Nach der Messerattacke von Aschaffenburg strebt Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz eine Wende in der Migrationspolitik an. Dafür wirbt der Oppositionsführer um die Unterstützung der Regierungsparteien. Von der AfD grenzt er sich dabei klar ab.
Unionskanzlerkandidat
Merz sucht eine Einigung mit den früheren Ampel-Parteien SPD, Grünen und FDP. Aus Sicht von SPD und Grünen verstoßen seine Pläne aber gegen Europarecht und Verfassungsrecht. Ob die Anträge eine Mehrheit finden, ist also mehr als unklar. In den Anträgen wird die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen umzusetzen. Selbst ein Mehrheitsbeschluss wäre aber kurz vor dem Ende der Legislaturperiode nicht mehr als ein politisches Signal. Merz kündigte allerdings auch einen Gesetzentwurf an.
Scharfe Kritik an Friedrich Merz
Merz hatte nach der Messerattacke von Aschaffenburg mit zwei Toten bereits angekündigt, in der anstehenden Woche in den Bundestag Anträge zur Migration einzubringen. "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt", hatte Merz betont. SPD und Grüne zweifeln nun an der Verlässlichkeit von Merz, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten.
Grünen-Kanzlerkandidat
SPD-Chefin
Was in den Unions-Anträgen steht
"Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährdet die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Staat", heißt es im Unions-Antrag zur Umsetzung des Fünf-Punkte-Plans. Die Politik der vergangenen Jahre habe es versäumt, Kontrolle über die Migration zurückzugewinnen und zu erhalten.
Konkret fordert die Union dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise. Es gelte ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente haben und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. "Diese werden konsequent an der Grenze zurückgewiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht. In unseren europäischen Nachbarstaaten sind sie bereits sicher vor Verfolgung, einer Einreise nach Deutschland bedarf es somit nicht", heißt es in dem Antragsentwurf.
Zu den fünf Punkten, die unverzüglich umgesetzt werden sollen, zählt ferner, dass nachvollziehbar ausreisepflichtige Personen "unmittelbar in Haft genommen werden". Die Bundesländer sollen zudem mehr Unterstützung beim Vollzug der Ausreisepflicht erhalten. Zudem soll das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder verschärft werden.
Im Unions-Antrag heißt es weiter, es sei die Pflicht Deutschlands und damit der Bundesregierung, nationales Recht vorrangig anzuwenden, wenn europäische Regelungen nicht funktionierten – so wie es in den europäischen Verträgen für "außergewöhnliche Notlagen" vorgesehen sei.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht gehen die Unions-Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik nicht weit genug. "Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen", sagte die Vorsitzende der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Wer den Menschen weismacht, dass wir unsere Grenzen komplett kontrollieren können, macht ihnen etwas vor."
Union nimmt ausdrücklich Bezug auf die AfD
Die Bekämpfung von illegaler Migration solle "Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage" entziehen, heißt es weiter. Ausdrücklich nimmt die Union hier Bezug auf die AfD. Die AfD wolle, dass Deutschland aus EU und Euro austrete und sich stattdessen der Eurasischen Wirtschaftsunion zuwendet. "All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand." Merz betonte in der "Bild": "Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen."
SPD, Grüne und FDP hätten die Texte erhalten, schrieb Merz auf X. "Die AfD bekommt diese Texte nicht", betonte er. "Wir können uns über das Wochenende miteinander verständigen, wie wir nächste Woche abstimmen. Spätestens nach Aschaffenburg gibt es keine Taktiererei und keine Spielchen mehr. Jetzt muss entschieden werden."
Die AfD reagierte empört. Parteichef Tino Chrupalla sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Diffamierungen politischer Gegner in Anträgen des Deutschen Bundestages entsprechen nicht den guten parlamentarischen Standards." Die Unionsfraktion stelle sich vielmehr "gegen die Interessen von mehr als 20 Prozent der Wähler".
Angriff von Aschaffenburg befeuerte Migrationsdebatte neu
Die Messerattacke von Aschaffenburg hatte die Migrationsdebatte in Deutschland rund einen Monat vor der Bundestagswahl neu in den Fokus gerückt. In Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Als Täter festgenommen wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane. In dem Antragsentwurf der Unionsfraktion ist von einer "neuen Dimension der Gewalt" die Rede, die Deutschland zunehmend erschüttere. Verwiesen wird auch auf die Anschläge von Mannheim, Solingen und Magdeburg.
Nach der Messerattacke von Solingen im August hatte Merz bereits ähnliche Vorschläge für eine schärfere Migrationspolitik gemacht. Er erklärte dann aber Gespräche mit der damaligen Ampel-Regierung für gescheitert.
In einem zweiten Antragsentwurf listet die Union weitere Forderungen für einen "Politikwechsel bei der inneren Sicherheit" auf. Verlangt werden 27 Punkte, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer. Angesichts der zunehmenden Gewalt sollen gefährliche Körperverletzungen mittels einer Waffe oder Messers künftig als Verbrechen geahndet werden. Die Union plant zudem Bundesausreisezentren und will auch nach Afghanistan und Syrien abschieben. (dpa/bearbeitet von ff)
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