- Jonas Deichmann hat nach 429 Tagen sein Ziel erreicht.
- Er hatte etwas machen wollen, "was noch nie zuvor gemacht wurde."
- Der Extremsportler umrundete als Triathlet die Welt.
- Im Gespräch mit unserer Redaktion lässt er die aufregendsten und gefährlichsten Etappen seiner Tour Revue passieren.
- Es geht um Forrest Gump, eine treue Begleiterin und mulmige Momente im Meer.
Herr Deichmann, kurz nach Ihrer Ankunft in München haben Sie gesagt, dass Sie sich auf Käsespätzle freuen. Hat das bereits geklappt?
Jonas Deichmann: Das war so ziemlich das Erste. Ich kam an in München, dann ging es zum Friseur, wo der Bart abkam und dann zum Abendessen Käsespätzle. Die waren ausgezeichnet.
Sie waren 429 Tage rund um die Welt per Triathlon unterwegs. Wie kommt man auf diese Idee?
Ich habe in den vergangenen vier Jahren zahlreiche Fahrrad-Weltrekorde aufgestellt, wie zum Beispiel vom Nordkap nach Kapstadt in 72 Tagen. Dann kam mir der Gedanke, dass ich eine neue Herausforderung brauche, etwas, das nicht nur mit Fahrrad fahren zu tun hat. Und als selbstständiger Abenteurer habe ich schon lange den Traum gehabt, einmal um die Welt zu kommen. Liegt auch irgendwie nahe. Ich habe mir dann überlegt, was ich machen kann, was noch nie zuvor gemacht wurde, und so kam dann der Gedanke an den ersten Triathlon um die Welt.
Das Fahrradfahren dürfte also kein Problem gewesen sein, aber wie haben Sie sich dann auf Laufen und Schwimmen vorbereitet?
Ich habe früher viel Trailrunning betrieben, kann also durchaus auch gut laufen. Aber ich bin noch nie wirklich dauerhaft geschwommen. Laufen und Schwimmen waren aber meine Hauptaugenmerke bei der Vorbereitung. Beim Triathlon war ich komplett auf mich gestellt, hatte zum Beispiel beim Schwimmen auch kein Begleitboot oder ähnliches. Ich habe mein Gepäck immer hinter mir hergezogen, per Anhänger und per Floss. In der Schweiz trainierte ich das, indem ich zwei Autoreifen um meine Hüfte band und dann die Berge hochgelaufen bin. Auf das Schwimmen habe ich mich mit dem Triathlon um Deutschland vorbereitet. Dort bin ich der Länge nach durch den Bodensee geschwommen.
Neben der sportlichen Herausforderung spielt auch Geld eine Rolle. Wie haben Sie das ganze Abenteuer finanziert?
Ich habe mich vor vier Jahren als Abenteurer selbstständig gemacht. Ich halte Vorträge und habe auch Sponsoren. Zudem ist jetzt mein Buch "Das Limit bin nur ich" erschienen. Im Frühjahr erscheint noch ein Dokumentarfilm über mich. Von all diesen Dingen lebe ich.
Deichmann: "Das Schwierigste war das Schwimmen"
Was war dann die größte Herausforderung für Sie bei Ihrem Triathlon rund um die Welt?
Das ist schwierig zu sagen. Die drei Disziplinen waren komplett unterschiedlich. Das Schwierigste war auf jeden Fall das Schwimmen, weil ich einfach kein Schwimmer bin und keine Erfahrung hatte. Als ich in die Adria gesprungen bin, habe ich gemerkt, welche Herausforderung das ist. Strömungen, Wellen, Wind, Salzwasser, Entzündungen und Quallen haben mir das Leben im Wasser schwer gemacht. Außerdem ist die Logistik die Hölle, denn wenn sich die Strömung auf einmal ändert, ist man viel langsamer und endet abends dann auf einem Felsen als Übernachtungsplatz. Auf dem Rad hat mir vor allem die Kälte in Sibirien zu schaffen gemacht, da ich dort im Winter und im Frühjahr unterwegs war. Die Laufstrecke war körperlich am herausforderndsten, da es dort keine Möglichkeit zur Erholung gibt.
Welche Situationen haben Sie rückblickend als gefährlich in Erinnerung?
Grundsätzlich immer der Verkehr, insbesondere in Russland, wo die Fahrzeuge nur knapp an mir vorbeigefahren sind. An eine Situation erinnere ich mich noch ganz besonders, das war beim Schwimmen. Dort hatte ich eine Strecke raus auf eine Insel. Dafür musste ich etwa sieben Kilometer im offenen Meer schwimmen. Dabei kam ich in die Dunkelheit. Das ist ein unglaublich unangenehmes Gefühl, da um einen herum alles schwarz ist. Hinzu kamen die Boote und Fähren, die dort unterwegs waren und deutlich schneller waren als ich. Da konnte es auch knapp werden.
Welchen verrückten Moment haben Sie auf Ihrer Reise um die Welt erlebt?
