Die frühere FC Bayern- und österreichische Nationalspielerin Viktoria Schnaderbeck hat sich nach dem sportlichen Karriere-Aus mit einer Agentur selbstständig gemacht, mit der sie Profisportler und -sportlerinnen bei der Vermarktung und der Vorbereitung auf die Karriere nach dem Sport unterstützt. Im gemeinsamen Interview mit Lina Magull, einer ihrer Kundinnen, erzählt sie von den Erfahrungen
Viktoria Schnaderbeck und
Viktoria Schnaderbeck: Wir haben uns durch eine gemeinsame Freundin kennengelernt, davor haben wir uns nur flüchtig gekannt. Aber zusammengespielt haben wir nie. Lina kam nach München zum FC Bayern, kurz nachdem ich 2018 zu Arsenal nach London gewechselt bin.
Lina Magull: Wir haben oft gegeneinander gespielt, als ich in Wolfsburg und später in Freiburg war. Einmal haben wir mit dem SC Freiburg 2:0 geführt und Bayern hat noch 3:2 gewonnen. Deshalb habe ich daran nicht die besten Erinnerungen. Als ich dann einmal nach einem Auswärtsspiel in München geblieben bin, haben wir uns am Abend über unseren gemeinsamen Freundeskreis bei einem Essen kennengelernt.
Schnaderbeck: An die Spiele gegen Freiburg kann ich mich auch noch gut erinnern, das war eine gute Truppe unter Trainer Jens Scheuer. Da wussten wir, dass es immer knapp wird, und es ist auch nicht immer gut für uns ausgegangen.
Früher waren Sie Rivalinnen auf dem Fußballplatz, jetzt sind Sie Geschäftspartnerinnen. Wie kam es dazu?
Schnaderbeck: Die Idee, Athletinnen und Athleten zu betreuen, ist mir in den letzten Jahren gekommen. Ich war häufig verletzt und musste mich mit dem Gedanken beschäftigen, dass das Karriereende früher kommen könnte, als erwartet. Ich habe gemerkt, dass es in bestimmten Bereichen wenig Unterstützung für mich gab. Vor allem, was Vermarktung angeht und im Hinblick darauf, was nach der Karriere kommt. Ich habe schon viele Sportler gesehen, die nach dem Karriereende nicht wussten, was sie machen sollten, und wirklich existenzielle Probleme bekommen haben. Deshalb hatte ich selbst einen riesigen Respekt davor, was da auf mich zukommt. Aber als ich dann im Sommer 2022 nach der Europameisterschaft mit Österreich meine Karriere beendet habe, hatte ich schon Pläne für die Zukunft und bin nicht in dieses Loch gefallen. Das war für mich der Schlüsselmoment, an dem ich wusste, dass ich anderen helfen will, sich genau auf diesen Moment vorzubereiten. Und das ist der Grund, warum ich die Sportmarketing-Agentur Pro-Spective gegründet habe. Zum Start sind neben Lina auch Manuela Zinsberger und Laura Wienroither von Arsenal dabei.
Wie genau sieht die Zusammenarbeit aus?
Schnaderbeck: Wir machen Athleten-Betreuung außerhalb des Sports. Wir machen keine Spielerberatung, das ist eine bewusste Entscheidung, obwohl es sehr naheliegend für mich gewesen wäre. Es geht um die Vermarktung, den Aufbau und die Entwicklung der Persönlichkeitsmarke und die Positionierung der Sportlerin oder des Sportlers außerhalb des Sports. Vor allem mit dem Fokus auf der Frage: Wo sehe ich mich in fünf oder zehn Jahren? Wohin kann die Reise gehen? Wir entwickeln sehr individuelle Portfolios für die Sportlerinnen und Sportler, wobei es sehr stark darum geht, für was sie stehen, welche Stärken sie mitbringen und was sie interessiert. Das sind die zwei Schwerpunkte: Vermarktung und Vorbereitung auf die Karriere danach.
Lina, Sie sind 28 Jahre alt und im besten Fußballerinnenalter. Denken Sie schon manchmal an das Karriereende?
