Das Ende der Assad-Diktatur führt auch in Deutschland zu Diskussionen. CDU und CSU erwarten eine schnelle Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat. Die Grünen halten Debatten über Abschiebungen dagegen für zu früh.

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Bilder aus Syrien gehen um die Welt: Der Machthaber Baschar al-Assad ist geflohen, das diktatorische Regime seiner Familie ist damit nach mehr als 50 Jahren Geschichte. Auch in Deutschland hat die Diskussion über mögliche Folgen begonnen.

Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, hatte in der "Rheinischen Post" den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge gefordert. "Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt", sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch "die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland".

Rund eine Million Syrer in Deutschland

Dem Mediendienst Integration zufolge stellen Syrerinnen und Syrer seit 2014 die größte Gruppe unter den Asylbewerbern in Deutschland. Demzufolge befinden sich derzeit etwa eine Million syrische Staatsbürgerinnen und Staasbürger im Land. Etwa zwei Drittel von ihnen haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis.

Bei einer nachhaltigen Verbesserung der Lage erwartet CSU-Politikerin Lindholz, dass zunächst Menschen nach Syrien zurückkehren müssen, die sich nicht gut integriert haben. "Diejenigen, die bei uns sehr gut integriert sind und entsprechende Aufenthaltstitel haben, vielleicht auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben, sind davon nicht betroffen", sagte sie in der ARD.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert einen Plan für eine Rückführung syrischer Flüchtlinge. "Es muss sogar überlegt werden, wie eine stärkere Rückführung in die syrische Heimat vieler Menschen möglich ist", sagte Söder am Montag im Anschluss an eine Vorstandssitzung der CSU in München. Er habe nach dem Umsturz am Wochenende viele Stimmen syrischer Flüchtlinge gehört, die wieder zurück wollen. "Dies sollte man unterstützen".

Er begrüßte dabei auch die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Asylanträge von Syrern nun zurückzustellen. "Das ist eine richtige Entscheidung." Der Grund, Syrien zu verlassen, sei mit dem Ende der Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad weggefallen.

Die Grünen kritisieren dagegen, dass bereits kurz nach dem Sturz von Assad über diese Themen diskudtiert wird. "Es ist vollkommen unklar, wie es jetzt in Syrien weitergeht", sagte der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Überlegungen, nach dem Sturz von Assad unsere Migrationspolitik zu verändern und härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz."

Der demokratische Prozess müsse nun mit aller Kraft vorangebracht werden, fuhr Hofreiter fort. Zuallererst müssten dabei die Rechte von Minderheiten in Syrien sichergestellt sein. Seine Fraktionskollegin Lamya Kaddor sagte in der ARD, es gehe jetzt noch nicht darum, direkt die Frage nach Abschiebungen und Rückkehr zu stellen, sondern darum, das Land zu stabilisieren.

Migrationsforscher Knaus: Stabilisierung Syriens muss "absoluten Vorrang" haben

Noch sind verschiedene Entwicklungen denkbar. Möglich ist, dass viele Syrerinnen und Syrer, die einst vor dem Assad-Regime geflohen sind, nun in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Allerdings ist unklar, wer nun in Damaskus die Macht übernimmt: Werden nun die Menschen aus dem Land fliehen, die Assad nahestanden? Oder drohen neue Kämpfe um die Macht im Land zwischen rivalisierenden Gruppen?

Der CDU-Politiker Armin Laschet ist skeptisch, ob es für das Land nun wirklich aufwärts geht. "Ich wünsche alles irgendwie Gute für das syrische Volk", sagte der frühere Kanzlerkandidat der Union in der ARD-Sendung "Caren Miosga". "Aber zu sagen, jetzt gibt's in Syrien sicher eine gute Zukunft, die Russen sind geschlagen und der Assad ist weg, da würde ich vor warnen."

"Mittelfristig – sollte Stabilität hergestellt werden – könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein."

Gerald Knaus, Migrationsforscher

Der Migrationsforscher Gerald Knaus wiederum sieht die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingssituation. Eine sofortige "Massenrückkehr" nach Syrien hält er zwar für sehr unwahrscheinlich. Die Gefahr von Chaos sei groß, sagte er dem "Stern" (Bezahlinhalt). "Es gibt in Syrien viele ungelöste Konflikte, einen zerfallenen Staat, Nachbarn mit eigenen Interessen."

Allerdings sagt Knaus auch: "Mittelfristig – sollte Stabilität hergestellt werden – könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein."

Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben nach Einschätzung von Knaus sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. "Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen", glaubt er.

Knaus' Angaben zufolge könnten sich die Entwicklungen in Syrien auch auf die Politik in Deutschland auswirken. "Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern", sagte Knaus. "Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben – der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich." Daher müsse das Thema der Stabilisierung Syriens "absoluten Vorrang" haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angehe. (fab/afp)

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