In Mexiko habe ich Besuch von den Kartellen bekommen. Ich war gerade in der Wüste unterwegs, als mich zwei Mitglieder eines Kartells aufhielten und meinten, dass Sie auf mich gewartet hatten. Sie folgten mir auf Instagram und wollten ein Selfie haben. Gleichzeitig haben Sie mir versichert, dass Sie auf mich aufpassen.
Deichmann: "Spitzname in Mexiko war 'El Forrest Gump Aleman'"
In Mexiko erlebten Sie auch die schönsten Momente ihrer Reise, oder?
Absolut, Mexiko war mein Highlight. Ich bin dort alleine gestartet, niemand hat mich gekannt. Innerhalb von zwei Monaten bin ich dann zu einer nationalen Berühmtheit in Mexiko geworden. Mein Spitzname war "El Forrest Gump Aleman". Es wurden täglich mehr Menschen, die hinter mir hergelaufen sind. Ich bekam eine Polizeieskorte, und in jeder kleineren Ortschaft gab es einen Empfang vom Bürgermeister. Teilweise sind ganze Polizeiabteilungen mit Maschinengewehr neben mir hergelaufen. Das Schönste war aber die Hündin "La Coqueta", eine Straßenhündin, die mir für 130 Kilometer gefolgt ist.
Wie das?
Sie hat vor meinem Zelt übernachtet und ist mir überallhin gefolgt. Im mexikanischen Fernsehen habe ich dann einen Adoptionsaufruf gestartet, der erfolgreich war. In ihrer neuen Heimat hat sie dann einen Empfang vom Bürgermeister und eine Medaille erhalten. Sie ist jetzt Mexikos berühmteste Hündin und hat ein gutes Leben. Für mich ist das ein absolutes Highlight.
Wie haben Sie auf Ihrer Reise die Auswirkungen der Corona-Pandemie gespürt?
Ich bin im Sommer 2020 gestartet, da war rund um Deutschland alles offen. Aber mir war damals schon klar, dass es immer passieren kann, dass ich irgendwo festsitze. Die größte Herausforderung mit Corona waren für mich Grenzschließungen. In der Türkei habe ich über einige Wochen festgesessen und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe dann aber eine Sondereinreisegenehmigung für Russland bekommen - allerdings erst nach vielen Versuchen und einigen Kontakten. Meine ursprünglich geplante Route hat sich komplett geändert. Eigentlich wollte ich eine Südroute durch Asien nehmen, bin dann aber durch Russland geradelt. Außerdem wollte ich durch die USA rennen, bin dann aber durch Mexiko gerannt. Corona hat also mein Projekt komplett verändert.
Deichmann über Herausforderung: "Meine Einstellung ist das Limit"
Planung war unter diesen Bedingungen auch schwierig, oder?
Das ist richtig. Gerade in Europa, mit vielen kleinen Ländern. Da bestand immer die Möglichkeit, dass es eine Grenzschließung geben hätte können. Es waren Flexibilität und eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit nötig, weil die Regeln sich oft geändert haben.
Wie sehr hat Sie der Triathlon um die Welt körperlich und mental herausgefordert?
Für mich ist es zu 95 Prozent eine mentale Frage. Meine Einstellung ist das Limit, der Körper passt sich den Umständen an. Insbesondere Schwimmen und Laufen waren körperlich sehr hart. Aber wenn man über 14 Monate unterwegs ist, geht es vor allem darum, jeden Morgen aufzuwachen und Lust auf das Abenteuer zu haben. Es ist also vor allem eine Frage der Motivation und der Einstellung. Es war teilweise auch schwierig, weil man nicht so richtig ein Ziel vor Augen haben konnte, beziehungsweise das Ende sehr, sehr weit entfernt war.
War die Einsamkeit auf Ihrer Reise ein Thema?
Es ist viel Gewöhnungseffekt dabei. Draußen in der Natur bin ich ohnehin gerne alleine. Ich habe beispielsweise eine Nacht alleine am Baikalsee in Russland gezeltet, das war ein wunderschönes Erlebnis. In diesen Momenten fehlt mir niemand. Russland war auch das einzige Land, wo ich fast niemanden hatte, um mich zu unterhalten. Dort war auch das einzige Mal, wo ich fast zwei Wochen mit niemandem gesprochen habe. Natürlich ist es jetzt wieder schön, Menschen um sich zu haben. Aber ich hatte nie das Gefühl, einsam und traurig zu sein.
Mit dem Triathlon um die Welt haben Sie etwas geschafft, dass wohl nicht mehr wirklich zu übertreffen ist. Wie geht es nun weiter bei Ihnen, wovon träumen Sie noch?
Ich bin jetzt 34 Jahre alt, meine Abenteurer-Karriere kann also noch ein paar Jahre gehen. Die nächsten Monate bin ich mit der Aufarbeitung des Triathlons gut beschäftigt. Anschließend werde ich noch ein paar kleinere Abenteuer machen, bevor ich 2023 mein nächstes großes Projekt starte. Das wird dem Triathlon um die Welt in nichts nachstehen und wurde noch nie gemacht. Allerdings ist das genaue Projekt noch streng geheim.
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