehn Mal zu Null
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 23 von möglichen 27 Punkten in der Rückrunde, vier Siege in der Europa League und einer im DFB-Pokal. Das Erfolgsgeheimnis ist die deutlich verbesserte Defensivleistung der Mannschaft. Der BVB kassierte lediglich vier Gegentore in den 14 Pflichtspielen der Rückrunde - im selben Zeitraum der Hinrunde waren es derer 18 gewesen.
Dazu spielte Dortmund im Jahr 2016 schon zehn Mal zu Null, nie gab es mehr als ein Gegentor pro Partie. Hinter dem FC Barcelona und Juventus Turin ist Dortmund die drittbeste Rückrundenmannschaft in Europas Top-Ligen.
Borussia Dortmund verkörpert gehobenes Champions-League-Niveau. Es hat die nötige Schärfe erlangt und endlich zeigt die Mannschaft auch den nötigen Hunger, um am Ende Titel zu gewinnen.
Es stellt sich also fast automatisch die Frage, wer diese Mannschaft auf dem Weg zum Europa-League-Triumph noch aufhalten kann? Natürlich ist das Team abhängig von einzelnen Spieler. Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang sollte nicht zu lange ausfallen; an Kapitän Mats Hummels und seinem Aufbauspiel aus der Abwehrkette hängt auch jede Menge; Henrikh Mkhitaryan wäre in der Offensive wären auf Dauer nur schwer zu ersetzen.
Aber: Der BVB kann es sich sogar erlauben, punktuell auf wichtige Spieler zu verzichten und ihnen eine Pause zu gönnen. Shinji Kagawa, Marco Reus, Aubameyang oder jetzt zuletzt Hummels und Ilkay Gündogan bekamen Verschnaufpausen. Gerade in der Schlussphase der Saison könnten sich diese eher ausgeruhten Spieler noch als großer Vorteil gegenüber der Konkurrenz entpuppen.
Spiel der Spiele gegen Klopp
Bis zum Finale in Basel Ende Mai sind es noch vier Spiele. Die ersten beiden gegen den FC Liverpool. "Wir haben gegen Porto und Tottenham jeweils Ausrufezeichen gesetzt. Es wird sehr schwer, gegen uns weiter zu kommen", sagte der nicht eben zu Überschwang neigende Matthias Ginter bereits vor der Auslosung am Freitag.
Nun hat der BVB mit Liverpool den wohl dicksten Brocken gleich in der Runde der letzten Acht zugeteilt bekommen.
Die Hysterie war bereits in den Minuten nach der Auslosung in den sozialen Medien zu spüren und sie wird in den Tagen vor dem ersten Duell im Signal Iduna Park, noch weiter zunehmen. Aber ganz nüchtern betrachtet, ohne Folklore und Herzschmerz: Der FC Liverpool ist eine starke Mannschaft, ohne Frage. Aber nicht so stark wie der BVB in diesen Tagen.
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