Magull: Nein, eigentlich noch nicht. Aber ich finde es gut, wenn man sich schon mal Gedanken macht, wo man sich in einigen Jahren sieht. Wenn man dazu schon vorab in den Austausch geht, ist das besser, als plötzlich mit 34 Jahren überhaupt noch keine Ahnung zu haben, was man mit seinem Leben anfangen soll. Deswegen ist es gut zu wissen, dass ich Viki und ihre Agentur in diesen Fragen als Beraterin habe. Das ist auf jeden Fall eine starke Unterstützung.
Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Magull: Eine gute Unterstützung neben dem Fußball. Gerade nach der EM stehe ich mehr im Fokus, bekomme mehr Anfragen und habe weder das gewisse Know-how noch die Zeit dazu. Deswegen war es mir sehr wichtig, jemanden an meiner Seite zu haben, der sich darum kümmert, viel Erfahrung im fußballerischen Bereich hat und auch weiß, wie es in der Marketing-Branche läuft. Außerdem war es mir wichtig, dass man ein gutes Verhältnis zueinander hat, das ein Vertrauen da ist. Wenn es um Dinge geht, die mit finanziellen Dingen verknüpft sind, ist es wichtig, dass man jemanden hat, auf den man sich verlassen kann. Wichtig ist auch, dass Viki ein tolles Netzwerk hat. Und wenn es dann irgendwann in meiner Karriere auf das Ende zugeht, habe ich jemanden, mit dem ich Pläne schmieden kann.
Viktoria, warum bekommen Fußballerinnen und Fußballer oft Probleme, wenn die Karriere endet?
Schnaderbeck: Vor allem im Männerfußball ist es sehr hart, vor dem Karriereende zu stehen und den Übergang zu schaffen. Das gibt es so extrem in kaum einem anderen Beruf, dass man aus dem Profisport in einen ganz anderen Zweig wechseln muss. Es ist sehr unterschiedlich, wie die verschiedenen Persönlichkeiten damit umgehen. Während der Karriere hat jeder einen anderen Zugang zu dem Thema und gewichtet es unterschiedlich. Manche bringen mehr Zeit dafür auf, sich auf die Zukunft vorzubereiten, andere weniger.
Im Frauenfußball arbeiten sogar viele Bundesliga-Spielerinnen noch nebenher, viele der Nationalspielerinnen studieren mit Blick auf die spätere Karriere. Wie ist das mit dem engen Terminplan zu vereinbaren?
Schnaderbeck: Erstens ist es ganz wichtig, das Bewusstsein und die Bereitschaft zu haben, etwas tun zu wollen. Wenn du selbst keinen Bock hast, ist es schwierig, da etwas zu machen. Zum anderen brauchst du ein gutes Zeitmanagement und musst effizient arbeiten. Die ein, zwei Stunden, die du hast, musst du effektiv nutzen. Das ist eine wichtige Qualität, strukturiert zu sein, mit der Zeit nachhaltig umzugehen. Und gewillt zu sein, an einem freien Tag zwei, drei oder auch vier Stunden zu investieren. Für mich ist das ein Investment, das sich im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt machen wird. Ich sehe mich dabei eher in einer begleitenden Rolle für die Sportlerin oder den Sportler. Ich denke, man muss schon eine gewisse Selbstständigkeit mitbringen. Das ist wichtig für das Leben danach und auch notwendig, um authentisch zu sein.
Lina ist Kapitänin des FC Bayern, Nationalspielerin und eine der bekanntesten deutschen Fußballerinnen. Was lässt sich an Ihrem Auftritt überhaupt noch verbessern?
Magull: So einiges (lacht).
Schnaderbeck: Ich freue mich natürlich, wenn ihr erfolgreich seid. Aber mir geht es nicht nur darum. Ich habe es Lina auch schon in persönlichen Gesprächen gesagt, dass ich finde, dass sie eine sehr spannende Persönlichkeit hat. Sie verkörpert über die sportlichen Qualitäten hinaus noch so viele andere Dinge. Ich finde es spannend, sie dabei zu begleiten, zu unterstützen und für den Tag X vorzubereiten. Dann ergeben sich vielleicht viele andere Möglichkeiten für Lina. Und da sehe ich mich. In der sportlichen Entwicklung hat sie sowieso die besten Leute um sich herum.
