Vor gut einem Jahr duellierte sich Oliver Pocher mit Michael Wendler bei RTL. Am Mittwochabend nahm er es nun mit neuen Gegnern auf: den Influencern. Für Pocher ein leichter – für den Zuschauer hingegen ein mit verschwendeter Lebenszeit teuer erkämpfter Sieg.

Eine Kritik

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Man weiß es nicht mit Sicherheit, aber Oliver Pocher dürfte am Mittwochabend um kurz vor 21 Uhr herzlich in sich hinein gelacht haben. Als Moderatorin Laura Wontorra bei einem Quiz nämlich die Influencerin Payton Ramolla fragt, ob sie Christian Drosten kennt, bekommt sie von ihr nur ein verschämtes "Nein" zu hören.

Nun muss man wissen, dass Payton Ramolla nicht im wissenschaftsnahen Bereich arbeitet. Noch nicht einmal im wissenschaftsfernen. Nein, Ramolla postet bei Youtube Videos, in denen sie zum Beispiel ihren Abonnenten ihren Schminktisch zeigt. Bei Instagram hingegen veröffentlicht sie Bilder von sich, auf denen sie scheinbar verträumt irgendwohin guckt. Dazu gibt es gerne noch irgendeinen Kalenderspruch.

Nein, die Lebenswelten von Christian Drosten und Payton Ramolla könnten nicht unterschiedlicher sein. Trotzdem gehört nach einem Jahr Corona-Pandemie schon eine riesige Portion Weltignoranz dazu, um nicht zu wissen, wer Christian Drosten ist. Und genau deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Pocher an dieser Stelle in sich hinein gelacht hat, denn die Szene ist stellvertretend für all das, was Pocher an Influencern immer wieder kritisiert: die nutzlose Scheinwelt, mit und in der sie ihr Geld verdienen.

Influencer sind nicht Michael Wendler

Nun kann man es deshalb erstaunlich finden oder aber konsequent, dass Oliver und seine Frau Amira Pocher mit genau diesen Influencern wiederum selbst Geld verdienen. Denn in der RTL-Show "Pocher vs. Influencer" spielen die beiden Studiospielchen gegen die Influencer, die sie sonst kritisieren – zumindest gegen die, die gekommen sind: Kristina Levina, Twenty4tim, Sam Dylan, Payton Ramolla und Younes Zarou.

Dass diese Namen den meisten Menschen, die noch überwiegend klassisch lineares Fernsehen schauen, nichts sagen dürften, ist ein Problem von "Pocher vs. Influencer" - allerdings eines der kleineren. Denn als Pocher vor gut einem Jahr bei der Show "Pocher vs. Wendler" nach dem gleichen Prinzip – Social-Media-Streit, dann gemeinsame Show – vorgegangen ist, war Michael Wendler den Zuschauer jenseits von Instagram und Co. ein Begriff.

Inzwischen ist Michael Wendler nach seinen Corona-Aussagen in ganz andere Sphären entglitten und so muss RTL nun Pocher mit Influencern streiten lassen, die das eigene Zielpublikum im Zweifel nicht so recht kennt – auch wenn Influencer-Kritik nicht nur bei Pocher gerade en vogue ist. Und genau an dieser Stelle hätte es trotzdem spannend werden können, wenn man bei "Pocher vs. Influencer" genau diese Kritik aufgegriffen hätte. Hat man aber nicht. Im Gegenteil.

"Pocher vs. Influencer": ganz oder gar nicht

Bei der Erklärung des Spiels "Poolparty in Dubai" fällt einmal kurz das Wort "Autokratie", ansonsten erwähnt Laura Wontorra, dass Sam Dylan während der Corona-Pandemie in Dubai gewesen ist. Natürlich hätte man beim Thema Dubai auch über Menschenrechte im Allgemeinen, Frauenrechte im Speziellen, Pressefreiheit, Steueroasen und Anders sprechen können, RTL lässt stattdessen lieber Pocher und Dylan kleine Reifen auf aufgeblasenen Flamingo-Kopfschmuck ihrer Partnerinnen werfen.

Nun ist eine Spielshow eben eine Spielshow, aber wenn man Ernsthaftes anspricht, dann sollte man das konsequent machen – oder es eben lassen. Doch als Dylan eine halbgare Rechtfertigung auftischt, dass er in Dubai ja nur eine Zweier-Poolparty mit Georgina Fleur gemacht habe, ist für Wontorra das Thema Dubai mit einem "Okay, okay, alles klar" erledigt und es fliegen die Ringe auf den Flamingo.

Ganz offensichtlich ist sowohl Wontorra als auch RTL völlig egal, warum man sich eigentlich hier versammelt hat, es zählt nur, dass alle irgendwie ihr Gesicht wahren und eine gute Show liefern. Das wäre mit einigen Magenschmerzen zu ertragen gewesen, wenn es denn eine gute Show gewesen wäre. War es aber nicht. Das geht bereits beim ersten Spiel los, als Amira Pocher und Twenty4tim mit Mini-Elektroautos durch einen lieblos gestalteten Hütchen-Parcours fahren müssen. Weniger Ansprüche an die Requisite hätte man gar nicht stellen können.

"Pocher vs. Influencer": weder Fisch noch Fleisch

Nein, selbst als Spielshow funktioniert "Pocher vs. Influencer" nicht wirklich, denn auch die anderen Spiele, bei denen zum Beispiel Begriffe mit Emoticons erklärt oder eine Klopapierrollenmauer in Kostümen übersprungen werden mussten, waren in puncto Unterhaltungswert eher unterdurchschnittlich. Und so war es an Sam Dylan, den Pocherschen Vorwurf der intellektuellen Oberflächlichkeit von Influencern Nahrung zu geben.

Bei einem Spiel, bei dem Dylan und Pocher bei verbundenen Augen Zutaten in den Mund gestopft bekommen und am Ende erraten müssen, welches Gericht man daraus wohl machen könnte, glaubt Dylan statt Spaghetti Bolognese das Gericht "Zahnstocher mit Fleisch" erkannt zu haben. Eine, wenn auch unfreiwillige, so doch nützliche Geste von Dylan, die noch einmal kurz in Erinnerung ruft, warum Pocher eigentlich gegen Influencer schießt.

Weil aber auch Laura Wontorra mit Sprüchen wie "Wer gewinnt die Challenge Pocher vs. Influencer?" jeglicher inhaltlichen Relevanz die Luft rauslässt, bleibt am Ende der Show die intellektuell dürftige Aussage: "Wer die Spielchen gewinnt, hat Recht." Das sind in diesem Fall zwar die Pochers, aber das ist dann auch schon wurscht.

Mit ein bisschen mehr Ehrgeiz von Seiten der Produktion hätte man aus "Pocher vs. Influencer" eine kluge Show machen können, die den Streit zwischen beiden Parteien ernst nimmt und ihn gleichzeitig in eine ebenso lustige wie entlarvende Spielshow umwandelt. So aber ist "Pocher vs. Influencer" einfach nur Zeitverschwendung.

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