- Sabine Töpperwien beendet ihre Laufbahn als Sport-Journalistin. Sie war die erste Frau in Deutschland, die live aus einem Fußballstadion berichtete.
- Für ihren Abschied nennt sie gesundheitliche Gründe.
- Die Würdigungen, die sie nach ihrer Ankündigungen erfahren hat, machen sie stolz.
Sabine Töpperwien ist eine wahre Pionierin des Sportjournalismus. Dass es in Deutschland heutzutage völlig normal ist, dass die Fußballer nach dem Spiel von Field-Reporterinnen befragt werden und der Sportjournalist nicht mehr nur in der männlichen Form existiert, ist auch ihr zu verdanken.
Als sie sich entschließt, es ihrem Bruder, ZDF-Reporter Rolf Töpperwien, gleichzutun und sich im Sportjournalismus zu verdingen, warnt der sie noch, jedes ihrer Worte werde "auf die Goldwaage gelegt". Sie selbst findet, er habe sie "auf das Experiment im Haifischbecken gut vorbereitet." Und so studiert sich Sozialwissenschaften, schreibt als erste Frau ihre Diplomarbeit über Fußball und macht ein Volontariat beim NDR.
Töpperwiens erstes Spiel: Lokalderby zwischen St. Pauli und dem HSV
Am 16. September 1989 ist es dann so weit. Sabine Töpperwien hat ihren letzten Arbeitstag beim NDR und kommentiert als erste Frau in Deutschland ein Spiel in der ARD-Bundesligakonferenz: das Lokalderby zwischen St. Pauli und dem HSV. "Ich durfte das nur, weil es mein letzter Arbeitstag war", erzählt sie später dem "Medium Magazin".
Der WDR hatte sie bereits abgeworben, doch der NDR habe sich diese Vorreiterrolle nicht nehmen lassen wollen und "die Meriten, als erster Sender eine Frau ein Bundesligaspiel kommentieren zu lassen, selbst ernten - sonst hätten die mich nie ans Mikro gelassen."
Ein paar Meriten streicht der WDR dann doch noch ein. Schließlich arbeitet Töpperwien bereits dort, als sie 1989 als erste Reporterin das erste live übertragene Frauenländerspiel im deutschen Fernsehen - das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien - kommentiert.
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Töpperwien: "Daum riet mir, mal lieber meinen Bruder zu schicken"
Die Reaktionen auf so viel Pioniergeist fallen gemischt aus - und das nicht nur vonseiten der Zuschauer. "Otto Rehhagel entgegnete mir mal, ich hätte noch nie den Schweiß einer Kabine gerochen. Und Christoph Daum riet mir, lieber mal meinen Bruder zu schicken", erinnert sich Töpperwien im WDR-Interview. "Eine Frau auf dem Heiligen Stuhl des Fußballreporters - das könne doch nicht sein", schreibt ihr ein Hörer.
Von solchen Kinkerlitzchen lässt sich Töpperwien jedoch nicht beirren. Sie geht ihren Weg weiter, ihre unvergleichliche Stimme ist bald allen Fußball- und Sportfans bekannt. Neben Fußball kommentiert sie auch Wettbewerbe bei zwölf Olympischen Spielen.
Ihre Radio-Reportagen sind auch geprägt von der Emotionalität im Wettbewerb, Töpperwien ist eine Meisterin darin die Menschen mitfühlen zu lassen, was da unten auf dem Rasen passiert. Und sie ist ein Vollprofi. Jemand, der vor allem den Fußball in- und auswendig kennt. Ein Schalke-05-Moment, wie ihn ihre Kollegin Carmen Thomas einst erlebte, bleibt Töpperwien erspart.
Chronische Schmerzen zwingen Töpperwien zum Aufhören
Nun, nach über 700 kommentierten Fußballpartien und vielen weiteren Sportveranstaltungen beendet sie ihre Laufbahn als Sport-Journalistin. Die langjährige Leiterin der Sportredaktion im WDR-Hörfunk nennt gesundheitliche Gründe für ihren Abschied: "Ich bin nun 60 und habe seit knapp einem Jahr chronische Schmerzen in den Nerven und Sehnen beider Arme". Mit halbem Dampf arbeiten, das wolle sie nicht.
Töpperwiens Ankündigung wird von zahlreichen Würdigungen begleitet. WDR-Intendant Tom Buhrow nennt sie "eine Pionierin und eine lebende Legende der deutschen Sportberichterstattung".
Besonders großes Lob erhält Töpperwien von den TV- und Radiokolleginnen, wie etwa Katrin Müller-Hohenstein: "Ich fand Sabine Töpperwien immer toll", schrieb die ZDF-Journalistin in der "Zeit". Sie sei "Pionierin, die vielen anderen Frauen nach ihr die Tür ein Stück aufgestoßen hat. Etwa mir."
Auch Stephanie Baczyk, die seit 2019 als erste Frau im Kommentatoren-Einsatz für die "Sportschau" in der ARD ist, geht es ähnlich: "Wie besonders ihre Rolle tatsächlich ist, realisiere ich erst Jahre später, als ich selbst Sportjournalistin werden will", schreibt sie im "Spiegel". "Dass Frauen im Fußball heute selbstverständlicher am Start sind, ist mit Sabines Verdienst."
Töpperwien von Würdigungen gerührt
Dass sich doch so viele Menschen zu ihrem Abschied noch zu Wort melden und ihre Arbeit würdigen, hat Töpperwien fast schon unerwartet getroffen: "Ich bin gerührt. Ich bin stolz. Ich bin überrascht, weil ich mit so einer riesigen und unglaublichen Resonanz nicht gerechnet habe", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe gedacht, "in Corona-Zeiten ist alles so runtergefahren. Und ich bin eine Radio-Frau und keine Fernseh-Frau. Das wird die Nation nicht so bewegen." Umso überwältigender sei sie über die Würdigungen von vielen Seiten aus ganz Deutschland. "Das ist ein fantastischer Schlusspunkt für meine Laufbahn", sagte Töpperwien, "weil ich sehr viele Steine in den Weg bekommen habe".
Quellen:
- dpa
- "Medium Magazin": Wie sehen Sie denn aus, Frau Töpperwien?
- "Tagesspiegel.de": "Es war ein steiniger Weg"
- "wdr.de": Nach 700 Fußballspielen: Sabine Töpperwien verabschiedet sich in den Ruhestand
- "Zeit.de": Sabine Töpperwien stieß anderen Frauen die Tür auf, auch mir
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