Kaum ist Donald Trump als US-Präsident vereidigt worden, nehmen US-Digitalkonzerne das EU-Gesetz für digitale Dienste in den Blick. Der Vorwurf: Zensur. Was steht wirklich in dem Gesetz?
Mit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident haben US-Digitalkonzerne das EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) ins Visier genommen: Der Milliardär
Warum ist das keine "Zensur"?
Das Gesetz schreibt Plattformen wie Facebook, Instagram und X zwar vor, "illegale Inhalte" zu löschen. Brüssel legt aber nicht fest, was im Netz erlaubt ist und was nicht. Maßgeblich sind stattdessen die Gesetze der 27 EU-Mitgliedstaaten - so ist etwa in Deutschland das Verbreiten von Nazi-Propaganda verboten. Das Gleiche gilt für öffentliche Gewaltaufrufe oder Darstellungen sexueller Gewalt.
Welche Rolle spielen unabhängige Faktenchecks?
Das EU-Gesetz soll sicherstellen, dass verbotene Inhalte tatsächlich aus dem Netz gelöscht werden, und nimmt dafür erstmals die Plattformen selbst in die Pflicht. Wie sie den Anforderungen nachkommen, ist aber den Unternehmen selbst überlassen.
Faktenchecks durch Dritte sind deshalb nicht rechtlich vorgeschrieben, sondern nur eine Möglichkeit unter vielen. Sollte etwa Meta-Chef Mark Zuckerberg die Faktenchecks nach den USA auch in der EU abschaffen, wäre das kein unmittelbarer Verstoß gegen das Gesetz.
Was gilt im Wahlkampf?
Die Unternehmen sollen dafür sorgen, dass ihre Online-Dienste nicht für Wahlmanipulation genutzt werden. Dabei geht es etwa um Algorithmen, die bestimmte Inhalte häufiger anzeigen und so die öffentliche Meinung beeinflussen können. So wirft die EU-Kommission der Videoplattform Tiktok vor, in Rumänien den rechtsextremen, pro-russischen Kandidaten Calin Georgescu bevorzugt zu haben. Brüssel vermutet, dass die Plattform damit die inzwischen annullierten Präsidentschaftswahlen Ende November beeinträchtigt hat.
Ein solcher Vorwurf sei rechtlich allerdings "sehr schwierig zu beweisen", warnt Alexandre de Streel von der Denkfabrik Centre on Regulation in Europe (Zentrum für Regulierung in Europa, CERRE). Ob die Ermittlungen der Kommission in diesem Zusammenhang mit einer Strafe für Tiktok enden, ist deshalb fraglich.
Sind die Plattformen zur Neutralität verpflichtet?
Nein, so weit geht das Gesetz nicht. Verboten ist nur eine gezielte Manipulation über die Algorithmen. Anders als etwa öffentlich-rechtliche Fernsehsender müssen Online-Plattformen deshalb nicht alle politischen Parteien gleich behandeln. Heißt: Nur weil Elon Musk auf seiner Plattform X ein Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel geführt hat, muss er nicht auch die anderen Parteien einladen.
Wie setzt die EU-Kommission die Regeln durch?
Bei Verstößen gegen das Gesetz für digitale Dienste drohen den Unternehmen Strafen in Höhe von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Für den Konzern Meta mit seinen Plattformen Facebook, Instagram und Threads wären das gemessen am Umsatz des Jahres 2023 mehr als acht Milliarden Euro.
Kann Brüssel eine Plattform verbieten?
Nicht im Alleingang. Nur wenn alle anderen Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, kann die EU-Kommission beantragen, eine Plattform für einen begrenzten Zeitraum zu sperren. Die Entscheidung darüber läge anschließend bei den Gerichten des betroffenen Landes. Die rechtlichen Hürden für einen solchen Schritt sind allerdings sehr hoch.
Wem drohen bereits Strafen?
Bislang hat die EU-Kommission noch keine Bußgelder unter dem Gesetz für digitale Dienste verhängt. Gegen die Plattformen Facebook, Instagram, Tiktok und X laufen Ermittlungen, unter anderem wegen der Verbreitung illegaler Inhalte.
Einen Stichtag gibt es in Brüssel nicht, die technischen Ermittlungen dauern an. Beobachter vermuten zudem, dass die Kommission insbesondere Verfahren gegen US-Unternehmen nach Trumps Amtsantritt auf die lange Bank schieben könnte. Enden die Ermittlungen mit einer Strafe, dürften die Unternehmen zudem vor Gericht ziehen. (afp/ bearbeitet von ras)
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