Die meisten Sportarten werden von Männern dominiert. Zumindest die Sportarten, die auch eine breite Masse interessieren. Es gibt jedoch immer wieder Frauen, die sich in dieser von Testosteron gesteuerten Welt durchsetzen, sich Respekt erarbeiten und erfolgreich sind. Diesen Frauen wollen wir die Serie "Sportsfrauen" widmen. Den Anfang macht die wohl mächtigste Frau im Fußball: Marina Granovskaia vom FC Chelsea.
Im Sportjournalismus erfahren Frauen im Normalfall dann die größte Aufmerksamkeit, wenn sie hübsch sind, gut aussehen, sexy sind - oder einen Ball an den Kopf bekommen. Noch immer haben es Frauen schwer, sich in männlich geprägten Sportarten wie Fußball oder Motorsport als Teil des Sport durchzusetzen und nicht nur als nettes Beiwerk ohne große Kompetenzen.
Doch es gibt Beispiele von Frauen, die genau das geschafft haben. Marina Granovskaia ist eine davon.
Marina Granovskaia drängt nicht in die Öffentlichkeit - so gerne die Öffentlichkeit das auch hätte. Auf der Webseite des FC Chelsea erfährt man deshalb etwas über die Meriten von Granovskaia und ihren beruflichen Werdegang und absolut nichts zu ihrem Privatleben. Deutlich wird jedoch bereits aus dem kurzen Text, den der Verein über sie veröffentlicht hat, dass man es hier mit einer intelligenten und gebildeten Person zu tun hat.
Marina Granovskaia wird schnell zu Abramowitschs Vertrauensperson
Marina Granovskaia wird 1975 in Russland geboren. 1997 schließt sie die Universität Moskau im Fach Fremdsprachen mit Auszeichnung ab und beginnt noch im selben Jahr für Roman Abramowitsch bei dessen damaliger Firma Sibneft zu arbeiten. Sie besitzt die russische und die kanadische Staatsbürgerschaft und spricht neben Russisch auch fließend Englisch und - wie es die Pressestelle des FC Chelsea formuliert - "weitere europäische Sprachen".
Schnell wird sie zu einer Vertrauensperson für Abramowitsch, fungiert als Beraterin und managt sein Vermögen. 2003, kurz nachdem der Russe den FC Chelsea gekauft hat, zieht sie ebenfalls nach London. Ab 2010 vertritt sie die Interessen von Abramowitsch im Klub, seit 2013 sitzt sie im Vorstand der Londoner und ist seit 2014 hauptsächlich für Transfers zuständig. Das macht sie laut der britischen Times zur "mächtigsten Frau des Fußballs".
Und damit beginnt auch ihre große Erfolgsgeschichte.
Denn Granovskaia offenbart sich in ihrer neuen Position als gewiefte und harte Verhandlungspartnerin. Man kann es sich richtig vorstellen, wie sich Fußballgrößen reihenweise die Zähne an der 45-Jährigen ausbeißen.
An ihr beißen sich auch harte Hunde die Zähne aus
Als John Terry bei Verhandlungen seines neuen Vertrags die Bedingungen noch einmal ändern wollte, macht sie ihm schnell klar, dass er das besser bleiben lasse. "Take it, or fucking leave it", habe sie laut "Daily Mail" gesagt. Terry nahm das Angebot an.
2016 gewinnt Granovskaia Nike als neuen Ausrüster für den FC Chelsea. Ein Mega-Deal, der 997,5 Millionen Euro über 15 Jahre in Chelseas Kassen spült. Dass man sich noch aus dem Vertrag mit Adidas herauskaufen musste - geschenkt.
Ein Klub-Insider sagte dem britischen "Evening Standard", Abramowitsch vertraue ihr bedingungslos: "Sie will kein Promi sein, aber es gibt keinen Zweifel daran, wer bei Chelsea das Sagen hat und bestimmt, wo es langgeht."
Petr Cech ist voll des Lobs für Marina Granovskaia
Diese Tatsache wird von ihren männlichen Kollegen offenbar anstandslos akzeptiert. Gefragt nach dem Wechsel von Timo Werner, gibt beispielsweise Ex-Torhüter Petr Cech, der inzwischen als technischer Berater des FC Chelsea arbeitet, sofort unumwunden zu, wer hauptverantwortlich für das Zustandekommen des Deals gewesen sei: Er würde ja gerne behauptet, dass er es selbst gewesen sei, erklärt Cech bei Sky, "aber in unserem Club gibt es nur eine Person, die dafür sorgt, dass Dinge über die Bühne gehen, und das ist natürlich Marina". Sie sei die Beste, wenn es darum gehe einen Transfer auszuhandeln, ergänzt Cech.
Das bekommt wohl nun auch Bayer 04 Leverkusen zu spüren - schon zum zweiten Mal. Bereits 2013 zeigte sich Bayers damaliger Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser nach den Verhandlungen über Andre Schürrles Wechsel nachhaltig beeindruckt: "Sie machte einen durchaus toughen Eindruck. Sie wirkte sehr kompetent und vor allem verlässlich", sagte er laut "Mopo.de".
Und jetzt also Kai Havertz
Neuerdings soll Granovskaia mal wieder einen Leverkusen-Spieler zu ihrem obersten Transfer-Ziel erklärt haben: Kai Havertz. Wie die "Bild" meldet, will Granovskaia in den nächsten Tagen Kontakt zu Rudi Völler aufnehmen. Dass sich Chelsea
Granovskaias trockener Kommentar nach dem Vollzug des Transfers: "Wir respektieren die Entscheidung, die er getroffen hat - eine neue Herausforderung in einem anderen Land anzunehmen und seinem Kindheitstraum, bei Real Madrid zu spielen, zu folgen." Für 100 Millionen Euro lässt sich so ein Kindheitstraum natürlich deutlich leichter verwirklichen.
Was Havertz angeht, hat Leverkusen eine starke Verhandlungsposition inne. Schließlich wird der 21-Jährige von Top-Klubs in ganz Europa gejagt. Nichtsdestotrotz dürfte sich Granovskaia davon wohl kaum beirren lassen.
Auch, dass Chelsea trotz der Hazard-Millionen noch den einen oder anderen Spieler gewinnbringend weiterverkauft werden muss, um sich Havertz leisten zu können, dürfte für die Russin kein Problem darstellen.
Die "Iron Lady", wie sie manche nennen, wird einmal mehr unerbittlich ihr Ziel verfolgen - ganz egal, wer ihr da gegenüber sitzt. Der Respekt für Marina Granovskaia in der Männerwelt des Fußballs kommt schließlich nicht von ungefähr.
Quellen:
- "dailymail.co.uk": Meet Chelsea's £130m dealmaker: Marina Granovskaia told John Terry to 'take it or f***ing leave it'... and now she's forced a record-breaking fee out of Real Madrid for Eden Hazard
- "Spox.com": Keine Liebesgrüße aus Moskau
- "Mopo.de": Verhandlungen nur mit ihr Marina ist Chelseas heimlicher Chef
- "Bild.de": Wer ist Chelseas mächtige Marina?
- "Football.london": Marina Granovskaia and the transfer masterclass to help Chelsea sign Kai Havertz and Jan Oblak
- Chelsea FC: Marina Granovskaia - Director
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