- Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat entschieden, dass es keine Medaillenvergabe unter der Beteiligung von Kamila Walijewa geben wird.
- Zuvor hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS am Montag dem Eislauf-Wunderkind aus Russland trotz nachgewiesenen Dopings die Starterlaubnis für den Einzel-Wettbewerb gegeben.
Bei den Winterspielen in Peking werden vorerst keine Medaillen in Wettbewerben vergeben, in denen die unter Dopingverdacht stehende russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa einen der ersten drei Plätze erreicht. Diese Entscheidung seiner Exekutive teilte das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Montag mit. Der Sportgerichtshof CAS hatte zuvor festgelegt, dass die 15-jährige Walijewa am Dienstag in der Einzelkonkurrenz starten darf.
Das IOC werde in Absprache mit den betroffenen Athleten und Nationalen Olympischen Komitees "eine würdige Medaillenzeremonie organisieren, sobald der Fall von Frau Walijewa abgeschlossen ist".
IOC nimmt CAS-Entscheidung zu Walijewa "zur Kenntnis"
Generell nimmt das IOC die CAS-Entscheidung "zur Kenntnis". Man müsse sich "an die Rechtsstaatlichkeit halten" und Walijewa daher gestatten, am Dienstag und, falls sie sich qualifiziert, am Donnerstag im Einzelwettbewerb der Frauen anzutreten.
"Erst nach Abschluss eines ordnungsgemäßen Verfahrens kann festgestellt werden, ob Frau Walijewa gegen den Welt-Anti-Doping-Code verstoßen hat und sanktioniert werden müsste", so das IOC.
Aufgrund dieser "unklaren Situation" werde "im Interesse der Fairness gegenüber allen Athleten und den betroffenen NOKs" keine Medaillenzeremonie für den Mannschaftswettbewerb im Eiskunstlauf im Rahmen der laufenden Winterspiele abgehalten - das russische Team um Walijewa hatte in der ersten Olympia-Woche diese Konkurrenz für sich entschieden. Sollte Walijewa im Einzel die Top Drei erreichen, werde es aus demselben Grund "keine Blumen- und Medaillenvergabe" geben.
Das IOC ersuche die Internationale Eislauf-Union (ISU) "aus Gründen der Fairness", eine 25. Teilnehmerin am Donnerstag am Kür-Teil des Wettbewerbs teilnehmen zu lassen, falls die amtierende Europameisterin Walijewa am Dienstag einen der ersten 24 Plätze des Kurzprogramms erreicht.
Kamila Walijewa erhält gerichtliche Starterlaubnis
Am Montag hatte der CAS nach einem Eilverfahren bei den Winterspielen in Peking die Einsprüche gegen die Aufhebung der vorläufigen Sperre der 15-Jährigen abgelehnt. Somit darf Gold-Favoritin Kamila Walijewa trotz eines positiven Dopingtests im olympischen Eiskunstlauf-Einzel starten.
Als einen der Gründe für die Entscheidung nannte der CAS das Alter der 15-Jährigen, die als Minderjährige eine "geschützte Person" unter dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) sei.
Zudem wäre es angesichts der unklaren Beweislage und der Verzögerungen bei der Auswertung des Dopingtests unfair, der Russin eine Teilnahme am Damen-Einzel zu verwehren. Ein Startverbot würde Walijewa "unter diesen Umständen einen irreparablen Schaden zufügen", befanden die drei Sportjuristen des CAS.
"Das ist die beste Nachricht des Tages. Das ganze Land wird sie und auch alle anderen unserer wundervollen Eiskunstläuferinnen unterstützen", hieß es in einer ersten Reaktion des russischen NOK.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur jedoch warf Russland schwere Fehler beim Umgang mit dem Dopingfall Walijewa vorgeworfen. Wie die WADA am Montag in Peking mitteilte, würde die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung der 15-Jährigen durch den Disziplinarausschuss der russischen Anti-Doping-Agentur (RUSADA) "nicht mit den Bestimmungen des WADA-Codes übereinstimmen".
Die WADA kritisiert das Urteil des CAS als unsauber
Die WADA sei daher enttäuscht, dass die Ad-hoc-Abteilung des CAS die Bestimmungen des Codes nicht angewendet habe. Sie würden "keine spezifischen Ausnahmen in Bezug auf obligatorische vorläufige Suspendierungen für 'geschützte Personen', einschließlich Minderjähriger, zulassen".
In der Doping-Affäre um das Eiskunstlauf-Ausnahmetalent geht es nicht nur um sauberen Sport bei den Peking-Spielen. Auch der seit dem Staatsdoping-Skandal beschädigte Ruf Russlands steht wieder auf dem Prüfstand. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), die WADA und der Eislauf-Weltverband wollten die Aufhebung einer vorläufigen Sperre der Europameisterin nicht hinnehmen.
Sie hatte das russische Team noch zum Olympiasieg geführt, bevor ihr positiver Dopingtest vom 25. Dezember 2021 bei den nationalen Meisterschaften in St. Petersburg am 8. Februar 2022 bekannt wurde - einen Tag nach dem Sieg des russischen Teams auf dem Eis.
WADA: Walijewas Doping-Probe war nicht priorisiert
Die WADA weist der RUSADA eine Mitschuld an der Verzögerung zu. "Was die Probenanalyse der Athleten anbelangt, so erwartet die WADA stets, dass die Anti-Doping-Organisationen mit den Labors in Verbindung stehen", hieß es in der Mitteilung. Dadurch solle sichergestellt werden, dass diese die Analyse der Proben beschleunigen und die Resultate vorliegen, bevor die Athleten zu Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen reisen oder dort antreten würden.
