• Kurswechsel in der Corona-Politik in Deutschland.
  • Künftig sollen Beschränkungen nicht mehr allein von der Inzidenz abhängig sein.
  • Gleichzeitig steigt der Druck auf Menschen ohne Impfung.

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Der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 als zentrales Kriterium im Infektionsschutzgesetz zu streichen, stößt bei der Regierungskoalition auf Wohlwollen. Mehr noch: Nicht nur dieser Grenzwert, auch weitere sollen künftig wegfallen, das Infektionsschutzgesetz dementsprechend geändert werden.

Das Corona-Kabinett mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Fachministerinnen und -ministern habe am Montag erstmals seit der Sommerpause wieder getagt und man sei sich einig, dass Spahn zügig einen entsprechenden Vorschlag machen und das Bundeskabinett diesen dann beschließen solle, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Den genauen Zeitplan ließen Seibert und ein Sprecher Spahns vorerst offen.

Menschen, die gegen Corona geimpft oder die genesen sind, müssen nach dem jetzigen Stand dabei keine gravierenden Einschränkungen mehr fürchten. "Man kann den Geimpften sagen, dass sich für sie, auch wenn jetzt die Zahlen weiter ansteigen, nichts ändern wird, und das gilt auch für die Genesenen: Sie müssen jetzt nicht mit neuen Einschränkungen rechnen", sagte Seibert. Noch könne allerdings nicht vorhergesehen werden, ob eine neue Virus-Variante auftauche, bei der die bisherigen Impfstoffe nicht wirkten.

Christine Lambrecht: "Wir brauchen diese Inzidenzzahl nicht"

Derzeit schreibt das Infektionsschutzgesetz vor, dass bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind.

"Wir brauchen diese Inzidenzzahl nicht", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montag im TV-Sender von "Bild". Zur Begründung sagte sie, der Richtwert sei entstanden, als die Infektionszahlen noch höher waren und es nicht genug Impfstoff gegeben habe. Stattdessen seien nun die Impfquote relevant, die Lage im Gesundheitswesen und der Anstieg der Infektionszahlen. Dies sei auch bei der letzten Ministerpräsidentenrunde beschlossen worden.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich begrüßte die Ankündigung Spahns. Dessen "Einlenken in der Frage ist längst überfällig", sagte Mützenich der "Bild". Er betonte: "Wir brauchen rechtliche Klarheit. Damit kommt hoffentlich auch ein bisschen Ordnung in das leidige Chaos, das die Union bei dem Thema verursacht hat."

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Jens Spahn: "Die 50er-Inzidenz im Gesetz hat ausgedient"

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) sprach sich bei "Bild TV" ebenfalls für eine schnelle Abkehr von der 50er-Inzidenz aus. "Wir haben gelernt: Die Inzidenz alleine ist nicht mehr aussagekräftig", sagte er. Der Wert habe für eine ungeimpfte Bevölkerung gegolten.

Zuvor hatte Spahn im ZDF-"Morgenmagazin" erklärt: "Die 50er-Inzidenz im Gesetz hat ausgedient". Er forderte, als Orientierung bei der Regelung von Corona-Maßnahmen die Hospitalisierungsrate zu verwenden.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums liegt die Hospitalisierungsquote derzeit bei 1,3 pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie habe sie in Deutschland bei über zehn gelegen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Grundlegende Änderung in der Corona-Politik der Bundesregierung

Spahn hatte angekündigt, noch vor der Bundestagswahl einen entsprechenden Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorzulegen. Laut "Bild" und der Nachrichtenagentur Reuters habe das Corona-Kabinett der Bundesregierung die Streichung jeglicher Inzidenz-Schwellenwerte bereits beschlossen. Zudem habe sich die Runde darauf verständigt, dass die Hospitalisierung künftig der neue wesentliche Indikator für die Belastung des Gesundheitssystems sein soll.

Der Bundestag muss nun dem Kabinettsvorschlag zustimmen, der die Corona-Politik der letzten Monate grundlegend ändert. Eine erste Lesung dazu findet bereits am Mittwoch statt.

Die anvisierte Abkehr vom Inzidenzwert als Kriterium für Pandemiebeschränkungen könnte praktische Folgen für den Alltag haben: Der Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden im Kampf gegen die Pandemie neue Beschränkungen erlassen, könnte sich dadurch nach hinten verschieben. Im aktuellen Infektionsschutzgesetz sind besondere Maßnahmen ab einer Inzidenz 50 auf regionaler Ebene vorgesehen. Ab dem Wert 100 greifen bundeseinheitliche Regeln. (dpa/afp/mf)

Jens Spahn

Spahn will Messwert von 50er-Inzidenz aus Gesetz streichen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Corona-Inzidenzwert von 50 als Maßstab aus dem Infektionsschutzgesetz streichen. Spahn hat auch bereits einen neuen Richtwert im Auge. (Teaserbild: imago images/Eibner)
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