Von wegen "Immer das gleiche!" In Zeiten von Dauerformaten wie DSDS oder "Voice of Germany" wagte RTL am Donnerstagabend bei seinem Streaming-Portal RTL+ ein interessantes TV-Experiment: Eine Konferenzschaltung aus Dschungelcamp und dem Spiel AS Rom gegen Eintracht Frankfurt. Das funktionierte zwar überraschend gut, ändert aber nichts an der Frage: Warum?
"RTL+ präsentiert am kommenden Donnerstag eine noch nie dagewesene Kombination aus Fußballfieber und Dschungel-Drama in einem Livestream. Ab 20:15 Uhr moderieren Robby Hunke und der ehemalige Fußballprofi sowie IBES-Teilnehmer Ansgar Brinkmann eine Dschungel-Fußball-Konferenz der Extraklasse. Dabei werden alle Tore und Highlights des Europacup-Spiels AS Rom gegen Eintracht Frankfurt sowie alle Lästereien am australischen Lagerfeuer gezeigt."
So bewirbt RTL seine Idee, eine Konferenzschaltung zwischen dem Spiel AS Rom gegen Eintracht Frankfurt und dem siebten Tag im Dschungelcamp zu machen. Nicht als einzige Option, denn während man das Treiben im Dschungel auch ganz regulär am linearen Fernsehen bei RTL ansehen konnte, erlaubte man sich beim Streaming-Dienst RTL+ diese TV-Extravaganz.
Und eine solche Kombination aus Live-Fußball und Trash-TV dürfte man in der Tat lange suchen.
Konferenz aus Dschungel und AS Rom gegen Eintracht Frankfurt: Wie soll das funktionieren?
Gleichzeitig tauchen bei einer solch ungewöhnlichen Kombination natürlich Fragen auf: Wie machen die das mit den Werbepausen, welches Format muss an welcher Stelle zurückstecken, wie viel Dschungelcamp kriegen sie unter, ist Ansgar Brinkmann nun Fußball- oder Trash-TV-Experte und am wichtigsten: Welchen Fans stößt man mit einem solchen Mix vor den Kopf – den Fußball- oder den IBES-Fan?
Einige dieser Fragen sind rein technischer Natur und schnell geklärt. Das Konzept sieht in der Regel einen geteilten Bildschirm vor, das jeweils gerade aktuelle Format sieht man größer, das andere eben kleiner und gelegentlich taucht ein dritter Screen mit den Kommentatoren Brinkmann und Hunke auf.
Ist beim Dschungel-Stream gerade Werbung, sieht man das Fußballspiel und umgekehrt. Läuft gerade beides, springen die Kommentatoren hin und her, je nachdem, wo es gerade spannender ist.
Im Prinzip funktioniert das Ganze also wie eine normale Fußball-Konferenzschaltung, mit dem Unterschied, dass es hier nicht für jedes Event einen eigenen Kommentator gibt, sondern Hunke und Brinkmann beide Geschehen im Auge behalten müssen.
Eine Herausforderung für die beiden oder wie es Brinkmann formuliert: "Das musst du ja mit Humor nehmen", denn Dschungelcamp und ein Fußballspiel seien so weit voneinander entfernt "wie die Erde vom Jupiter".
Ansgar Brinkmann zwischen Erde und Jupiter
Damit hat Brinkmann ebenso Recht wie Unrecht, denn tatsächlich gibt es offenkundige Unterschiede, gleichzeitig ziehen Brinkmann und Hunke doch den ein oder anderen Vergleich. "
Warum Brinkmann solche Vergleiche ziehen kann: Er war sowohl im Dschungelcamp als auch Spieler bei Eintracht Frankfurt, ist also tatsächlich Fußball- und gleichzeitig Trash-TV-Experte. Man könnte auch sagen: Hier geht es tatsächlich um Erde und Jupiter, aber in diesem Fall kreisen beide Planeten nicht um die Sonne, sondern um Ansgar Brinkmann.
Er und Hunke halten dieses merkwürdige Dschungel-Fußball-Universum zusammen, haben beide Planeten im Blick, springen locker hin und her und kommentieren beides mit Expertise. Zumindest hört man gerade beim Fußballspiel die gleichen Analysen wie sonst. Ob eine Trennung beider Welten das Ganze kompetenter gemacht hätte, bleibt also Spekulation.
