Der Donnerstagabend bot bei Olympia aus deutscher Sicht jede Menge Highlights. Diese wurden in der ARD durch die Konferenz gut aufbereitet. Doch das Format zeigte auch eine Schwäche.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Andreas Reiners dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dass Malaika Mihambo bei ihrem letzten Versuch um Gold durchlief und nicht mehr sprang, passte irgendwie zu diesem Abend. Hat die Weitspringerin nun Silber gewonnen? Oder doch Gold verloren? Für die deutschen Sportler war es unter dem Strich angesichts der großen Hoffnungen ein vergleichsweise ernüchternder Donnerstagabend bei den Olympischen Spielen, für die Zuschauer hingegen beste Unterhaltung. Denn das eng getaktete Programm ließ lange kaum Luft zum Atmen. Es unterstrich, was die Spiele ausmachen, welche Wucht sie bei der Übertragung entfalten können.

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Alleine durch die schier unglaubliche Zahl an Bildern, Ergebnissen, Siegen und Medaillen, aber auch durch Tränen und Dramen. Allerdings auch durch die Aufbereitung dieser emotionalen Achterbahnfahrt an Eindrücken. Mit den deutschen Basketballern, dem Beachvolleyball-Duo Nils Ehlers und Clemens Wickler, Ringerin Annika Wendle und Bahnrad-Sprinterin Emma Hinze, dazu den deutschen Hockey-Herren, Mihambo, Speerwerfer Julian Weber und dem Frauenteam im Tischtennis. Und das war es nur aus deutscher Sicht. Olympia weist eine Sportdichte auf, die einen förmlich erschlägt, dabei aber auch in den Bann zieht. Wenn es denn gut aufbereitet wird.

Es geht von Sportart zu Sportart

Die ARD konnte die zahlreichen Vorteile der Konferenz ausspielen, auf die sie im Wechsel mit dem ZDF im linearen TV seit dem Start der Spiele setzt. Man feuerte hin und her, switchte wie gewohnt von Sportart zu Sportart, von Entscheidung zu Entscheidung. Die Spiele ziehen mit den zahlreichen Medaillen auf der Zielgeraden noch einmal das Tempo an, was für die Zuschauer noch mehr Highlights im Kurzformat bedeutet.

Dass die Kommentatoren beim Basketball (Holger Sauer) und Beachvolleyball (Claus Lufen) fast schon aufdringlich betonten, wie spannend es doch sei, wäre an diesem Abend tatsächlich gar nicht nötig gewesen. Von 17:30 Uhr an bis kurz nach 22 Uhr, also gut viereinhalb Stunden lang, ging es aus deutscher Sicht rund im Ersten. Eigentlich ist das gut konsumierbar; da die meisten Sportarten aber nicht zum Alltag vieler Zuschauer gehören, kann das aber auch anstrengend werden.

Sehr gut: Die Kommentatoren erklären viel

Gut war: Es wird weiterhin viel erklärt, es wird nicht automatisch vorausgesetzt, dass sich Gelegenheitszuschauer, von denen es bei Olympia einige gibt, bei den diversen Sportarten nach einer Woche Dauerbeschallung bereits zu Experten gemausert haben. Sauer zum Beispiel verstand es gut, den Zuschauern beim Halbfinal-Krimi der DBB-Auswahl gegen Frankreich die taktischen Spielchen in der Schlussphase zu erklären und diese auch zu antizipieren.

Ralf Scholt und Wilfried Hark führten den Zuschauer bei der Leichtathletik mit einem wohltuenden Mix aus professioneller Übersicht und angemessener Begeisterung durch Finals.

Natürlich braucht man bei der Zusammenstellung der Konferenz, bei den Momenten für den Wechsel ein gutes Händchen. Und ja, dann braucht man auch ein wenig Glück, damit sich nichts böse überschneidet: Dass die Beachvolleyballer zum Beispiel rechtzeitig für Bahnrad fertig wurden. Oder dass im Hockey-Finale bis zum ersten ernsthaften Halt im dritten Viertel noch kein Tor fiel. Dass die Niederländer in der letzten Minute eine Strafecke nicht nutzten, als die ARD Mihambos zweiten Versuch zeigte. Dass das Erste beim packenden Penalty-Shootout der Hockey-Herren gegen die Niederlande dann auf Sendung blieb, war eine gute Entscheidung.