Aus der aktuellen Spielerinnen-Generation dürfte eine große Zahl sehr qualifizierter Trainerinnen, Sportdirektorinnen, Beraterinnen und Funktionärinnen hervorgehen. Ist es auch ein Ziel, den Frauenfußball in diesen Bereichen weiblicher zu machen?
Magull: Auf jeden Fall. Viki hat es während ihrer aktiven Karriere getan, jetzt versuch ich, das Thema Frauenfußball zu pushen. So richtig spannend wird es dann erst, wenn man mit dem Fußball aufhört und sich konkreter damit beschäftigen kann, wo man vielleicht in die Vereine oder Verbände reingehen könnte, um wirklich etwas zu verändern oder den Prozess mitzuentwickeln. Nach der Europameisterschaft ist in Deutschland ein Hype um den Frauenfußball entstanden. Ich hoffe, dass dieser Hype anhält und sich auch im Alltag noch mehr zeigt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, wie wir bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland abschneiden werden. Ich glaube schon, dass ich im Fußball bleiben werde nach meiner Karriere. Ich denke, es würde mir sehr schwer fallen, das Kapitel zu beenden und gar nichts mehr damit am Hut zu haben.
Schnaderbeck: Für den Frauenfußball ist es sehr wertvoll, Leute langfristig im System zu halten, die Erfahrungswerte mitbringen und eine klare Meinung haben. Für mich persönlich ist es aber gar nicht so wichtig, dass alle Fußballerinnen, die ich betreue, im Fußball bleiben. Das wäre auch vermessen zu denken, dass es zum einen alle in das System Fußball schaffen und zum anderen auch, dass sich alle dort überhaupt sehen. Deshalb ist es wichtig zu schauen, wo sich jemand in fünf oder zehn Jahren sieht. Wenn es der Fußball ist, ist das top. Wenn es die Wirtschaft ist oder der kreative Bereich, ist das genauso gut. Da gibt es keine zwingende Route.
Viktoria, zu Ihrem Netzwerk gehören auch der Rollstuhl-Tennisspieler und Paralympics-Teilnehmer Nico Langmann, die Eisschnellläuferin Vanessa Herzog und der Sport-Influencer Karol Jania. Wie ist es, mit Sportlerinnen und Sportlern aus anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten?
Schnaderbeck: Es geht nicht nur um Fußballer, sondern auch um Sportlerinnen und Sportler, Frauen und Männer. Ich versuche inklusiv zu sein, weil das ein Wert ist, für den ich sehr stark stehe. In der Zusammenarbeit gilt es dann auch saisonale Unterschiede zu berücksichtigen. Im Fußball gibt es einen immergleichen Rhythmus und eine laufende Belastung. Im Eisschnelllauf beispielsweise ist die Belastung im Winter enorm, während im Sommer mehr Zeit für andere Dinge ist. Ich komme selbst aus dem Fußball, habe aber schon gemerkt, dass die Einzelsportlerinnen und Einzelsportler eine ganz andere Persönlichkeit mitbringen. Die haben seit Jahren gelernt, was es heißt, auf sich gestellt zu sein und für den eigenen Erfolg zu kämpfen. Das merkt man in den Gesprächen.
Lina, wie ist es für Sie, auf Sportlerinnen und Sportler aus anderen Disziplinen zu treffen?
Magull: Ich bin immer offen, mich mit Athletinnen und Athleten aus anderen Sportarten auszutauschen. Man versucht schon immer, sich im eigenen Sport auszutauschen und Ratschläge zu holen. Dabei mal einen Perspektivwechsel zu haben und sich mit Sportlern aus anderen Disziplinen auszutauschen, tut gut. Die Chance gibt es nicht so oft. Ich denke, Viki wird bestimmt mal eine kleine Feier mit ihrem Netzwerk organisieren, worauf ich mich schon freue. So viele Einzelsportler kenne ich gar nicht persönlich, weil ich in der Fußballblase bin. Ich mag es aber allgemein, im Umfeld von Sportlern zu sein, weil die noch mal ein bisschen anders ticken.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.