Bei den Olympischen Spielen gehen drei Dressur-Paare an den Start. Der Showdown im Kampf um die Tickets für Paris findet beim Chio in Aachen (28. Juni bis 7. Juli) statt. Auch die erfolgreichste Reiterin der Geschichte muss zittern, doch Isabell Werth bleibt gelassen.
Isabell Werth bringt so schnell nichts aus der Fassung. Im Dressurviereck ist das essenziell, wenn die Symbiose zwischen Reiter und Pferd zum Erfolg führen soll. Aber auch ganz generell ist eine große Portion Gelassenheit im Moment nicht von Nachteil, denn die erfolgreichste Reiterin der Geschichte bangt um die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris. Es wären ihre siebten Spiele - wenn denn beim Chio in Aachen (28. Juni bis 7. Juli) alles nach Plan verläuft.
Drei Paare gehen in Paris an den Start, Tokio-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl ist mit Dalera sicher dabei, denn die Stute räumte mit von Bredow-Werndl bei den Deutschen Meisterschaften in Balve zwar zwei Titel ab, ist allerdings auch schon 17 Jahre alt. Da die Gesundheit ebenso wichtig ist wie die sportliche Verfassung, muss sie in Aachen nicht ran, wird geschont. Bleiben also noch zwei Tickets für Olympia, dazu der Reserveplatz, der immerhin noch ein Hintertürchen bieten würde. Beim Chio können sich die Kandidaten noch einmal final zeigen.
Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos
"Wir haben unsere Chance in Aachen, die müssen wir nutzen", sagte Werth dem SID. "Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos." Hinzu kommt, dass Werth durch ihre lange Karriere auf einen reichen Schatz an Erfahrungen blicken kann. "Ein solches Szenario ist mir ja nicht fremd", sagte sie: "Ich habe schon alles erlebt." Paris sei das erklärte Ziel, betonte sie auf der offiziellen Website des Chio. "Die Tatsache, dass sich nur drei Reiter für die Mannschaft qualifizieren, macht es in diesem Jahr wieder besonders spannend. Ich werde mein Bestes geben, aber wir müssen abwarten, wer sich schlussendlich für das Team empfehlen wird."
Denn im Sport kann es ja auch durchaus schnell gehen. Unwägbarkeiten sind ein fester Bestandteil, überraschende Wendungen ebenso, und ein bisschen Drama gehört auch immer dazu, gerade im Reitsport. Die zehnjährige Stute Wendy soll Werths Paris-Pferd sein, vor der Olympia-Sichtung im Rahmen der Deutschen Meisterschaften in Balve Anfang Juni verletzte sich Wendy aber leicht, Werth trat stattdessen mit Quantaz an, mit dem sie aber nur Rang fünf erreichte. Enttäuschend.
Ausrufezeichen in Rotterdam
Doch Wendy ist inzwischen wieder fit und zuletzt beim Turnier in Rotterdam zeigte sie, warum Werth mit ihr in Paris antreten möchte: Im Grand Prix und in der Kür schaffte das Paar jeweils Platz zwei. Ein deutliches Ausrufezeichen vor dem Chio. "Wir müssen in Aachen kämpfen", sagte Werth. Dort tritt sie im Nationenpreis mit Quantaz und in der CDI-Tour mit Wendy an.
Wie sieht Bundestrainerin Monica Theodorescu die Situation vor dem "Showdown" in Aachen? "Sehr positiv. Wir haben sehr gute Reiter und sehr gute Pferde. Wir sind sehr gut aufgestellt, was unseren Olympia-Kader betrifft. Und ich freue mich darauf", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Was beim Chio und im Hinblick auf Paris vor allem nicht zählt, sind Sentimentalitäten. Deshalb sieht Theodorescu Werths Situation "genauso wie die von den anderen Olympia-Kader-Teilnehmern. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich das in Aachen gestaltet", sagt sie.
Denn die Konkurrenz lauert: Sei es der DM-Zweite Frederic Wandres mit Bluetooth und Duke of Britain, die ehemalige Vielseitigkeits-Europameisterin Ingrid Klimke mit Franziskus, Sönke Rothenberger mit Fendi oder aber Katharina Hemmer (Denoix), die noch im Perspektivkader ist. "Das sind die Reiter, die bei den deutschen Meisterschaften und auch davor schon sehr gute Leistungen gezeigt haben", so Theodorescu. "Wir haben einen sehr homogenen Olympia-Kader. Und da sind einige Reiter auf einem ähnlich hohen Niveau."
Aachen noch einmal ein wichtiges Kriterium
Werths Chancen auf ein Olympia-Ticket sieht die Bundestrainerin im Vergleich zu den anderen Kandidaten "relativ ähnlich". Heißt: "Das ist ein ziemlich offenes Rennen. Aber natürlich kann man an den Ergebnissen und an der Konstanz sehen, in welche Richtung es geht. Aber Aachen ist noch einmal ein wichtiges Kriterium", sagt Theodorescu, die weiß, dass Werth mit dem Druck "sehr professionell" umgeht.
Theodorescu steht mit den Reitern sowieso im regelmäßigen Austausch, rund um die Turniere noch ein wenig intensiver. "Dabei geht es um die Pferde, um das Training, um die Turniervorbereitung. Ich besuche die Reiter regelmäßig vor den Turnieren, zwischen den Turnieren und coache sie auf dem Turnier, bevor sie in die Prüfung gehen", sagte sie. Doch in Aachen beziehungsweise im Hinblick auf Olympia zählen nicht nur die nackten Resultate, "sondern auch die Perspektive und die Fitness und Gesundheit, die auch unser Mannschaftstierarzt zu beurteilen hat", erklärt Theodorescu.
Medaillen sind das große Ziel
Die 61-Jährige wird dann am Ende die guten, aber auch die schlechten Nachrichten überbringen müssen. "Doch auch das gehört zu einem Sportler dazu, zu seiner Professionalität, dass er auch Rückschläge einstecken muss. Das ist ganz normal."
Denn am Ende geht es um den Erfolg in Paris, dort will Theodorescu mit ihrem Team mindestens das Ergebnis von Tokio "verteidigen": 2021 holte man dort Gold mit der Mannschaft sowie Gold und Silber im Einzel. Und bei drei Teams gibt es in Paris kein Streichergebnis. Keine Ausreden also, keine Hintertür. "Deshalb ist die Tagesform absolut entscheidend", sagte Theodorescu. Wie auch in Aachen. Daher ist es gut, wenn Werth so schnell nichts aus der Fassung bringt.
Über die Gesprächspartnerin
- Monica Theodorescu ist seit 2012 die Bundestrainerin der deutschen Dressurreiter.
Verwendete Quellen
- chioaachen.de: Mein Sport ist meine Passion
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