Bei der WM ist nicht nur die Vorbereitung auf dem Platz wichtig, sondern auch daneben. Ernährung spielt eine immer wichtigere Rolle im Leistungssport. Ernährungsexperte und Ex-DFB-Koch Holger Stromberg erzählt im Interview, was er den Weltmeistern von 2014 zu Essen serviert hat - und welche Lebensmittel tabu sind für Spitzenfußballer.
Auch wenn die Deutsche Nationalmannschaft bei der bei der WM 2018 nicht um den Titel mitgespielt hat, der Triumph in Brasilien vor vier Jahren bleibt unvergessen. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt der Koch der Weltmeistermannschaft, Holger Stromberg, was er unseren Helden in Brasilien serviert hat und warum lecker nicht immer ungesund heißen muss.
Holger Stromberg, zehn Jahre lang waren Sie Koch der DFB-Elf. Was hat sich in dieser Zeit in der Ernährung der Fußballer verändert?
Holger Stromberg: Eine ganze Menge. Ich wollte von Anfang an nicht der Koch sein, der nur die Pasta warm macht. Es war mir wichtig, dass die Spieler verstehen: Jeder Mensch hat seinen ganz individuellen Ernährungs-Masterplan.
Jeder Einzelne sollte lernen, sich selbst zu spüren. Außerdem sollte jeder Spieler erkennen, was ihm gut tut und was nicht. Das gilt übrigens für uns alle.
Nur wer seinen Körper kennt, kann die Ernährung dementsprechend anpassen. Dabei entsprach der Ansatz, den ich bei der Nationalmannschaft von Anfang an verfolgt habe, meinem Credo für gesunde Ernährung, das ich schon immer bei sämtlichen meiner Unternehmenszweige und Engagements verfolge.
Und das wäre?
Ganz gleich, für wen ich koche - ob Nationalspieler oder Restaurant-Gast: Entscheidend ist immer die Qualität der Produkte und deren Weiterverarbeitung. Zudem sollten die Nahrungsmittel so natürlich wie möglich sein. Nur wo Gutes drin ist, kann auch Gutes dabei herauskommen.
Wie wichtig ist die Ernährung für einen Profifußballer?
Ernährung allein gewinnt kein Spiel, aber sie macht jeden Spieler leistungsfähiger. Leistung geht ganz klar auch durch den Magen.
Wenn ich für die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft gekocht habe, mussten die Gerichte auf die Bedürfnisse der Spieler abgestimmt sein.
Die Spieler waren sich bewusst, wie wichtig Ernährung für sie ist. Und natürlich muss es auch schmecken. Es war meine Aufgabe, Gesundes lecker zu machen. Und ich denke, das ist mir ganz gut gelungen.
Wie sieht die Ernährung eines deutschen Nationalspielers bei einer WM aus? Inwiefern unterscheidet sie sich in der Vorbereitung?
Essen ist im Spitzensport vor allem Energiequelle. Das gilt für Trainingswochen genauso wie für ein großes Turnier. Mein Ziel ist es immer gewesen, für jeden Spieler das Passende auf dem Mannschaftsbuffet zu haben.
Bei der Zusammenstellung der Speisen waren von Beginn an Vollkornprodukte immer ganz wichtig. Zudem achtete ich auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen komplexen Kohlenhydraten, Eiweiß und gesunden Fetten.
Welche Lebensmittel sind Pflicht?
Pflicht-Lebensmittel gibt es weniger. Auf dem Buffet gab es alles, was meinen Leitlinien "truly energetic" entspricht: von A wie Avocado bis Z wie Ziegenkäse.
Das Team hat zum Beispiel gerne Pasta und Sushi gegessen oder auch Kartoffelpüree. Ein Klassiker war die Tomatensuppe "Spezial", aber auch Gemüse stand immer mehr im Vordergrund. Und die meisten Spieler haben mittags sehr gerne abwechslungsreiche Salate und zum Nachtisch Milchreis oder Grießbrei gegessen.
Und welche Lebensmittel sind tabu?
Nicht aufs Buffet kamen Zutaten wie Zwiebeln, Paprika oder roher Knoblauch. Gurke und Melone können auch schwer im Bauch liegen.
Es gab auch keinen Kamillentee. Ich habe eher mit Lebensmitteln gekocht, die wach machen und den Stoffwechsel anregen. Gewürze wie Chili oder Peperoni.
Wie sieht die Ernährung an einem Spieltag aus?
Morgens gab es ein kohlenhydratreiches Frühstück, dann Mittagessen und rund dreieinhalb Stunden vor dem Spiel (Anm d. Red.: Anstoß beim WM-Finale 2014 in Brasilien war um 16:00 Uhr Ortszeit) kommt dem sogenannten Pre-Match-Snack eine wichtige Bedeutung zu: Dann gab es eine leichte kohlenhydratbasierte Kost, damit zum anstrengenden Spiel die Energiereserven aufgetankt sind.
Auf dem Speiseplan standen Vollkornpasta und Bolognese oder Kartoffelpüree mit geschwenktem Gemüse, zusammen mit Milchreis und Grießbrei.
Getrunken wurden über den Tag verteilt zwei bis drei Liter stilles Wasser. Außerdem habe ich immer stoffwechselfördernde Tees mit Ginkgo und Ingwer serviert, um den Blutfluss im Gehirn anzuregen.
Und die Ernährung an spielfreien Tagen?
An Trainingstagen mit zwei Einheiten wurde mittags immer leicht und vergleichsweise wenig gegessen. Es gab hauptsächlich Salat, kombiniert mit Geflügel oder Fisch, nur wenig Pasta.
Dürfen sich die Spieler während eines solchen Turniers auch einmal mit etwas Süßem oder Fettigem "belohnen"? Oder sind Burger und Schokolade komplett tabu?
Ich habe ja immer für rund 65 Menschen gekocht: 23 Spieler, um die 40 Betreuer. Da konnte ich natürlich nicht für jeden individuell kochen.
Darum gab es immer ein Buffet, das möglichst vielseitig war und sowohl die unterschiedlichen ernährungsphysiologischen Optionen berücksichtigt wie auch die kulinarischen Vorlieben.
Denn für alle gilt: Leben soll nicht Verzicht bedeuten. Gutes und Gesundes schließen sich ja nicht aus. Sie bedingen sich.
Das heißt, ein Burger könnte es auf die Speisekarte schaffen?
Dazu muss man erstmal verstehen, dass es keine ungesunden Speisen, sondern nur ungesunde Zutaten gibt. Vor allem die Dosis macht das Gift. Ein Hamburger oder eine Currywurst sind nicht also zwangsläufig schlecht. Es kommt immer darauf an, was darin ist.
Und so haben wir auch bei der Nationalmannschaft nach Absprache mit dem Trainer und immer mit Blick auf ein passendes Zeitfenster im Spielplan dann und wann auch einmal einen Hamburger serviert - natürlich mit besten Zutaten und frisch zubereitet.
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