- Die DFB-Elf präsentiert sich wie schon im ersten Duell mit den USA wechselhaft.
- Auf eine starke erste Halbzeit mit guten Offensivaktionen folgt eine schwächere zweite mit wackliger Defensive.
- Trotzdem blickt Martina Voss-Tecklenburg auf ein großartiges Jahr zurück.
Deutschland verliert mit 1:2 gegen die USA, fliegt aber stolz zurück in die Heimat. Auch wenn das Kalenderjahr mit einer Niederlage endet, so nimmt das DFB-Team einige positive Aspekte für das WM-Jahr mit – und weiß nun noch genauer, woran zu arbeiten ist. Fünf Erkenntnisse zur Reise in die Vereinigten Staaten.
1. Wechselhafte DFB-Elf kann viel Positives mitnehmen
Nach viermal 45 Minuten gegen die Weltmeisterinnen lässt sich aus deutscher Perspektive ganz beruhigt sagen: Dieses Team kann auch bei der kommenden Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland eine große Rolle spielen. Und das, obwohl die vier Halbzeiten gegen die USA sehr wechselhaft verliefen.
Jetlag, viel Rotation, eine uneingespielte Offensive und daraus resultierende Konzentrationsfehler – es war zunächst ein Start zum Vergessen. Doch im zweiten Duell erwischten die Deutschen einen Traumstart. Wie schon bei der Europameisterschaft im Sommer zeigte die DFB-Auswahl, dass sie sowohl kontrollierten Ballbesitzfußball als auch abwartenden Umschaltfußball kann. "In der ersten Halbzeit waren wir sehr gut im Spiel, haben viele gute Entscheidungen getroffen, hatten eine hohe Ballsicherheit", lobte die Bundestrainerin hinterher auf der Pressekonferenz.
Auch im zweiten Spiel lief nicht alles optimal, doch Deutschland wirkte in der ersten halben Stunde deutlich sicherer in den Abläufen und brachte so mehr Kontrolle in die eigenen Aktionen als über weite Strecken der ersten Partie. Insofern kann die Bundestrainerin viele positive Erkenntnisse mitnehmen. Gleichzeitig geben ihr beide Spiele auch Anhaltspunkte für Verbesserungsbedarf.
2. Die Abhängigkeit von Lena Oberdorf
Denn es gibt auch weniger positive Erkenntnisse nach diesen beiden Spielen: Wenn
Und im Offensivspiel ist sie ein wichtiger Anker in der beschriebenen Dynamik. Während nahezu alle Spielerinnen ihre Positionen wechseln und für Unruhe sorgen, hat Oberdorf meist die Fäden in der Hand. Sie ist die zentrale Spielerin, die mit ihren wuchtigen Dribblings und ihren präzisen Pässen die Räume bespielt, die Mitspielerinnen aufreißen.
Besonders eindrucksvoll zeigte sich das in der ersten Halbzeit, als Deutschland zunächst die totale Kontrolle über die USA hatte und einen gefährlichen Angriff nach dem nächsten auf den Rasen brachte. Nach gut 33 Minuten musste Oberdorf dann ausgewechselt werden, nachdem sie sich an der Schulter verletzt hatte. Eine Diagnose steht noch aus, die Mittelfeldspielerin wurde zum Röntgen in ein Krankenhaus gebracht. Deutschlands Spiel aber versank kurzzeitig im Chaos. Und auch nach der Pause ging es unruhig weiter.
3. Die Defensive bleibt die große Baustelle
Dass Deutschland es nach der Auswechslung von Oberdorf nicht mehr schaffte, das Spiel durch ruhigen Ballbesitz zu kontrollieren, war das eine große Problem. Das andere war abermals die Defensive. Und beides hängt sogar zusammen.
Der Spielaufbau funktionierte in den meisten Phasen des Spiels so gut wie gar nicht. Allein
Nüsken ist mit 21 Jahren einerseits ein vielversprechendes Talent, andererseits aber auch eine Mittelfeldspielerin, die für Eintracht Frankfurt hin und wieder als Innenverteidigerin eingesetzt wurde. Das wurde ihr nun ein wenig zum Verhängnis. Sie sammelte zwar Spielminuten, konnte diese aber nicht nutzen, weil die Rolle ihr zumindest auf hohem Niveau nicht liegt. Sie zahlte viel Lehrgeld. Lehrgeld, das eingeplant war. Man habe sich bewusst für sie und Nicole Anyomi entschieden, sagte Voss-Tecklenburg: "Wir nutzen diese Spiele, um gerade den Spielerinnen, die nicht so oft auf diesem internationalen Top-Niveau spielen, die Erfahrung zu ermöglichen."
