Der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt in den USA ruft weltweit Wut und Trauer hervor - und ist der Auslöser für große Proteste, auch in Deutschland. Doch an den Demonstrationen gibt es auch Kritik.
Hunderttausende Menschen haben am Wochenende weltweit gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Auch in Deutschland gingen die Menschen in zahlreichen Städten auf die Straße.
In München kamen mit rund 25.000 Teilnehmern besonders viele zusammen. Auslöser war der Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai.
Weil der wegen der Corona-Pandemie geltende Mindestabstand aber nicht in allen deutschen Städten eingehalten wurde, gab es Kritik an den Demonstrationen. Gesundheitsminister
"Der Kampf gegen Rassismus braucht unser gemeinsames Engagement", schrieb Spahn auf Twitter. "Doch dicht gedrängte Menschenmengen mitten in der Pandemie besorgen mich." Auch bei wichtigen Anliegen gelte: "Abstand halten, Alltagsmaske tragen, aufeinander acht geben."
Über die Ansteckungsgefahr in Gruppen, die im Freien zusammenkommen, ist bislang wenig bekannt. Einen Einfluss könnte der Lärm bei Demos haben.
Wie feucht die Aussprache ist, hänge unter anderem von der Lautstärke beim Sprechen ab, hatte die Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann vom Helmholtz Zentrum München kürzlich erläutert. Prinzipiell ist die Ansteckungsgefahr aber draußen wesentlich geringer als in Innenräumen.
Werden Corona-Maßnahmen dem guten Zweck untergeordnet?
Auch in der Hauptstadt wurde protestiert. Auf dem Berliner Alexanderplatz kamen am Samstag rund 15.000 Teilnehmer zusammen. Kritiker sagen, dass die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus dem guten Zweck untergeordnet wurde. So etwa Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Der konservative Landeschef schrieb auf Twitter in Richtung des SPD-Innensenators Andreas Geisel. Er wollte von ihm wissen, ob die "Abstandsregeln heute ausgesetzt sind": "Das bekommen sie mit schwachen Corona-Regeln und ohne Unterstützung von Bund und Ländern dauerhaft nicht in den Griff! (Hauptsache wir tragen beim Friseur alle eine Maske)."
Die FDP in Person von Marcel Luthe äußerte ebenfalls Kritik. "Mit dieser Versammlung hat der Senat endgültig bewiesen, dass es sich bei den sogenannten 'notwendigen Maßnahmen' seiner Corona-Verordnung nicht um Notwendigkeiten, sondern mittlerweile schlichte Willkür handeln muss", schrieb der innenpolitische Sprecher auf Facebook.
Und weiter: "Wie will man angesichts derartiger Massenansammlungen die Notwendigkeit massiver Grundrechtseingriffe in der persönlichen Lebensführung noch rechtfertigen?"
Lob und Tadel für Demonstranten von AKK
CDU-Chefin
"Ich finde es auf der einen Seite ein gutes und ein wichtiges und auch ein ermutigendes Signal, dass so viele Menschen in Deutschland gegen Rassismus auch auf die Straße gegangen sind", sagte Kramp-Karrenbauer. "Es wird noch ermutigender, wenn jeder von uns den Kampf gegen Rassismus auch persönlich sehr ernst nimmt." Jeder solle sich selbstkritisch hinterfragen, wie es mit dem Thema Alltagsrassismus auch in Deutschland bestellt sei. Hier könne jeder Einzelne seinen Beitrag zum Kampf gegen den Rassismus leisten.
Es dürfe aber nicht sein, dass wegen der Demonstrationen die Anstrengungen für einen geordneten Schulbetrieb oder die Wiederaufnahme der Kinderbetreuung zunichte gemacht würden, warnte die CDU-Chefin. "Die, die auf die Straße gegangen sind, sie zeigen einen besonderen Bürgersinn. Aber dieser Bürgersinn muss eben auch mit Blick auf Corona gelten." Die Corona-Regeln zum Tragen von Masken und zum Abstandhalten "gelten für alle, denn sie schützen diejenigen, diesen Schutz besonders brauche: Ältere, Schwächere, Kränkere".
Kühnert verteidigt Proteste
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende
Großdemos wie am Wochenende seien im Moment "sicherlich nicht ohne", Menschen müssten aber ihre Meinung sagen können. Kühnert mahnte aber auch, sich an die Regeln zu halten. Sonst bekämen jene Aufwind, denen Demonstrationen, insbesondere gegen Rassismus, ohnehin ein Dorn im Auge seien.
Kühnert wies zugleich Forderungen zurück, man müsse auch Konzerte wieder erlauben, wenn Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern möglich seien.
Das Demonstrationsrecht sei ein Grundrecht. "Konzerte sind mir persönlich auch wichtig, aber wir werden wahrscheinlich schnell einig sein in unserer Gesellschaft, dass die nicht ganz so integral zum öffentlichen Leben dazugehören und dass man darüber in der Regel auch nicht so sehr seine Meinung ausdrückt", sagte der Juso-Vorsitzende.
Zwei Polizisten in Hamburg verletzt
Wie bereits in der vergangenen Wochen wurde die durch die Anmelder erwartete Zahl der teilnehmenden Demonstranten deutlich übertroffen. Für die Veranstaltung in München seien lediglich 200 Menschen angemeldet gewesen, teilte die Polizei mit.
Dennoch verliefen die Demonstrationen weitgehend friedlich. Einige Vorfälle gab es aber: In Hamburg wurden zwei Beamte verletzt, wie die Polizei bekannt gab. In Berlin wurden nach Polizeiangaben aus einer größeren Gruppe heraus Steine und Flaschen auf Polizisten und Passanten geworfen.
Demnach wurden 93 Menschen festgenommen und 28 Polizisten leicht verletzt. Auch in Stuttgart gab es mehrere Zwischenfälle. (msc/dpa)
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