Wie lange kann das noch gutgehen? Trotz Coronakrise treffen sich in Deutschland noch immer Gruppen in Parks und Cafés. Die Länder schließen Ausgangsverbote nicht aus.
Trotz des eindringlichen Appells von Kanzlerin
Am kommenden Sonntag will Merkel dem Vernehmen nach mit den Ministerpräsidenten in einer Telefonschalte darüber beraten. Seit Donnerstag dürfen die Menschen im bayerischen Mitterteich und zwei weiteren Orten bereits nur noch in Ausnahmefällen auf die Straßen. Auch die Wirtschaft wird für harte Zeiten gerüstet - mit Milliardenprogrammen für Unternehmen. Selbst große Konzerne kämpfen bereits um ihre Existenz.
In Deutschland sind bislang rund 15.000 Infektionen mit dem neuen Coronavirus bekannt, am Mittwoch waren es noch etwas mehr als 10.000. 44 mit Sars-CoV-2 Infizierte sind bislang bundesweit gestorben. Bessere Nachrichten gibt es aus China, dem Ursprungsland der Pandemie: Die Infektionszahlen gehen zurück.
Ausgangssperren
Im chinesischen Wuhan, in Italien, Frankreich und Spanien sind solche Verbote schon längst in Kraft - während in Deutschland noch immer Menschen in Grüppchen in Parks sitzen. Mehrere Ministerpräsidenten betonten, so könne es nicht weitergehen. Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) drohte mit einer Ausgangssperre für das ganze Bundesland: "Wenn sich viele Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrumentarium, um darauf zu reagieren." Für drei Orte in Bayern gelten bereits entsprechende Verbote.
Baden-Württembergs Ministerpräsident
Freiburg erlässt eingeschränkte Ausgangssperre
Freiburg erlässt wegen der Corona-Pandemie eine eingeschränkte Ausgangssperre. Die Stadt selbst sprach von einem Betretungsverbot für öffentliche Orte, das vom 21. März bis 3. April gelten soll. Mit dieser einschneidenden Maßnahme solle die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden, teilte die Stadt am Donnerstagabend mit. Anlass sei die dramatische Lage der angrenzenden französischen Region Grand-Est, zu der auch das Elsass gehört.
Optimismus aus China
Erstmals seit Ausbruch des Virus im Januar meldete China landesweit keine lokalen Neuinfektionen mehr. Es wurden zwar 34 neue Corona-Fälle registriert, die Infizierten kamen aber aus dem Ausland zurück in die Volksrepublik. Für sie gelten nun strenge Quarantäne-Richtlinien. Die importierten Fälle schüren zugleich die Angst vor einer möglichen zweiten Ausbreitungswelle. Trotz der verhältnismäßig geringen Zahl der Neuinfektionen beklagt China täglich weiter neue Todesfälle. Am Donnerstag stieg die Zahl der Todesopfer um acht auf 3245. Insgesamt wurden auf den chinesischen Festland 80.928 Infizierte registriert, von denen sich mehr als 66.000 wieder erholt haben.
Die internationalen Grenzen
Immer mehr Staaten machen ihre Grenzen dicht, nur Warenverkehr ist noch erlaubt. Am Donnerstag ordneten die Niederlande ein faktisches Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger an. Australien und Neuseeland schlossen die Grenzen. Österreich schottete das stark betroffene Bundesland Tirol komplett ab. Für alle 279 Gemeinden gelten seit Mitternacht Quarantäneverordnungen: Man darf die Orte nur zum Einkaufen, für Arztbesuche oder zur Arbeit verlassen - und dann nur zum nächstgelegenen Ort. "Sofern es einen Arzt, eine Apotheke, einen Lebensmittelhandel und eine Bank im Ort gibt, darf die Gemeinde für diese Zwecke nicht verlassen werden", erklärte Tirols Landeschef Günther Platter.
Milliardenprogramme für die Wirtschaft
Die Bundesregierung und die Notenbanken stemmen sich mit aller Macht gegen eine drohende Pleitewelle und Verwerfungen an den Finanzmärkten. Solo-Selbstständige und Kleinstfirmen sollen mit 40 Milliarden Euro unterstützt werden - über direkte Zuschüsse und Darlehen. Es geht etwa um Musiker, Fotografen, Künstler, Heilpraktiker, Dolmetscher oder Pfleger, deren Geschäfte schließen mussten, Messen, Veranstaltungen und Konzerte abgesagt wurden.
Europas Währungshüter legten ebenfalls nach: Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte ein Notkaufprogramm für Anleihen an. 750 Milliarden Euro will die Notenbank in Staats- und Unternehmenspapiere stecken. Das hilft Staaten wie Unternehmen, weil sie als Anbieter von Wertpapieren nicht so hohe Zinsen bieten müssen, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Der Dax, bei dem sich zuvor eine erneute Talfahrt andeutete, stabilisierte sich nach der Ankündigung der EZB, drehte danach aber wieder ins Minus.