Die Schwächen dieses ungewöhnlichen TV-Formats liegen ohnehin woanders. Zum Beispiel bei den angesprochenen Split-Screens. Da sind mitunter drei Szenen zu sehen und zwei Tonspuren zu hören, sodass man bisweilen am kognitiven Meltdown entlang taumelt.
Besonders die Gleichzeitigkeit von Kommentar und den Gesprächen im Dschungel waren mitunter anstrengend. Schlussendlich hat es aber dann doch und in der Regel funktioniert, weil man die Übergänge eher sanft gestaltet hat.
Die Schattenseiten einer Konferenzschaltung
Etwas störender waren da schon die spontanen Sprünge, die so eine Live-Konferenz eben mit sich bringt. Da erzählt beispielsweise
Das liegt nicht an fehlender Empathie der Regie oder bösem Willen, sondern ist einfach die Achillesferse einer Konferenzschaltung. Das Tor fällt eben immer im anderen Stadion.
Und so bleibt es ein denkbar ungünstiger Moment für einen Sprung zum Fußball, als Herren gerade erzählt, wie sie ihrem Vater eine Nachricht geschickt und auf Antwort gewartet habe, es aber für immer bei dem einen Haken an ihrer Nachricht bleiben wird. Mit einem "Wow, die Emotionen fahren Achterbahn im Dschungel", springt Robby Hunke dann aber plötzlich etwas unsensibel nach Rom. "Keine Angst, ihr verpasst hier nichts aus dem Dschungel. Wir können auch zur Not nachreichen", verspricht Hunke zwar noch, aber das passiert nicht, da man sich ja einfach in die immer weiter laufende Show ein- und wieder ausklinkt.
Und damit wären wir beim zweiten Problem der Springerei. Denn weil das Geschehen im Camp eben immer weiterläuft, während man gerade beim Fußball ist, bekommt man nicht mit, worum es gerade im Dschungel geht. Und so ist man eben noch im Olympiastadion in Rom und bekommt im nächsten Bild einen nackten Hintern im australischen Gebüsch präsentiert, ohne den Kontext zu kennen.
Andersherum ist das wesentlich leichter, denn beim Fußballspiel gibt es keinen roten Faden, hier ist der rote Faden die Anzeigetafel, auf der schwarz und weiß steht, was passiert ist.
Braucht man so eine Konferenz?
Doch auch wenn man dadurch vielleicht nicht jedem Gespräch im Camp folgen kann, dürfte man doch das Wichtigste mitbekommen haben. Etwa, dass Edith Stehfest eine ADHS-Diagnose hat und deshalb im Camp gerade beim Kochen gestresst ist, weil sie "immer alles gleichzeitig hört".
Außerdem erfährt man, dass Jörg Dahlmann immer noch nicht verstanden hat, warum Sky ihn rausgeworfen hat, oder dass sich Lilly Becker höchstens dann für den "Playboy" fotografieren lassen würde, wenn man nicht allzu viel sieht.
Gleichzeitig nutzt Robby Hunke die Gelegenheit, ein paar Insider-Informationen und Einschätzungen aus Ex-Camper Brinkmann herauszuholen. "Die Toilette ist Körperverletzung", erzählt Brinkmann etwa und sagt über die Zeit im Camp: "Irgendwann kommt alles durch, wie du bist. Dagegen kann man sich gar nicht wehren. Du musst bei dir bleiben."
Kandidat Sam Dylan hat es Brinkmann besonders angetan: "Er weiß, welche Knöpfe er für Aufmerksamkeit drücken muss", urteilt Brinkmann und sagt über Dylans Vorgehen: "Er zündet überall nur an."
Was war das also da am Donnerstagabend bei RTL+? Es klang zunächst wie eine Idee aus einer RTL-Redaktionskonferenz, bei der sich niemand getraut hat, rechtzeitig Stopp zu sagen. Am Ende war es aber ein launiges TV-Experiment, das die meiste Zeit überraschend gut funktioniert hat – wenn einen weder das Dschungelcamp noch das Fußballspiel wirklich interessiert hat.
Die Frage, die sich RTL daher selbst stellen muss, ist: Für wen haben wir das eigentlich gemacht? Je nach Antwort ist es nicht unwahrscheinlich, dass dies das erste und gleichzeitig das letzte Mal für dieses TV-Experiment gewesen ist.
Oder wie Ansgar Brinkmann diesen Zwiespalt formuliert: "Mein erster Gedanke, ganz ehrlich, war: Braucht kein Mensch. Aber so im Nachhinein, bei dieser Konstellation, muss ich sagen: Hat Freude gemacht."
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