Die große Schwäche der ARD-Übertragung

"Ich muss leider rübergeben zur Leichtathletik", sagte dann aber Kommentator Christan Blunck, als Deutschland verloren hatte und sich die Emotionen auf dem Platz entluden, mit Tränen und Handgreiflichkeiten. Womit Blunck im Grunde die Schwäche dieses Abends aussprach: Denn die ARD verpasste es, Reaktionen zu zeigen, Stimmen und Einordnungen zu liefern.

Dass deutsche Hockeystars auf die Niederländer losgingen, weil Duco Telgenkamp den deutschen Keeper Jean-Paul Danneberg provozierte, blieb lange unklar. Was die Beachvolleyballer zum Finaleinzug sagen? Die Basketballer zur Pleite gegen Frankreich? Die Hockeystars? Das vollgepackte Programm sorgte dafür, dass die Athleten bis tief in den Abend hinein "schwiegen", Interviews nur nachgeliefert wurden. Ein paar aktuelle Worte hätten der Übertragung eine Schwäche genommen, die zumindest in den Stunden der vielen Entscheidungen ins Auge fiel. Kurze Möglichkeiten hätte es dafür durchaus gegeben.

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Neuigkeiten aus dem Stade de France

Teilweise wurden sie dann aber genutzt, als Lufen und Experte Frank Busemann aus dem Stade de France wichtige Gesundheitsupdates lieferten. Mihambo wurde unter Tränen in einem Rollstuhl aus dem Stadion gebracht, ähnlich wie zuvor Sprinter Noah Lyles. Mihambo litt vor Olympia unter Covid, Lyles erkrankte in Paris. Mihambo erklärte sich später auf der Pressekonferenz.

"Das wird wohl noch mit der Covid-Erkrankung zusammenhängen, wo der Körper ans absolute Maximum gebracht wurde und das einfach noch nicht vertragen kann", sagte Busemann. "Und wenn man sich dann vorstellt, dass sie die Zweite auf der Welt ist, ist das noch ein bisschen höher einzuschätzen. Das war für ihren Körper heute zu viel", sagte Busemann, der in dem Zuge über Lyles sagte: "Er sagt, es wird irgendwie gehen. Im Zwischenlauf sah er schon nicht gut aus, da hat man schon so eine Befürchtung gehabt. Und ja, das wird wohl unterschätzt. Denn 200 Meter sind jetzt kein Sonntagsspaziergang. Das ist schon hochgradig anstrengend."

Shitstorm für das ZDF

Anstrengend ist es an solchen Abenden auch für die Zuschauer, die aber durch die Konferenz gut bedient werden. Auch weil die Livestreams, die die Sender parallel anbieten, eine gute Ergänzung sind. Dass viele Menschen den linearen Weg wählen, beweisen die vielen emotionalen Einlässe in den sozialen Medien. Denn wer sich auf eine sportliche Achterbahnfahrt begeben will, weiß die Vorzüge der Übertragungsform zu schätzen. Auch wenn es ein schmaler Grat bleibt.

Beim ZDF hat man das mehrmals zu spüren bekommen, als plötzlich Shitstorms über den Sender niedergingen. Denn am Montag brach der Sender die Halbfinal-Übertragung der 3x3-Basketballerinnen beim Stand von 15:14 und nur noch 24,8 Sekunden auf der Uhr ab. Erst wurde Werbung gezeigt, dann ging es zur "heute"-Sendung. Das ZDF räumte den Fehler später ein.

Zuvor gab es bereits Kritik, weil das Zweite lieber das langweilige und auch nach 120 Minuten torlose Viertelfinale der DFB-Frauen gegen Kanada zeigte, anstatt das 100-Meter-Finale der Frauen. Auch aus der Schwimmhalle gab es lange kaum Bilder. Denn die Konferenz hat ihre Stärken – man muss sie nur ausspielen.

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