Die deutschen Handballer haben zum Auftakt der WM-Hauptrunde gegen Gastgeber Dänemark eine herbe Pleite kassiert. Das Viertelfinale ist aber weiterhin machbar. Dafür sind jetzt allerdings Siege Pflicht.

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Wenn Alfred Gislason die Aufmerksamkeit seiner Mannschaft will, knallt er ein simples "Hey Jungs" raus. Das macht der Bundestrainer nicht nur in den Auszeiten während der Spiele bei dieser WM, sondern auch im sonstigen Umgang. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich diese Ansprache bei der Aufarbeitung des 30:40 gegen Dänemark im ersten Hauptrundenspiel noch etwas schärfer anhört.

Denn Gislason saß nach der deutlichen Klatsche am Dienstagabend nachdenklich auf der Bank, schaute ins Leere, wirkte abwesend, während der Gegner sich und seinen dominanten Auftritt feierte. Keine Frage: Die deftige Pleite hat Gislason getroffen. Denn das Ergebnis war dem Isländer zurecht "zu hoch", wie er in der ARD erklärte. Weshalb er sich dann rund um das DHB-Team doch ein bisschen breit machte, der Frust.

"Das Ergebnis spricht Bände, wir haben es nicht geschafft, reinzukommen ins Spiel", sagte Timo Kastening, gemeinsam mit Julian Köster mit sechs Toren der beste Werfer, der Presse. "Das macht die Stärke der Dänen aus, alles sofort zu bestrafen." Man habe "mit zehn auf den Hintern bekommen", stellte Kastening klar. Und das tat unmittelbar nach dem Spiel weh.

Eine wahrscheinliche Niederlage

Doch eine Niederlage gegen die derzeit beste Handball-Mannschaft der Welt war im Vorfeld wahrscheinlich, dazu vor dem eigenen, frenetischen Publikum. Wichtig wäre es für das deutsche Team gewesen, mit einem guten Gefühl in die beiden entscheidenden Hauptrundenspiele gegen Italien am Donnerstag und Tunesien am Samstag zu gehen.

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Etwas Selbstvertrauen mitzunehmen, indem man Akzente setzt, den großen Favoriten vielleicht etwas ärgert. Und zeigt, dass man aus der nicht minder bitteren Klatsche im Olympia-Finale vor fünf Monaten (26:39) gelernt hat. Doch das ist nur ansatzweise gelungen, das erneut ernüchternde Resultat war eine dänische Machtdemonstration, die den aktuellen Unterschied der beiden Nationen widerspiegelt.

Dänemark noch nicht der Maßstab

Denn der Olympiasieger und Weltmeister, der sein 32. WM-Spiel in Folge gewann, ist (noch) nicht der Maßstab. Es ist das Niveau, das die junge deutsche Mannschaft in naher Zukunft gerne einmal erreichen möchte. Am liebsten pünktlich zur Heim-WM 2027, und die Entwicklung der letzten beiden Jahre macht Mut. Mit dem beeindruckenden Tempo-Handball Dänemarks, der technisch versiert und ausgereift, dabei dominant und konsequent ist, kann man aber jetzt noch nicht dauerhaft mitgehen.

Doch es war trotz des deutlichen Ergebnisses nicht alles schlecht. Gislason konnte "mit den ersten 45 Minuten einigermaßen leben". Die Abwehr war beweglich, auch wenn sie zu viele Tore zuließ und Welthandballer Mathias Gidsel nie in den Griff bekam. Der Angriff um Shootingstar Renars Uscins konnte streckenweise überzeugen, auch wenn es zu viele Fehlwürfe gab. "Uns fehlt es ein bisschen vorne, da machen wir zu viele Fehler."

Unter dem Strich fehlt die Konstanz, was sich auch dadurch bemerkbar macht, dass Gislason immer wieder personell umbaut, seine perfekte Formation aber weiterhin nicht gefunden hat. Sorgen bereitet zudem erneut Spielmacher Juri Knorr, der gesundheitlich angeschlagen ist. "Wir brauchen, um Dänemark richtig in Probleme zu bringen, eine sehr gute Abwehr, eine sehr gute Torhüterleistung und weniger Fehlwürfe vorne", sagte der Bundestrainer.

Minus zehn "fühlt sich nicht schön an"

Diesen dringend benötigten perfekten Abend erwischte das DHB-Team nicht. "Es fühlt sich zumindest ein bisschen besser an als das verlorene Finale, weil wir noch nicht aus dem Turnier raus sind", sagte Kapitän Johannes Golla. "Dass es am Ende minus zehn werden, das darf nicht passieren. Das fühlt sich nicht schön an, aber Ziel ist es jetzt, das relativ schnell abzuhaken und uns auf die Aufgaben zu konzentrieren, die jetzt auf uns warten."

Doch klar ist auch: Für die deutsche Mannschaft ist nichts verloren, im Grunde fängt das Turnier jetzt so richtig an. Das Team ist aber in der Pflicht. "Wir können diese Niederlage verschmerzen, solange wir die anderen Mannschaften schlagen", sagte auch der Bundestrainer. Jedes Spiel sei wie ein Endspiel, betonte Köster: "Wenn man hier verliert, steht man mit dem Rücken an der Wand. Jetzt haben wir verloren, jetzt müssen wir gegen Italien gewinnen."

Italiener emotional voll da

Das Gute: Bei der WM kann es schnell gehen. Dänemark liegt in der Hauptrundengruppe 1 mit 6:0 Punkten vorne, Deutschland und Italien (beide 4:2) folgen. Die Schweiz ist Vierter (3:3), während Tschechien (1:5) und Tunesien (0:6) keine Chance mehr auf das Viertelfinale haben, da sich nur die ersten beiden Teams qualifizieren. Bedeutet: Ein Sieg gegen Italien am Donnerstag würde dem DHB-Team schon genügen, wenn die Schweiz nicht gegen Dänemark gewinnt. Zwei Erfolge gegen Italien und Tunesien reichen in jedem Fall. Das Schlechte: Es kann schnell gehen – bei einer Niederlage gegen Italien droht Deutschland das Aus.

"Dass es unangenehm wird gegen die Italiener, ist klar. Die sind natürlich jetzt emotional voll da. Wir haben aber den Anspruch bei unserer Qualität, dass wir da zwei Punkte holen", sagte Golla: "Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, können wir unsere Ziele, das Viertelfinale, erreichen." Dass die Mannschaft nach dem Frusterlebnis fokussiert bleibt, dafür muss Gislason sorgen. Ein simples "Hey Jungs" wird diesmal nicht reichen.

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