Vor mehr als drei Monaten zog er sich überraschend völlig aus der Politik zurück. Jetzt tritt Kevin Kühnert doch noch einmal ans Rednerpult im Bundestag – mit dringlichen Worten.

Mehr News zur Innenpolitik

Es kann wohl als der Auftritt des Tages bezeichnet werden: Kevin Kühnert ist rund drei Monate nach seinem Rückzug aus der Politik noch einmal ans Rednerpult im Bundestag getreten. Es war seine vorerst letzte Rede im Plenum. Denn Kühnert kündigte bereits an, bei der anstehenden Bundestagswahl nicht erneut zu kandidieren.

Zudem war die Rede sein erster öffentlicher Auftritt seit seinem Rücktritt als SPD-Generalsekretär. Ende Januar war Kühnert aber überraschend auch zu einer Fraktionssitzung im Bundestag erschienen – nach dem Eklat im Bundestag um Abstimmungen der Union gemeinsam mit der AfD.

Kühnerts Redezeit gegen Ende der Debatte zur Lage der Nation war auf drei Minuten angesetzt. "Die Zeit ist knapp bemessen, deshalb muss ich mich beeilen, weil mir jedes einzelne Wort sehr am Herzen liegt", so der ehemalige Generalsekretär der SPD zu Beginn seiner Rede.

Bundeskanzler Olaf Scholz mit Kevin Kühnert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) freut sich sichtlich über Kevin Kühnerts Auftritt im Bundestag. © picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Er stehe nicht im Wahlkampf, deshalb spreche er hier ganz grundsätzlich, machte Kühnert deutlich. "Und zwar zu dem, was mir seit 20 Jahren als deutscher Sozialdemokrat das Grundsätzlichste ist: die Verantwortung vor unserer Geschichte."

Dieses Thema sei insbesondere seit zwei Wochen großes Thema in der Republik, so Kühnert in Anlehnung an die hitzigen Debatten rund um die gemeinsamen Abstimmungen der Union mit der AfD an. Anders als bei anderen Rednerinnen und Rednern im Bundestag war es bei ihm still im Plenum.

Kühnert verurteilt Angriffe auf Parteibüros von Union und FDP

Zwar attackierte Kühnert CDU-Chef Friedrich Merz grundsätzlich und mahnte dessen Inkaufnahme von AfD-Stimmen an. Trotzdem verurteilte der Ex-Generalsekretär die infolgedessen erfolgten Übergriffe auf Parteibüros der Unionsparteien und der FDP.

Dass der Publizist Michel Friedmann wegen dieser Inkaufnahme von AfD-Stimmen vor rund zwei Wochen nach 40 Jahren aus der CDU ausgetreten ist und das Vorgehen als "katastrophale Zäsur" beschrieb, hätte früher noch etwas ausgelöst in der CDU, sagte Kühnert. "Heute wird der Störenfried angestrengt ignoriert." Bei Merz und der Union sehe er das Muster "Opportunität sticht die Integrität".

Britta Haßelmann (Grüne) umarmt Kevin Kühnert
Britta Haßelmann (Grüne) umarmt Kevin Kühnert nach seiner letzten Rede im Bundestag. © picture alliance/dpa/Sarah Knorr

Kühnert war vor etwas mehr als sieben Jahren in die Bundespolitik eingetreten. 2017 wurde er zum Juso-Bundesvorsitzenden gewählt. Die Jusos hatten 2019 einen entscheidenden Anteil am Sieg von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Rennen um die Parteispitze; Kühnert wurde stellvertretender Parteivorsitzender.

Er wird auch von konservativen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hochgeschätzt, gilt selbst allerdings als Parteilinker. Nach dem Wahlsieg der SPD 2021 machten die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil Kühnert zum Generalsekretär.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Überraschender Rückzug im Oktober

Kühnert hatte sich im Oktober vergangenen Jahres überraschend aus dem Politikbetrieb zurückgezogen und sein Amt niedergelegt. Er kandidiert auch nicht bei der Bundestagswahl. "Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin", hatte er damals mitgeteilt.

Die Energie, die für sein Amt und einen Wahlkampf nötig sei, brauche er auf absehbare Zeit, um gesund zu werden, schrieb der 35-Jährige damals in einem Brief an Parteimitglieder und Öffentlichkeit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) handelt es sich nicht um körperliche, sondern um mentale Probleme. Die SPD hat damit eines ihrer bekanntesten Gesichter und größten Talente verloren.

Klingbeil über Kühnert: "Der ist immer noch hochpolitisch"

Im Januar wurde SPD-Chef Klingbeil bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wismar auf Kühnerts Befinden angesprochen: "Wir haben gestern ein bisschen uns ausgetauscht über das Ergebnis der US-Wahlen und da merkt man schon, der ist immer noch hochpolitisch", sagte er.

"Kevin geht es – man sagt immer – den Umständen entsprechend", sagte Klingbeil, der nach eigenen Angaben mit Kühnert befreundet ist. Ihm gehe es nach seinem Eindruck "vernünftig". "Und ich achte auch darauf, dass es dem weiter vernünftig geht, egal ob Wahlkampfstress ist oder nicht."

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.