Bevor die D-Promi-Container-Karawane in die romantische Trash-TV-Abendsonne des zehnten Tages reitet, muss ich als faktenverpflichtete Chronistin von Deutschlands elfterfolgreichstem Reality-TV-Format kurz eine unangenehme Formalie abarbeiten, deren Unterschlagung meine Informationspflicht verbietet.
Der für den Erfolg eines TV-Projekts einzige Parameter bei kommerziellen Privatsendern wie Sat.1 ist die Quote. Hier war die 2023er-Edition von "Promi Big Brother" in der Anfangsphase von einem selbst für die größten Berufsoptimisten in Unterföhring unverhofften Überraschungs-Hoch gesegnet.
Die Freudenfeuerwerke zu diesem Überraschungs-Quoten-Coup sind inzwischen allerdings erloschen. Am Montagabend brach die Quote in der sogenannten werberelevanten Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren auf 350.000 Zuschauer und Zuschauerinnen ein. Das ergab einen Marktanteil von 6,9 Prozent, was in etwa dem Sat.1 Senderdurchschnitt im Oktober 2023 entspricht.
Ein verheerendes Ergebnis für das vermutlich höchstbudgetierte Sat.1 TV-Format des Jahres. Wenn man so will, lesen mehr Menschen diese Kolumne über "Promi Big Brother" als "Promi Big Brother" überhaupt Zuschauer hat. Das ist wie mit den Aluhutmodels aus der Querdenker-Szene: Die kennen mehr Menschen mit schweren Covid-Impfschäden als es überhaupt Impfungen gegeben hat.
Aber genug der Brunnenvergiftung mit analytischem Realitätsabgleich. Es gibt nämlich auch gute Nachrichten: Die Heldenreise der Haferflocken-Avengers ist noch nicht beendet – die Quoten können also im Zuge des heranrauschenden Finales durchaus wieder signifikant steigen.
Plus: "Bums-Format"-Bruder Jürgen Milski hat seinen jahrelangen Kredit beim Reality-Publikum offenbar verspielt und ist – für sein Ego womöglich überraschender als eine funktionierende Ehe bei
Und das nach
Und wer
Pizzagate: Container-Edition
Im Exit-Rausch legt "Promi Big Brother" direkt nach.
Bis dahin ist aber erstmal Diskussions-Alarm im Container. Big Brother appelliert an die grummelnden Promimägen und bietet an: Eine Nacht ohne Matratzen, dafür ein Blech Pizza. An der Gourmet-Börse für ein paar Euro gehandelt, ist die Aussicht auf einen großzügig belegten Teigfladen nach zehn Tagen Haferflocken-Diät für den einen oder anderen aus der Trash-Belegschaft aber inzwischen verlockender als ein Aktienpaket von Apple.
Auf dem Boden schlafen oder drei Minuten italienische Gaumenfreude, da entspannt sich im darbenden Clown-Krieger Ensemble ein härterer Abstimmungskampf als im Regierungskabinett um die Kindergrundsicherung. Am Ende setzt sich knapp die Schlaf-Fraktion durch.
Eine sehr exotische Begründung dafür, lieber eine Pizza als eine Schlafunterlage zu haben, offeriert
5 Sterne, 3 Sterne, egal – Hauptsache Fast Food
Wie nachhaltig eine Pizza die Stabilität einer Reality-TV-Gemeinschaft ins Wanken bringen kann, konnte man dieses Jahr bereits im Dschungelcamp beobachten, als die Teamplayer Cosimo Citiolo und Gigi Birofio ihre Loyalitäts-Ehre für eine 26-Zentimeter große Margherita eintauschten.
Um die nicht erhaltene Pizza halbwegs hungerstillend zu kompensieren, zeigt Manuela Wisbeck ihre Ambitionen, zeitnah Tim Mälzer als bekanntesten TV-Koch des Landes abzulösen. In einem in der Fachsprache als "Neurosis Schubeckitis" bekannten Chef-de-Cuisine-Anfall zaubert sie aus Ketchup, Wasser und Salz eine Tomatencremesuppe.
Nach tagelanger Kalorien-Enthaltsamkeit sind die Geschmacksnerven mittlerweile abgestumpfter als die Aufstiegseuphorie bei Schalke 04-Fans. Dominik Stuckmann schwingt sich sogar zum Guide Rouge Restauranttester auf und urteilt: "Die Tomatensuppe war köstlich wie in einer 5-Sterne-Küche."