Sorge vor einer Staatsschuldenkrise
Führende Ökonomen rechnen mit einer möglicherweise sehr schweren Rezession. Vier bekannte Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nun eine schrumpfende Wirtschaftsleistung. Die Corona-Krise könnte die deutschen Unternehmen demnach härter treffen als die Finanzkrise 2009. Ein Hoffnungsschimmer: Die Forscher erwarten mehrheitlich einen schnellen Aufschwung nach dem Ende der Krise.
Reise-Anbieter im Existenzkampf
Die Lufthansa und den Reisekonzern Tui kämpfen um ihre Existenz. Beide Unternehmen setzen auf einen strikten Sparkurs und Kurzarbeit für viele tausend Mitarbeiter. Die Lufthansa legte nahezu die gesamte Flotte still und warb angesichts komplett weggebrochener Buchungen und ungewisser Dauer der Pandemie um milliardenschwere Staatshilfen. Bei Tui Deutschland sollen die Beschäftigten für ein halbes Jahr in Kurzarbeit gehen. Nach Hochrechnungen der Branche summiert sich der Ausfall bei den deutschen Veranstaltern und Reisebüros allein bis Ende April auf mehr als 4,8 Milliarden Euro.
"Luftbrücke" für Touristen
Im beliebten Urlaubsregionen läuft weiter die größte Rückholaktion für Touristen in der Geschichte der Bundesrepublik. Nachdem am Mittwoch 1500 Urlauber aus Tunesien, Ägypten, Marokko und Aserbaidschan mit Sondermaschinen nach Deutschland geflogen wurden, starteten zusätzlich von den Philippinen und der Dominikanischen Republik Maschinen mit deutschen Touristen. Zahlreiche Länder haben wegen der rasanten Ausbreitung des Virus Grenzen dicht gemacht und Flugverbindungen gekappt.
Nachschub an Schutzmasken
Der staatlich organisierte Nachschub an Schutzausrüstung für Praxen und Krankenhäuser kommt in Gang. Das Gesundheitsministerium gab zehn Millionen dringend benötigte Atemschutzmasken zur weiteren Verteilung an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Bundesländer. Daneben gingen medizinische Hilfsgüter aus Deutschland an den besonders stark von der Corona-Epidemie betroffenen EU-Partner Italien. Masken, aber auch Schutzanzüge für medizinisches Personal sind derzeit weltweit knapp. Die neuen Lieferungen an Schutzmasken sollen unter anderem an Praxen, Bereitschaftsdienste und Stellen für Testabstriche verteilt werden. Noch sei die Lage bei der Ausrüstung teils kritisch.
Erleichterungen für Pflegeheime
Damit Pflegerinnen und Pfleger mehr Zeit für die Betreuung haben, müssen sie in den kommenen Monaten weniger am Schreibtisch sitzen. Bürokratischer Anforderungen wie der sogenannte Pflege-TÜV zur Qualitätsüberprüfung werden bis zum Herbst ausgesetzt. Vorerst entfallen auch Personalvorgaben, damit Heime den Betrieb aufrechterhalten können, wenn weniger Fachkräfte als vorgesehen kommen können. Hintergrund ist, dass ältere und chronisch kranke Menschen bei einer Ansteckung als besonders gefährdet gelten.
Kitas länger geschlossen
Einige Eltern müssen sich darauf einstellen, ihre Kinder womöglich länger zu Hause zu betreuen als ursprünglich angekündigt. Hamburg weitete die Schließzeit der Kitas am Donnerstag bis zum 19. April aus. In vielen anderen Bundesländern waren von vornherein Schließungen bis nach den Osterferien, meist bis Mitte April geplant, in Hamburg zunächst nur bis zum 29. März.
Prominente Corona-Patienten
Am Donnerstag machten gleich mehrere Prominente ihre Infektion mit dem Coronavirus öffentlich. Fürst Albert II. von Monaco wurde positiv getestet. Um den Gesundheitszustand des 62-Jährigen muss man sich laut Palast aber keine Sorgen machen. Auch der Brexit-Unterhändler der EU, Michel Barnier, berichtete von einem positiven Test, genauso der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir. Beide betonten, es gehe ihnen gut. Genauso Amira Pocher, die Ehefrau von TV-Komiker Oliver Pocher. Man halte sich nun strikt an die Quarantäne-Regeln, betonte das Paar.
Bundesregierung und Länderkammer
Die Länder erwägen eine Sondersitzung des Bundesrats in der kommenden Woche, um Gesetze zur Eindämmung der Corona-Krise schnell auf den Weg zu bringen. Das könnten zum Beispiel milliardenschwere Hilfen sein, die das Kabinett am Montag beschließen will. Für Sonntag ist auch eine Schaltkonferenz Merkels mit den Ministerpräsidenten der Länder geplant. (mss/dpa)
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