Vor dem Spitzenspiel bei Manchester City wirkt der FC Liverpool unter Jürgen Klopp so stabil wie lange nicht mehr. Klub und Trainer haben sich in Teilen neu erfunden.

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Als Jürgen Klopp im Herbst 2015 den Job als Cheftrainer beim FC Liverpool übernahm, lag der Klub gemessen an den eigenen Ansprüchen am Boden. Eine Revolution war nötig. Klopp nahm sich die Zeit, eine neue Struktur zu integrieren und einen neuen Spielstil zu implementieren. Die Situation ist mit der aus dem Sommer 2023 nicht zu vergleichen, dennoch war die Enttäuschung nach dem Verpassen der Champions League und einer durchwachsenen Saison 2022/23 groß. Eine Revolution light musste her, Liverpool 2.0 quasi.

Liverpool und Klopp mit Baustellen im Sommer

Die vergangene Saison war für den FC Liverpool und Jürgen Klopp ein Wechselbad der Gefühle. Auf mehreren Ebenen zeigte die Mannschaft ungewohnte Schwächen, das Abo für die Champions League war nicht mehr vorhanden. Die Reds patzten häufig gegen vermeintlich kleine Teams, erhielten von Real Madrid in der Champions League eine Lehrstunde und verloren ungewohnt viele Topspiele. Spiele wie das 1:0 gegen Manchester City oder das furiose 7:0 gegen Manchester United waren eine Seltenheit. Und am Ende musste sich Liverpool mit der Qualifikation für die Europa League begnügen.

Verletzungen spielten natürlich eine Rolle, der Kader war aber auch nicht perfekt ausgewogen, gerade das Mittelfeld warf einige Fragen auf. Der Klopp-Stil war nicht mehr in seiner vollkommenen Prägnanz zu sehen. Und wenn vier, fünf oder gar sechs Prozent fehlen, ist der LFC "nur" noch ein sehr gutes, aber kein überragendes Team. Von Resignation war bei Trainer Klopp aber keine Spur. Im Gegenteil: Schon zum Saisonende plante er mit den Verantwortlichen den Kader für die neue Saison und erhielt Unterstützung von einem ihm vertrauten Partner namens Jörg Schmadtke.

Alle Parteien machten das Mittelfeld als Baustelle Nummer eins aus. James Milner, Alex Oxlade-Chamberlain, Naby Keita, Jordan Henderson, Arthur Melo und Fabinho verließen die Reds im Sommer, allesamt eigentlich Optionen für das Zentrum. Stattdessen kamen Wataru Endo, Alexis Mac Allister, Dominik Szoboszlai und Ryan Gravenberch. Das Zentrum wurde quasi einmal auf links gedreht.

Liverpool: Die Veränderungen fruchten

Alle externen Neuzugänge bei den Reds im Sommer wurden also für das Mittelfeld verpflichtet. Seitdem sind einige Monate ins Land gezogen und das erste Zwischenfazit ist positiv. Die Zusammenstellung im Zentrum wirkt durchdacht, der Kader homogen. Vor allem Endo als Stabilisator mit seiner Kombination aus extremer Laufstärke, klugem Passspiel und intensiven Zweikämpfen tut den Reds sehr gut. 27 Tore in zwölf Spielen und die mit zehn Gegentoren gemeinsam mit Arsenal beste Abwehr der Premier League zeigen zudem, dass es klug war, sich ausschließlich auf das Mittelfeld zu konzentrieren.

Nur ein Spiel hat Liverpool bis zu diesem Zeitpunkt in der Liga verloren. Das Verpassen der Champions ist überdies Fluch und Segen zugleich, denn in der Europa League kann der Trainer rotieren, den Spielern, die sonst überspielt wirkten, eine Pause gönnen. Das sorgt dafür, dass die gesamte Regeneration erleichtert wird und die typische, klopp'sche Pressingmaschine mit vielen intensiven Läufen und blitzschnellen Tempowechseln umso häufiger auf dem Platz sichtbar ist.

Mit Spannung erwartet wurde, wie die Reds den Verlust von Führungsspielern wie Henderson und Milner auffangen. Bei der Kaderplanung wurde offenbar akribisch darauf geachtet, dass die Charaktere zusammenpassen. Denn aktuell scheint sich eine neue Hierarchie im Kader zu entwickeln. Spieler wie Trent Alexander-Arnold übernehmen mehr Verantwortung, schlüpfen in die Rolle der vorherigen Anführer.

Klopp bereit für das erste große Topspiel

Nicht nur die Resultate stimmen bei Liverpool, auch die Statistiken lesen sich gut. Nur in drei Partien hatten die Reds weniger erwartete Tore als der Gegner, jeweils in der Anfangsphase der Saison, als die Akklimatisierung noch nicht abgeschlossen war. Einen "xG-Wert" von unter 1.0 hatten die Reds nur gegen Newcastle, schafften es aber trotzdem, das Spiel zu gewinnen. Das liegt auch am kontrollierten Chaos, das Klopp zurückbringen konnte.

Liverpool spielt oft mit einem hohen Tempo, setzt den Gegner unter Druck, nimmt sich auch Abschlüsse aus vermeintlich weniger lukrativen Positionen, trifft aufgrund der enormen Abschlussqualität einzelner Spieler aber trotzdem verlässlich. Vieles scheint wieder so zu sein wie in alten Glanzzeiten, als jeder Gegner in wenigen Minuten demontiert werden konnte. Es wäre falsch, von einem ganz neuen Liverpool zu sprechen, es ist eher die Version 2.0, die sich aktuell entwickelt.

Am Samstag (13:30 Uhr) steht die bisher größte Aufgabe der Saison auf dem Programm. Es geht zu Pep Guardiola und Manchester City, dem Meister und Tabellenführer. Im Leistungsmittel wirkten die Skyblues bisher noch etwas stabiler, sind personell aber leicht angeschlagen, während die Reds hier wenig signifikante Sorgen haben. Die Frage, wie reif Liverpool schon ist, wird sich anhand von einem Spiel nicht beantworten lassen, einen Hinweis wird es aber allemal geben.

Vieles ist aktuell mit den letzten Schritten vergleichbar, die Liverpool einst vor dem Titelgewinn in der Premier League oder der Champions League ging. Ob sich ein erneuter Zyklus anbahnt, in dem der LFC zu den bestimmenden Teams in England und Europa zählt, bleibt abzuwarten. Die Basis wurde aufgrund eines klugen Transfersommers und viel harter Arbeit aber geschaffen.

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