Deutschland einig Meckerland? Einige Kommentare rund um die WM in Katar deuten das gerade an. Dabei werden Themen vermischt, die nicht zusammengehören

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Plötzlich ist Deutschland bei der WM in Katar Weltmeister, obwohl gerade mal die Vorrunde läuft. Im Meckern nämlich. So zumindest das derzeitige Framing rund um die Mannschaft, den Verband und jene Fans, die nach wie vor erklären, dass und warum sie die Spiele nicht sehen wollen. Dabei werden sehr unterschiedliche Themen munter in einen Topf geworfen und zu einem ungenießbaren Matsch verrührt. Es lohnt sich, einen differenzierten Blick zu werfen.

Bitte kein Vermischen von Diskussionen

Groß war die Aufregung in den vergangenen Tagen darüber, dass der DFB zur Pressekonferenz nicht, wie von der Fifa vorgeschrieben, einen Spieler mitgebracht hat. Wie sehr oder auch wie lange es lohnt, sich über ein solches Thema zu echauffieren, muss jede*r für sich beantworten. Die Aktion selbst war definitiv unprofessionell. Außerdem ist es kein guter Ton, für sich selbst Privilegien zu beanspruchen, die kein anderes Team fordert. Sowas muss wirklich nicht sein.

Allerdings hat dieser Vorgang so gar nichts mit den Diskussionen um die "One Love“-Binde zu tun und es wäre deshalb wichtig, die Themen nicht zu vermischen. Während das Auftreten von Hansi Flick ohne Spieler bei der PK vorm Spiel der Deutschen gegen Spanien einen schon fast trotzigen Touch hatte, war das Vorhaben zum Tragen der "One Love“-Binde eine von zehn Verbänden im Vorfeld seriös abgestimmte und entsprechend kommunizierte Aktion.

Die Binde selbst war dabei in den Tagen vor dem Turnier übrigens zunächst kritisiert worden, weil es sich eben nicht um den symbolischen Regenbogen handelte, sondern ein Gewurschtel aus Farben, von dem ein "Wir sind für alles und gegen nichts“-Vibe ausging. Toleranz für alles und alle ist bei genauerem Hinsehen vielleicht auch nicht ganz die richtige Botschaft. Der Fifa aber war selbst diese harmloseste aller Aussagen zu politisch und so bekam die Binde plötzlich doch eine Bedeutung. Woraufhin sie brav eingemottet wurde.

Der Verstoß gegen Menschenrechte ist kein Kulturgut

Man muss die Lächerlichkeit dieses Vorgangs wirklich mal betonen. Ein Stück Stoff mit den Worten "One Love“ wird zum Politikum. Es ist keine Miesepetrigkeit vom DFB, gegen diesen Maulkorb der Fifa zu protestieren, sondern das absolute Minimum dessen, was zu erwarten war. Was soll denn als Nächstes kommen? Dass der Weltverband es Spieler*innen verbietet, mit den Händen ein Herz zu formen? Nach Toren Kusshände in die Kameras zu werfen? Sich im Jubel über einen Sieg gegenseitig in die Arme zu fallen? Die Skala scheint nach oben offen.

Gerne wird nun argumentiert, die Fifa schütze mit dem Vorgehen die Kultur im Gastgeberland Katar. Die Aussage wird mittlerweile an vielen Stellen einfach so hingenommen, frei nach dem Motto, deren Land, deren Regeln. Was soll das aber genau heißen? Wenn in Katar per Gesetz Homosexuelle für bis zu sieben Jahre ins Gefängnis müssen, werten wir diesen Verstoß gegen Menschenrechte plötzlich als Kulturgut auf, gegen den wir nicht protestieren? Entschuldigung, aber das ist einfach vollkommen absurd. Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

Es gibt kein Menschenrecht auf Bier

Natürlich ist es angebracht, die Sitten und Bräuche anderer Länder zu respektieren. Wenn eine WM in einem muslimischen Land stattfindet, gibt es eben keinen Alkohol im Stadion. Anders als einige argumentieren, ist Bier nun mal kein Menschenrecht. Wer den Besuch bei der WM verbinden will mit, sagen wir, der Besichtigung von Moscheen, muss sich dort an die geltenden Regeln halten. Solche Dinge sind gemeinhin mit "Kultur eines Landes“ gemeint und ja, einige hier müssen sich bei diesem Turnier deutlich hüten, da nicht eurozentristisch zu werden.

Menschen aber einzusperren, zu verfolgen und zu bedrohen, all das hat mit Kultur nichts zu tun. Es wäre falsch, die Kritik daran scheinheilig verstummen zu lassen, nur weil man jetzt in Ruhe die Weltmeisterschaft sehen und von den unhaltbaren Zuständen drumherum nichts mehr hören möchte. Das Vermischen von Themen wie Flicks Solo bei der PK und vermeintlich überzogenen Gesten für Menschenrechte deutet genau das an: Fußball ist auf dem Platz – und nur da. Hört auf, euch zu äußern, und lasst uns in Ruhe das Turnier genießen.

Fußball ist aber viel mehr als das. Diese WM zeigt es deutlich. Und das ist gut so.

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