Das sagt einiges über Dominiks Schlemmererfahrungen aus. Offenbar verkehrt das Bachelor-Schleckermäulchen vornehmlich in Gourmettempel mit Namen wie "Döner Tempel" oder "Späti", von Sterneküche jedenfalls hat er ähnlich viel Ahnung wie Dieter Bohlen von Musikstücken mit mehr als drei Akkorden. Es gibt nämlich keine 5-Sterne-Restaurants. Die Sterne-Kategorie geht offiziell nur bis zu maximal 3 Sternen.
5-Sterne-Gefühle gibt es direkt im Anschluss für Iris Klein. Die Zuschauer verschonen sie und entlassen sie von der Nominierungsliste. Der heutige Zwangsausstieg droht nurmehr dem Christian Rach der Staffel, Dominik, oder
Ron Bielecki muss den Container räumen
Während allerdings für die Geissens die Teilnahme an einem Format wie "Promi Big Brother" weniger attraktiv ist als ein Wechsel von Real Madrid zum SC Charlottenburg-Wilmersdorf 03 e.V. für Jude Bellingham, sind sowohl Dominik als auch Ron grundsätzlich an einer Vertragsverlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung im D-Promi-Containerdorf interessiert.
Und da ich mich als Autorin mit wenig auskenne, aber wenn, dann zumindest ein bisschen mit Buchstaben, will ich es mal so sagen: "D" steht für "drinbleiben", "R" steht für "raus". Mit anderen Worten: Ron Bielecki ist raus.
Als echte Neo-Trash-Legende fragt er als erste Amtshandlung in Freiheit die von Sat.1 zum Container-Ausstieg abberufene Moderatorin Marlene Lufen eiskalt: "Wie heißt du noch mal?" So gut hat sich zuletzt nur Dr. Christian Drosten bei seinem Jahrhundert-Tweet "Ja, ist gut jetzt" gefühlt.
Wobei die Frage natürlich berechtigt ist. Viele Second Screen Tastatur-Gladiatoren, die "Promi Big Brother" lediglich auf Social Media verfolgen, fragen sich das auch schon seit Tagen. Woher soll jemand, der zu müde oder zu schlau ist, sich regelmäßig per Frühstücksfernsehen in den Tag chauffieren zu lassen, die Erziehungsberechtigte von Jochen Schropp auch kennen?
Damit morgen die Auswahl an weiterem Ausschuss-Material für die Zuschauer nicht zu groß wird, darf Container-Chef
Er wählt Küken Marco Strecker, der nun morgen nicht zum Verlassen des D-Promi-U-Boots gezwungen werden und weiter auf den nicht mehr vorhandenen Matratzen schlafen darf. Die sind nämlich weg, obwohl es gar keine Pizza gab. Zu viele Regelverstöße. Da hat offenbar an Tag 10 der Video-Schiedsrichter eingegriffen und Big Brother hat drakonische Strafen verteilt.
Wie sie wirklich über jeden Stoeckel springen
Stichwort Matratze: Ich bleibe heute besonders lange wach, um nach dem Abgang von Tornado-Ronny in der anschließenden "Late Night" Deutschlands einzige Reality-Queen
Die "Julian F. M. Stoeckel Show" beginnt mit einem spektakulären Bekenntnis: "Ich, die letzte lebende Zeitzeugin der Peter Klein und Yvonne Woelke Nummer", die die Nation der bildungsfernen D-Promi-Junkies zu Jahresbeginn während des Dschungelcamps in Atem hielt.
Julian F. M. Stoeckel war damals als rasender Backstage-Reporter in offizieller Läster-Mission unterwegs und quasi live dabei, als sich Iris Kleins Ehe vor einem Millionenpublikum in ein Häufchen Fremdscham-Elend verwandelte.
Anders als normalerweise, wenn irgendwo Herzen gebrochen werden, ist die Stoeckel aber nicht persönlich involviert, sondern berichtet lediglich als investigative Star-Korrespondentin aus den tiefsten Innereien des Dschungelcamp-Organismus: "Wenn wir anderen abends alle zusammen essen gegangen sind, sind Peter und Yvonne immer allein losgegangen. Peter hat sich einfach unsterblich in Yvonne verliebt und sie hat ihn als Ventil benutzt, um endlich berühmt zu werden."
Genau dieses Thema wird übrigens morgen auch wieder zu landesweitem Interesse trenden, denn Peter und Iris nehmen ein Aussprache-Eisbad im Big-Brother-Vorgarten. Ich werde berichten! Bis dann!
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