Was wird aus Annalena Baerbock, wenn die Grünen die Regierung verlassen? Die jetzige Bundesaußenministerin könnte Fraktionsvorsitzende werden – doch die Amtsinhaberinnen wollen offenbar nicht so einfach weichen. Status: Es ist kompliziert.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Für die Grünen steht ein Rollenwechsel bevor. Drei Jahre lang haben sie regiert, haben Bundesminister und Staatssekretärinnen gestellt. Der nächsten Bundesregierung wird die Partei aber höchstwahrscheinlich nicht angehören. Und so gilt es nun, viele ehrgeizige Politiker auf den wenigen Posten unterzubringen, die eine Oppositionspartei zu verteilen hat.

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Die Parteivorsitzenden Felix Banaszak und Franziska Brantner sind erst im Herbst für zwei Jahre gewählt worden und werden wohl im Amt bleiben. Doch darüber hinaus deutet sich ein Machtgerangel an. Noch-Vizekanzler Robert Habeck will für seine Partei zwar keinen führenden Posten mehr einnehmen. Noch-Außenminister Annalena Baerbock dagegen lässt bisher offen, ob sie eine von zwei Vorsitzenden der Bundestagsfraktion werden will. Man werde das "in Ruhe in den Gremien besprechen" sagte sie am Montag.

Erste Rufe nach Baerbock

Kein Ja und kein Nein also – das lässt sich in der Politiksprache so deuten, dass Baerbock Interesse an dem Posten hat. Auch erste Unterstützer haben sich zu Wort gemeldet. Die Zweite Bürgermeisterin von Hamburg, Katharina Fegebank, wünscht sich Baerbock als Fraktionschefin im Bund. Katharina Schulze, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern, blieb im Interview unserer Redaktion etwas vager: "Solch eine versierte Frau an der Spitze zu haben, ist super, gerade auch in der momentanen Zeit."

Baerbock polarisiert zwar, aber sie ist neben Habeck auch die bekannteste Politikerin der Grünen. Für die Sichtbarkeit der künftigen Oppositionspartei wäre es von Vorteil, wenn sie einen herausgehobenen Posten bekommt. Sie will bis zur Übernahme der neuen Bundesregierung noch Außenministerin bleiben – danach aber könnte sie auf den Fraktionsvorsitz wechseln.

Fraktionsvorsitzende wollen weitermachen

Allerdings müsste Baerbock in diesem Fall eine der beiden Fraktionsvorsitzenden verdrängen. Die Grünen-Fraktion hat traditionell zwei Chefs beziehungsweise Chefinnen: einen vom linken Parteiflügel und einen Realo. Katharina Dröge als amtierende Fraktionsvorsitzende vom linken Flügel dürfte damit sicher sein. Anders sieht das bei ihrer Kollegin Britta Haßelmann aus: Sie ist Reala, so wie Baerbock. Sie müsste also Platz machen, wenn Baerbock Fraktionsvorsitzende wird. Dröge und Haßelmann sind am Mittwoch zwar in ihren Ämtern bestätigt worden. Allerdings nur vorübergehend.

Haßelmann will offenbar nicht einfach weichen. Am Dienstag sagte sie im Bundestag, sie übe das Amt sehr gerne aus und bringe die nötige Erfahrung mit. Daraus lässt sich schließen: Sie will weitermachen.

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Wer wird Bundestagsvizepräsidentin?

Erfahrung bringt Haßelmann in der Tat mit: Sie ist bereits seit 20 Jahren Mitglied des Bundestags. Das würde sie auch für ein anderes Amt qualifizieren: einen Posten als Vizepräsidentin des Parlaments. Er könnte Haßelmann einen Verzicht auf den Vorsitz der Fraktion wohl schmackhaft machen. Allerdings haben die Grünen in der vergangenen Wahlperiode Katrin Göring-Eckardt ins Bundestagspräsidium geschickt. Und die will dort gerne weitermachen, wie sie der "Thüringer Allgemeinen" (Bezahlinhalt) sagte.

Göring-Eckardt kann ebenfalls gute Gründe für sich anführen: Sie ist eine der wenigen prominenten Grünen-Politiker mit ostdeutscher Biografie, ist bundesweit bekannt – und musste schon 2021 zurückstecken, als die Grünen die Bundesministerposten verteilten.

Und dann sind da auch noch die früheren Parteichefs: Ricarda Lang und Omid Nouripour. Dem "Tagesspiegel" (Bezahlinhalt) zufolge ist auch Nouripour als Bundestagsvizepräsident im Gespräch. In der Partei sieht man das mögliche Gerangel auch positiv: Lieber zu viele Kandidatinnen und Kandidaten für die wichtigen Posten als zu wenige, heißt es.

Allerdings ziehen solche Wettbewerbe häufig persönliche Verletzungen und Enttäuschungen nach sich. Auch die Auseinandersetzungen zwischen den Parteiflügeln könnten noch einmal zunehmen. Das kann eine Partei, die sich neu aufstellen muss, besonders schlecht gebrauchen.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz mit Annalena Baerbock und Robert Habeck
  • Pressekonferenz mit Katharina Dröge und Britta Haßelmann
  • thueringer-allgemeine.de: Trotz 3,1 Prozent bei Bundestagswahl: Göring-Eckardt will Spitzenposten
  • tagesspiegel.de: Gegenwind für Baerbock: Den Grünen droht ein Machtkampf