Bayerns Ministerpräsident Söder bestimmt bundesweit die Diskussion über Maßnahmen gegen das Coronavirus. Sein entschiedener Kurs kommt in der Bevölkerung an. Wäre eine Kanzlerkandidatur ein konsequenter Schritt?
Maskenpflicht, Oktoberfest-Absage, Impfpflicht: In der Coronakrise vergeht kaum ein Tag, an dem
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef steht für eine harte Linie im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. "Bayern war und ist vorsichtiger als andere Bundesländer", sagte er Anfang der Woche im Landtag. Sein Kurs kommt an – zumindest in großen Teilen der Medien und der Bevölkerung, selbst im Ausland. Die Pandemie mache Söder zum "populärsten Politiker, den die Bundesrepublik je hatte", heißt es zum Beispiel in der "Neuen Zürcher Zeitung".
"Söder erscheint seriös, vertrauenswürdig, verantwortungsvoll"
Wie ist dieser Höhenflug zu erklären? Zunächst hätten die Unionsparteien CDU und CSU bei der aktuellen Thematik einen "Kompetenzbonus", sagt Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sicherheit ist etwas, worin die Union aus Sicht vieler Wähler gut ist."
Für Söder komme der Amtsbonus hinzu, den er als Ministerpräsident besitzt: "Er trifft Entscheidungen, statt nur darüber zu reden." Den Bundesländern kommt in der Bekämpfung des Virus eine wichtige Rolle zu, weil der Bund viele Maßnahmen offiziell gar nicht anordnen kann.
Söder galt während seiner Karriere stets als Ehrgeizling.
Kritik vom Weltärztepräsident
In der bayerischen Landespolitik regt sich inzwischen allerdings auch verhaltene Kritik. Die FDP wirft der Landesregierung einen Schlingerkurs vor – erst habe sie eine Maskenpflicht abgelehnt, sie dann schließlich doch befürwortet. Die SPD spricht sogar von "Taschenspielertricks", weil Bayern ein eigenes Unterstützungsprogramm für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen eingestellt habe und diese für Hilfe nun an den Bund verweise.
Hinzu kommt: Der Freistaat ist dem Robert-Koch-Institut zufolge seit Wochen das Bundesland mit den meisten COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohner. München zählt etwa deutlich mehr Fälle als die größeren Städte Berlin und Hamburg. Die Erklärung lautet in der Regel, dass viele Bayern im Februar und März in Corona-Hot-Spots wie Ischgl und Südtirol Urlaub gemacht und das Virus von dort mitgebracht haben. Im Landkreis Tirschenreuth – wo es im Verhältnis zur Einwohnerzahl noch mehr Fälle gibt als im Kreis Heinsberg – hat offenbar ein Starkbierfest zur schnellen Ausbreitung beigetragen.
Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärzteverbundes kritisierte in einem Interview mit dem "Münchner Merkur", dass Söders harter Kurs sich in der Bekämpfung des Virus nicht auszahle: Bayern stehe bei Infektionszahlen und Sterbequote von allen Bundesländern am schlechtesten da. "Wir brauchen Vernunft, keine dramatischen Aktionen", so Montgomery.
In Bayern 94 Prozent Zustimmung
Allerdings sehen das viele Wählerinnen und Wähler offenbar anders: Laut einer Umfrage des "Bayerischen Rundfunks" sind 94 Prozent der Bayern mit dem Krisenmanagement Söders zufrieden. In einer YouGov-Umfrage sprachen sich 27 Prozent der Befragten dafür aus, dass er 2021 als Kanzlerkandidat der Unionsparteien antritt – damit lag Söder deutlich vor den Bewerbern um den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen.
Schon jetzt ist Söder auf der Bundesebene sehr präsent: Als Bundeskanzlerin
Umfragewerte "nicht in Stein gemeißelt"
Eine Kanzlerkandidatur würde da nur logisch erscheinen. Werner Weidenfeld glaubt allerdings nicht, dass dieser Schritt kommen wird: "Ich denke, dass Söder klug genug ist, nicht als Kanzlerkandidat für die Union anzutreten." Das könne schiefgehen, wie zwei von Söders Amtsvorgängern gezeigt hätten: Sowohl Franz-Josef Strauß 1980 als auch Edmund Stoiber 2002 wollten als populäre Ministerpräsidenten von der Münchner Staatskanzlei ins Kanzleramt wechseln – beide verloren ihre Bundestagswahlen.
Politikwissenschaftler Weidenfeld gibt zu bedenken, dass die sehr hohen Zustimmungswerte "nicht in Stein gemeißelt" seien: "Sie können in einiger Zeit schon wieder anders aussehen, wenn sich andere Themen in den Vordergrund schieben und wenn die Konzentration auf die Entscheidungsträger abnimmt." Das habe man in den vergangenen Monaten am Stimmungshoch der Grünen gesehen: "Seit der Klimaschutz thematisch nicht mehr so eine große Rolle spielt, sinken auch ihre Umfragewerte."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Werner Weidenfeld, Direktor Centrum für angewandte Politikforschung
- Focus.de: "Taschenspielertricks": SPD attackiert Söder wegen Corona-Hilfen in Bayern
- Merkur.de: Weltärztepräsident urteilt heftig über Söders Politik: "Bayern steht am schlechtesten da"
- NZZ.ch: Überlebensgroß Herr Söder
- Robert-Koch-Institut: Covid-19-Dashboard
- Süddeutsche Zeitung 21. April 2020: Mund zu
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