Am Sonntag steht das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland an. Bei einem Gewinn des WM-Pokals erwarten die Spieler Ruhm und wohl auch saftige Prämien. Dass auch das Land des Sieger-Teams von dem Titel wirtschaftlich profitiert, ist eine oft gehörte These. Ein Experte erklärt, was dran ist.

Alles rund um die WM 2018 in Russland

Frankreich gegen Kroatien lautet die Finalpaarung der Fußball-WM 2018. Der Mannschaft, die am Sonntagabend den Pokal in die Luft recken wird, ist der Jubel einer ganzen Nation gewiss, ebenso satte Prämien.

Doch wie sieht es mit dem Gewinnerland insgesamt aus? Hat es auch etwas von einem WM-Triumph?

Immer wieder hört man die These, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach dem Gewinn einer Fußball-Weltmeisterschaft steigt. Sieht man sich aber die Zahlen der letzten Weltmeisterländer an, kann man einen solchen Automatismus nicht erkennen.

Beispiel: Brasilien 1994. Dort lag das BIP nach dem Ende der WM um rund 1,3 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahresquartal. Gegen Ende des Jahres wuchs es zwar wieder, um 1995 aber wieder zu fallen. Zweites Beispiel: Deutschland 2014. Ende Juni lag das BIP hierzulande fast um einen Prozentpunkt niedriger als im Vorjahresquartal - und blieb im gesamten nächsten Jahr auf diesem Niveau.

"Makroökonomisch bringt ein WM-Gewinn nichts"

Ähnliches gilt für Italien 2006 und Frankreich 1998. Lediglich in Spanien wurde 2010 ein nennenswerter Anstieg verzeichnet, der sich aber nicht nachweislich mit dem Titelgewinn erklären lässt.

Gesammelt hat diese Zahlen der Sportökonom und Bankvolkswirt Jörn Quitzau, der sich in Büchern, Artikeln und in seinem Blog intensiv mit den Zusammenhängen von Fußball und Wirtschaft auseinandersetzt.

Er sagt, die These vom größeren BIP durch WM-Titel, sei eine Theorie, die sich verselbständigt habe. "Außer etwas guter Laune, die hier und da mal etwas mehr Kaufbereitschaft bringt, führt ein WM-Gewinn auf makroökonomischer Ebene zu nichts", erklärte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Gesamtkonsum steigt nicht, er wird nur umgelenkt

Etwas anders verhält es sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen auf ein Land, das Gastgeber einer WM ist. So ein Land investiert, in den Bau von Stadien, Flughäfen, Straßen. Außerdem zieht ein Großereignis Touristen an, die dann jede Menge konsumieren.

Ja, sagt Quitzau. Allerdings gebe es auch gegenläufige Effekte, die einen Anstieg des BIP abbremsen. "Fußball-Touristen halten zum Beispiel andere Touristen aus dem WM-Land fern, und sie verdrängen mit ihrer eigenen Nachfrage und ihrem eigenen Konsum den von Einheimischen."

Außerdem gebe es Umlenkungs- und Vorzieheffekte. Umlenkung heißt zum Beispiel, dass Menschen, während sie auf der Fanmeile oder in der Kneipe Bier trinken und Fußball gucken, nicht ins Theater oder Kino gehen.

Vorziehen heißt, dass manche Produkte, die man ohnehin gekauft hätte, einfach etwas früher kauft. Klassisches Beispiel: der neue Fernseher. Wenn es überhaupt einen Konjunkturschub gebe, sei der so klein, dass er sich kaum nachweisen lasse, so der Sportökonom.

Einzelne Branchen profitieren

Ausnahmen bestätigen die Regel. Nach der WM 2006 in Deutschland wuchs die Wirtschaft tatsächlich spürbar. Allerdings habe das andere Gründe gehabt, erklärt Quitzau. Denn Anfang 2007 wurde der Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 Prozent erhöht, deswegen kauften viele Menschen noch vor Inkrafttreten dieser Änderung kräftig ein.

Von der Ausrichtung einer Fußball-WM oder eines anderen sportlichen Großereignisses sollte sich also niemand große wirtschaftliche Zuwächse versprechen.

Natürlich profitieren einzelne Branchen kurzfristig, etwa das Hotel- und Gaststättengewerbe, Bierbrauer, Sportartikelhersteller und Sicherheitsunternehmen.

Insgesamt seien die Effekte aber viel zu gering und zudem von viel zu kurzer Dauer, um in den gesamtvolkswirtschaftlichen Daten irgendwelche nennenswerten Spuren zu hinterlassen, schrieb Quitzau in einem Artikel für das Wirtschaftsmagazin "Capital".

Sollte Frankreich am Sonntag gegen Kroatien gewinnen und das BIP des Landes in den folgenden Monaten steigen, wird die These vom Wohlstand bringenden WM-Titel sicher wieder auftauchen.

Jörn Quitzau hat aber schon eine Erwiderung parat: "Die Ökonomen erwarten, dass Frankreich in den nächsten Jahren wegen der Macron-Reformen einen Wachstumsschub bekommen wird."

Mit einem etwaigen WM-Titel werde das nichts zu tun haben.

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