Plötzlich Mitfavorit! Außenseiter Deutschland spielt bei der Handball-Weltmeisterschaft in Katar sensationell auf - hatte am Dienstag sogar den amtierenden Vizeweltmeister Dänemark am Rande einer Niederlage. Ganz zart träumen einige Fans des DHB-Teams sogar vom WM-Titel. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

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Es ist ein Traumstart in diese WM: Angstgegner Polen zum Auftakt geschlagen, beim Sieg gegen Russland Comeback-Qualitäten gezeigt und beinahe Vizeweltmeister Dänemark in die Schranken gewiesen. Die deutsche Nationalmannschaft verzückt ihre Fans bei der Handball-Weltmeisterschaft in Katar mit fantastischen Leistungen. Doch reicht das auch, um am Ende den ganz großen Wurf zu landen? Diese vier Faktoren sind für den weiteren Turnierverlauf des DHB-Teams entscheidend.

1. Deutschland muss die Gruppe D gewinnen

"Es war eigentlich ein gefühlter Sieg", sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson nach dem 30:30 gegen Dänemark beim Pay-TV-Sender "Sky". Und damit hatte der Isländer Recht. Durch das Remis gegen die Dänen bleibt Deutschland an der Tabellenspitze der Gruppe D. Gewinnt die Mannschaft um Kapitän Uwe Gensheimer gegen die Außenseiter Argentinien (Donnerstag, 17:00 Uhr) und Saudi-Arabien (Samstag, 17:00 Uhr), ist ihr der Gruppensieg nicht zu nehmen.

Im Achtelfinale würde dann der Tabellenvierte der Gruppe C warten - voraussichtlich Island oder Ägypten. Das wäre keine leichte, aber dennoch lösbare Aufgabe. Noch wichtiger: Auch im Viertelfinale gäbe es kein Duell mit einem Gruppensieger. Das DHB-Team träfe auf den Gewinner der Achtelfinalpaarung des Dritten der Gruppe B gegen den Zweiten der Gruppe A - nach jetzigem Stand wären das Österreich und Gastgeber Katar: Zwei Teams, die definitiv schlagbar wären. Dann stünde das DHB-Team im Halbfinale. Und wer es unter die besten Vier schafft, hat auch das Zeug zum Weltmeister ...

2. Die Offensivspieler dürfen nicht nachlassen

Seitdem Steffen Weinhold 2014 von der SG Flensburg-Handewitt zum THW Kiel gewechselt ist, hat er eine enorme Entwicklung genommen. Beim Auftaktsieg gegen Polen erzielte der Rückraumspieler neun Tore und wurde zu Recht zum "Man of the Match" gewählt. Auch gegen Dänemark zeigte sich Weinhold mit acht Toren treffsicher. Trainer Sigurdsson beschrieb die Vorstellung des 28-Jährigen gegen Dänemark kurz und knapp als "stark". Auch die beiden Außen Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki überzeugten in der Offensive, erzielten jeweils sechs Treffer. Kapitän Gensheimer ist mit 22 Toren zweiterfolgreichster Werfer des Turniers. Weinhold teilt sich mit 19 Treffern den siebten Rang - ist aber zusammen mit Frankreichs Superstar Nikola Karabatic der beste Schütze, der keines seiner Tore vom Siebenmeterpunkt erzielte.

In der Offensive läuft es also, das haben die vergangenen drei Spiele gezeigt. Das muss aber unbedingt so bleiben. Ein Durchhänger Weinholds und/oder Gensheimers wäre in den wichtigen K.o.-Duellen mit den Top-Nationen der Handball-Welt schlicht nicht zu verkraften.

3. Die Torhüter müssen ein noch höheres Niveau erreichen

Deutschland hat seit jeher sehr gute Torhüter - dieser Satz gilt nicht nur für den Fußball, sondern auch für den Handball. 2007 waren es der ehemalige Welthandballer Henning Fritz und Johannes "Jogi" Bitter, die mit ihren Paraden maßgeblichen Anteil am WM-Gewinn im eigenen Land hatten. Acht Jahre später stehen Silvio Heinevetter und Carsten Lichtlein zwischen den Stangen. Und auch diese beiden machen bislang einen ordentlichen Job - allerdings nicht mehr.

Lichtlein wehrte bislang 32 Prozent der Würfe auf sein Tor ab - und liegt damit noch vor Heinevetter. Weltklasse ist allerdings erst eine Quote ab 40 Prozent. Und nur wenn auch die Torhüter Weltklasseleistungen abliefern, hätte das DHB-Team gegen die Top-Favoriten Frankreich oder Spanien eine legitime Chance. Denn in kaum einer anderen Sportart ist die Torwartposition so wichtig wie im Handball.

4. Die Verteidigung muss wieder besser stehen

Bei aller Freude über das wichtige Remis gegen Dänemark: Das DHB-Team offenbarte in der Defensive einige Schwächen. "In der Abwehr war der Zugriff nicht ganz so gut", räumte auch Spielmacher Michael "Mimi" Kraus nach der Partie ein. Der Däne Hans Lindberg formulierte es so: "30 Tore zu erzielen ist gut, 30 zu kassieren ist schlecht". Das dürfte auch die deutsche Mannschaft so sehen, die anfangs mit einer überraschenden 4-2-Abwehr Dänemark vor Probleme stellte. Doch die individuell hervorragend besetzten Dänen stellten sich schnell darauf ein - vor allem der ehemalige Welthandballer Mikkel Hansen war in der Folge kaum in den Griff zu bekommen. Über einen zu langen Zeitraum machte es die deutsche der dänischen Mannschaft zu einfach, Lichtlein oder Heinevetter zu überwinden.

Dass sie es besser kann, hat die Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson bei den Siegen gegen Polen und Russland gezeigt. Vor allem in der Schlussphase ermöglichten sie dem Gegner kaum freie Würfe.

Deutschland muss auch in den kommenden Partien gemeinsam stark verteidigen, die Passwege mit schnellen Beinen zumachen. Absolute Weltklasse-Verteidiger hat Sigurdsson nicht in seinen Reihen - es geht nur im Kollektiv mit viel Einsatz und Wille. Dann ist bei dieser WM alles möglich.

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