- Die Spannungen zwischen Deutschland und dem Iran nehmen immer weiter zu.
- Vor allem der Umgang mit Demonstrierenden, die Rolle Teherans im Ukraine-Krieg und Geheimdienstoperationen in Deutschland lassen es kriseln.
- Iran-Experte Adnan Tabatabai erläutert die Hintergründe und erklärt, was die Bundesregierung nun tun sollte.
Es fröstelt gewaltig in der diplomatischen Beziehung zwischen Berlin und Teheran. Nachdem Deutschland Ende Februar zwei iranische Diplomaten des Landes verwiesen hatte, erklärte Anfang März auch der Iran zwei deutsche Diplomaten als "unerwünschte Personen". Der Schritt der Iraner wird als Vergeltung gewertet. Er sei zu erwarten gewesen, teilte das Auswärtige Amt mit, sei "jedoch aus Sicht der Bundesregierung in keiner Weise gerechtfertigt", sondern "willkürlich".
Anlass für die Ausweisung iranischer Diplomaten war das Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd. Das iranische Regime wirft ihm die Beteiligung an "Terroranschlägen" sowie Spionage vor. Angehörige des 67-Jährigen weisen das klar zurück und sprechen von einer Entführung durch iranische Agenten.
Tiefpunkt der deutsch-iranischen Beziehungen
Der jetzige Vorfall – markiert er den Tiefpunkt der deutsch-iranischen Beziehungen? "Man kann durchaus von einer diplomatischen Krise sprechen", sagt Iran-Experte Adnan Tabatabi. Es habe in den vergangenen Jahren keine Situation gegeben, in der beide Seiten Vertreterinnen und Vertreter der Botschaften zu "Persona non grata" erklärten und sie dann des Landes verwiesen.
"Der Auslöser dieser Krise dafür ist natürlich das Entsetzen in Deutschland über die Menschenrechtsverletzungen während der Demonstrationen und Unruhen, die es im Iran gegeben hat", sagt der Experte.
Im Iran protestieren Bürgerinnen und Bürger inzwischen seit Monaten immer wieder für mehr Freiheit und Demokratie. Auslöser war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Nachdem sie von der Sittenpolizei wegen ihres "unislamischen Outfits" in Gewahrsam genommen worden war, war die junge Frau verstorben.
Iran unterstützt Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine
Eine Rolle spielt aus Sicht des Experten aber auch die iranische Unterstützung Russlands in seinem Krieg gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen. "Das hat in Deutschland und Europa insgesamt für großes Entsetzen gesorgt und zu entsprechend starker Verurteilung geführt", sagt Tabatabai.
Die militärische Unterstützung ist seitens des Irans abgestritten, von Russland aber bereits bestätigt worden. Auch illegale Geheimdienstaktivitäten Irans in Deutschland haben die Spannungen weiter verschärft.
Als Diplomaten getarnte Geheimdienstmitarbeiter und weitere Spione werden in Deutschland mit umfangreichen Ausspähungsaktivitäten in Verbindung gebracht. Dabei soll es zum Beispiel um "(pro-)israelische beziehungsweise (pro-)jüdische Ziele" gehen. Berichten zufolge soll ein Deutsch-Iraner im Verdacht der Sicherheitsbehörden stehen, mehrere Anschläge auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen verübt zu haben.
Kanzler Scholz mit scharfem Tonfall
Entsprechend scharf sind die Worte, die Bundeskanzler
"Wir sehen, dass iranische Drohnen ukrainische Städte angreifen und wie sie töten. All das ist vollkommen inakzeptabel", so Scholz in dem Statement. Er gibt aber selbst zu: "Worte allein reichen nicht." Die EU habe deshalb mehrere Sanktionspakete beschlossen, um Druck auf die Revolutionsgarden und das Regime auszuüben.
Man setze sich auch für das Sammeln von Beweismaterial und die Aufklärung der Verbrechen ein, betonte Scholz. Deutlich im Tonfall spricht er Richtung Teheran: "Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt?"
Atomabkommen mit dem Iran steht auf dem Spiel
Der Iran wiederum übt seit Längerem Kritik an der Sanktionspolitik der EU. "Unruhen, Brandstiftungen und Terroroperationen haben nichts mehr mit friedlichen Protesten zu tun", meinte der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian beispielsweise.
Die Polizeieinsätze gegen die Demonstranten seien "absolut legitim". Die Führung des Landes genieße die Unterstützung des Volkes, behauptete Amirabdollahian. Aus Sicht des Mullah-Regimes werden die Proteste von "ausländischen Feinden" gesteuert.
Ende vergangenen Jahres war bereits ein kompletter Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Gespräch. Dabei steht unter anderem das Wiener Atomabkommen von 2015 auf dem Spiel.
In der Folge befürchten Beobachter auch, dass der Iran sein Atomprogramm wieder hochfährt und sich Möglichkeiten für den Bombenbau schafft. Deutschland war als wichtiger Ansprechpartner des Irans an den Verhandlungen zum Atomabkommen beteiligt, obwohl es keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat.
Deutschland als wichtiger Ansprechpartner
Ein Grund dafür sind auch die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Iran und Deutschland. Diese sind durch US- und EU-Sanktionen allerdings weitestgehend eingebrochen. Deutschland ist der größte europäische Handelspartner des Irans und deshalb immer von großer Bedeutung gewesen, wenn es um die Umsetzung von Sanktionen geht.
Die Politik der Bundesregierung steht allerdings in der Kritik. Das Versprechen der feministischen Außenpolitik sei "nicht umgesetzt" meinen manche, der Kanzler zu "handzahm", der Regierung fehle insgesamt "der Wille zu einer anderen Politik gegenüber Iran". Kritik aus der Opposition, Bundesregierung und EU handelten nicht entschlossen genug, wies Außenministerin Annalena Baerbock in der Vergangenheit bereits zurück.
Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen?
Besonders die Angehörigen des zum Tode verurteilten Sharmahd fordern die Bundesregierung zum Eingreifen auf. CDU-Politiker Friedrich Merz hat die "Patenschaft" des Deutsch-Iraners übernommen. Bei "Markus Lanz" forderte er im Falle der Vollstreckung der Todesstrafe einen Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen.
Aus Sicht von Experte Tabatabai ist die Bundesregierung zwar nicht handzahm, müsste aber trotzdem mehr tun. "Die Außenministerin, der Bundeskanzler, verschiedene Bundestagsabgeordnete und sogar der Bundespräsident finden deutliche Worte", beobachtet er. Es fehle aber eine Politik, die die Bevölkerung des Irans unterstütze – und sich nicht ausschließlich auf die Verurteilung des Staates reduziert.
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"Es wäre wichtig, zu überlegen, wie man die Solidarität, die man mit der iranischen Bevölkerung hat, tatsächlich in eine Politik umwandeln kann, die der Bevölkerung auch wirklich zugutekommt", erklärt Tabatabai. Dafür dürfte man sich nicht nur mit Symbolpolitik und Sanktionen gegen den Staat richten, sondern brauche eine Politik, die Wege findet, die Probleme der Bevölkerung zu verringern.
Ein kompletter Abbruch der diplomatischen Beziehungen erscheint vor diesem Hintergrund auch nicht sinnvoll: Die wenigen Einflussmöglichkeiten, die man hat, wären dann auch genommen.
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