"Nach den der WADA vorliegenden Informationen wurde die Probe in diesem Fall von der RUSADA nicht als Prioritätsprobe gekennzeichnet, als sie beim Anti-Doping-Labor in Stockholm einging", erklärte die Weltagentur. "Dies bedeutete, dass das Labor nicht wusste, dass es die Analyse dieser Probe beschleunigen sollte."
Über eine mögliche Neuvergabe der Medaillen für den Team-Wettbewerb oder weitere Konsequenzen für Walijewa und ihr Begleitpersonal entschieden die CAS-Richter nicht. Dem IOC zufolge hatten nicht alle Beteiligten des Verfahrens zugestimmt, den gesamten Fall zu verhandeln.
Das IOC steckt in einem Dilemma: "Unglaublich komplizierter Fall"
"Das ist ein schreckliches Dilemma. Eine sehr unbefriedigende Situation", sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Das IOC hatte aber schon vorab versichert, das Ergebnis des CAS-Eilverfahrens zu respektieren und bis ins Detail umzusetzen. Es handle sich um einen "unglaublich komplizierten Fall".
Walijewa war von der nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA erst am 8. Februar vorläufig suspendiert worden, weil angeblich das Ergebnis der Probenuntersuchung erst so spät vom Stockholmer Labor übermittelt worden sei. Die RUSADA nannte den 7. Februar als Datum für den Eingang des Befunds. Als Gründe der Verzögerung wurden die aktuelle Corona-Situation und erkranktes Laborpersonal genannt. In Walijewas Probe wurde das verbotene Herzmittel Trimetazidin nachgewiesen.
Die RUSADA berichtete auch, eine Untersuchung weiterer Personen aus dem Umfeld der Athletin initiiert zu haben, da diese minderjährig sei. Bereits am 9. Februar wurde die Sperre von der Disziplinarkommission der RUSADA jedoch wieder aufgehoben.
Nach den Einsprüchen der internationalen Sportbehörden gab es am Sonntag unter dem Vorsitz des Italieners Fabio Iudica eine mehr als fünfstündige Anhörung der Verfahrensbeteiligten per Videoschalte. Auch Walijewa selbst sagte vor den Sportjuristen aus.
Nationales Olympisches Komitee der USA schäumt: "Systematische Missachtung Russlands des sauberen Sports"
Das Olympische Komitee der USA kritisierte das Urteil heftig. "Die Athleten haben das Recht zu wissen, dass sie unter gleichen und fairen Bedingungen antreten. Dieses Recht ist ihnen mit diesem Urteil verweigert worden", monierte Geschäftsführerin Sarah Hirshland.
Man sei enttäuscht über die Botschaft, die der Richterspruch sende. "Dies scheint ein weiteres Kapitel von Russlands systematischer und allgegenwärtiger Missachtung sauberen Sports zu sein", fügte Hirshland hinzu.
Auslöser des Wirbels war die Verschiebung der Medaillenzeremonie für die Eiskunstlauf-Teams - die USA und Japan hatten Silber und Bronze gewonnen. Die Vergabe ist wegen des Bekanntwerdens von Walijewas Dopingvergehen bisher nicht erfolgt. Die endgültige Entscheidung über die Medaillenvergabe wird voraussichtlich erst nach Abschluss der Winterspiele fallen.
Ein möglicher Olympiasieg im Einzel kann Walijewa noch aberkannt werden
Dies gilt auch für eine mögliche Einzel-Medaille, auf die Europameisterin Walijewa aufgrund des Urteils des CAS nun ihre Chance erhält. Denn vom Vorwurf, gedopt zu haben, ist Walijewa durch die Richter des CAS nicht freigesprochen worden. Auf diesen Umstand wies auch Hajo Seppelt, seit Jahren Doping-Experte in der Sportredaktion der ARD, in seiner Analyse des Richterspruchs explizit hin.
Für Russland geht es bei dem Streitfall um mehr als nur das Dopingvergehen im Eiskunstlauf. Das Land ist wegen organisierter Manipulationen und der Vertuschung von Sportbetrug wie schon bei den Sommerspielen in Tokio gesperrt. Die russischen Athleten dürfen nur als Vertretung des ROC antreten. Bei Siegerehrungen darf die russische Hymne nicht gespielt und die Flagge nicht gehisst werden. Ende des Jahres läuft ein zweijähriger Olympia-Bann aus.
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Der DOSB sieht Auslaufen der Doping-Sperre gegen Russland kritisch
Der Deutsche Olympische Sportbund hält das für bedenklich. Es werde "deutlich, dass das Auslaufenlassen der Sperre gegen den russischen Sport zum 16. Dezember 2022 den Unterschieden zwischen den einzelnen Sportarten nicht ausreichend Rechnung trägt", sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. Er regte an: "Eine Einzelfallbetrachtung jeder Sportart wäre möglicherweise angemessener im Sinne eines konsequenten Anti-Doping-Kampfes."
Der DOSB-Chef betonte deshalb auch, dass dieses Urteil zu einer positiven A-Probe einer Minderjährigen "einen besonderen Dopingfall" betreffe. Allerdings stelle sich im Fall Walijewa die grundsätzliche Frage, "welchen Leistungssport wir eigentlich haben wollen", sagte Weikert. "Der aktuelle Fall bestärkt uns in der Auffassung, dass jungen Athleten und Athletinnen Zeit gegeben werden muss - ein humaner Leistungssport darf nicht zu früh viel verlangen."
Russland war wegen Manipulationen von Dopingdaten im Moskauer Analyselabor von der WADA zunächst für vier Jahre für Olympische Spiele gesperrt worden. Der CAS hatten den Bann auf zwei Jahre reduziert. In Verruf war der russische Sport zuvor durch die Aufdeckung eines Staatsdopings im Land geraten. (dpa/SID/hau)
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