Teilweise konnten sich die Offensivspielerinnen der USA den Ball mehrfach nahezu unbedrängt im deutschen Strafraum zuspielen. Über beide Partien gesehen war das defensiv zu wenig. Es hätten mehr als drei Gegentore sein müssen. Vor allem dank der Torhüterinnen Merle Frohms und Almuth Schult wurden es nicht mehr.
Bei der EM im Sommer konnte
4. Deutschland ist gerüstet für das Jahr 2023
Die 1:2-Niederlage ist ein unpassendes Ende dieses Kalenderjahres. Nimmt man beide Partien zusammen, so bleibt aber ein 3:3 über 180 Minuten gegen die Weltmeisterinnen stehen. Immerhin. Zumal die Liste an Ausfällen nach wie vor beachtlich lang ist. Deutschland hatten vor der Europameisterschaft nicht viele Expertinnen und Experten auf dem Schirm. Doch aktuell zählen sie wieder zur Weltspitze.
Vor allem im Offensivspiel hat das DFB-Team in diesem Kalenderjahr große Fortschritte gemacht. Mit vielen Positionswechseln und dynamischen Laufwegen waren die Deutschen für die USA in einigen Momenten kaum zu greifen. Kommt das Team in seinen Flow, ist es nicht zu verteidigen. Deutschland kombiniert Wucht, Aggressivität und Spielfreude – bei der EM 2022 spielten sie sich mit diesen Qualitäten in die Herzen vieler Fans auf der ganzen Welt. Von Voss-Tecklenburg gab es für dieses großartige Jahr ein "großes Kompliment".
Auch gegen die USA haben sie zumindest andeuten können, was in ihnen steckt. Die wacklige Defensive, der unruhige Spielaufbau und der eine oder andere Konzentrationsfehler – die Analyse für das kommende Jahr wird sicher auch einiges an Entwicklungspotential beinhalten. Aber genau dafür sei diese Reise auch da gewesen, erklärte die Bundestrainerin nach der Partie: "Wir haben viele Wechsel gemacht, viele junge Spielerinnen gebracht oder Spielerinnen, die nicht so oft auf dem internationalen Top-Niveau spielen. Deshalb war es eine wichtige Reise für uns und wir sind froh, dass wir diese Reise machen konnten."
Die Rückreise werden die Deutschen mit der Gewissheit antreten, dass sie auch im Jahr 2023 wieder Großes erreichen können. Martina Voss-Tecklenburg hat gemeinsam mit ihrem Team und vor allem den Spielerinnen Großes vollbracht. Sie hat Deutschland nach recht biederen Jahren wieder zu einer Nation geformt, die nicht nur um Titel mitspielen kann, sondern darüber hinaus einen sehr gut anzusehenden Fußball präsentiert. Im WM-Jahr gilt es daran anzuknüpfen und an den von den USA aufgezeigten Schwachstellen zu arbeiten.
5. ARD und ZDF: Nicht weltmeisterlich
Deutlich mehr Arbeit haben die ARD und das ZDF. Die Weltmeisterinnen spielen jeweils vor mehreren tausend Menschen gegen die Vizeeuropameisterinnen – und kaum jemand schaut zu. Das liegt fairerweise zu einem großen Teil an den Uhrzeiten. Das erste Spiel begann um 1.00 Uhr (MEZ), das zweite um 23.00 Uhr. Es lag aber auch daran, dass die beiden Sender nicht bereit waren, die Spiele im linearen Fernsehen zu zeigen.
Kaum Werbung, so gut wie keine Aufmerksamkeit und dann das alte Spiel mit den Streams – das große durch die Europameisterschaft ausgelöste "Hurra" des Sommers flacht zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wieder ab.
Ein Millionenpublikum wäre hier wohl nicht drin gewesen. Aber dem Stellenwert der beiden Testspiele wird diese Behandlung dennoch nicht gerecht. Im Jahr 2022 sollte der Fußball der Frauen eine angemessenere Bühne bekommen. Zumal zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer auch noch technische Probleme mit dem Stream der ARD hatten. Ein ernüchterndes Ende eines tollen Jahres.
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