Die Gespräche um das riesige Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur haben sich wohl aus ihrer Sackgasse herausbewegt. Union, SPD und Grünen sollen sich einig sein.

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Die Fraktionsspitzen von Union, SPD und Grünen haben sich nach langen Diskussionen um ein milliardenschweres Verteidigungs- und Infrastrukturpaket geeinigt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Zuvor berichteten das "Handelsblatt" und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Er sei mit dem Ergebnis sehr zufrieden, sagte CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz nach einer kurzfristig einberufenen Fraktionssitzung in Berlin. Die Unionsfraktion habe dem Vorschlag einstimmig zugestimmt.

"Deutschland ist zurück."

Friedrich Merz, CDU-Chef

Das Milliardenpaket sende die klare Botschaft an Freunde und Feinde in der Welt, dass es künftig an keiner Stelle mehr an den finanziellen Mitteln fehlen wird, um Freiheit und Frieden zu verteidigen, sagte der CDU-Vorsitzende nach einer Fraktionssitzung in Berlin. "Deutschland ist zurück." Das Paket sei von der Unionsfraktion einstimmig gebilligt worden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt berichtete von anspruchsvollen und anständigen Gesprächen mit den Grünen.

SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil sieht in der Einigung einen Fortschritt für das Land. "Das Paket ist ein kraftvoller Anschub für Deutschland. Es hat das Potenzial, unser Land für die nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte nach vorne zu bringen", sagte Klingbeil laut einer Mitteilung der SPD-Fraktion.

Der amtierende Bundestag soll das Paket am kommenden Dienstag beschließen, danach ist allerdings auch im Bundesrat eine Zustimmung mit zwei Dritteln der Stimmen nötig.

Auf folgende Kompromisse haben sich die Verhandler verständigt:

  • Die Schuldenbremse wird gelockert – und zwar nicht nur für Verteidigungsausgaben, sondern auf Druck der Grünen auch für Ausgaben in Cybersicherheit, Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste und die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten. Alle Ausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen, können damit aus Krediten finanziert werden. Nach oben hin gibt es keine Grenze.
  • Für Investitionen in die Infrastruktur wird ein Sondertopf eingerichtet, der im Grundgesetz von der Schuldenbremse ausgenommen und mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. 100 Milliarden davon gehen an die Länder. Weitere 100 Milliarden werden auf Druck der Grünen fest für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen – das soll über den bestehenden Klima- und Transformationsfonds geregelt werden. Der Sondertopf soll für zwölf Jahre zur Verfügung stehen.
  • Ebenfalls auf Druck der Grünen wurde laut Merz festgelegt, dass aus den Infrastruktur-Milliarden zusätzliche und nicht bereits geplante Vorhaben finanziert werden. Die Grünen hatten befürchtet, dass Union und SPD das Geld nutzen könnten, um Ausgaben auszulagern und so im Kernhaushalt Platz zu machen für Wahlgeschenke wie die Mütterrente oder geringere Steuern für die Gastronomie.
  • Merz sagte, er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun auch die bereits lange geforderten zusätzlichen Rüstungshilfen von drei Milliarden Euro für die von Russland angegriffene Ukraine freigeben wird. Es habe entsprechende Signale aus dem Kanzleramt gegeben. "Ich gehe davon aus, dass spätestens mit der Bundesratsentscheidung in der nächsten Woche diese drei Milliarden jetzt auch als überplanmäßige Ausgabe geleistet werden können. Da gibt es eine Bestätigung", sagte Merz. Um dieses Hilfspaket und die Frage, wie es finanziert werden sollte, hatte es vor der Bundestagswahl lange Auseinandersetzungen gegeben.

Die Zeit drängte

Im neuen Parlament, das sich am 25. März konstituiert, haben Union, SPD und Grüne nicht mehr die nötige Zweidrittelmehrheit. Deshalb drängte die Zeit, um das Finanzpaket noch mit dem alten Bundestag zu verabschieden.

CDU, CSU und SPD hatten in ihren Sondierungen für eine Koalition vereinbart, die Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben zu lockern und ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zu schaffen. Die Grünen hatten jedoch zunächst ihre für einen Beschluss nötige Zustimmung verweigert.

Immer wieder hatten sich Unionsfraktionschef Merz, SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil, Dobrindt sowie die beiden Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge zu vertraulichen Runden getroffen, um nach Lösungen zu suchen.

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Merz machte Angebote

Zumindest beim zweiten Punkt kam man sich näher. Merz bot am Donnerstag im Bundestag an, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern. Außerdem schlug er vor, einen Teil der Infrastruktur-Kredite fest für den Klimaschutz vorzusehen. Die Grünen vermissten aber Garantien sowohl für mehr Geld für das Klima als auch dafür, dass die Klimaschutz-Ausgaben tatsächlich steigen.

Die Grünen hatten auch eine Aufsplittung des Pakets ins Spiel gebracht. Denn Zeitdruck gibt es vor allem beim Thema Verteidigung, wo Mehrheiten im neuen Bundestag nur schwer zu erreichen wären. Bei mehr Geld für Infrastruktur wäre hingegen eine Einigung mit den Linken denkbar. Doch hier steckte die SPD in einem Dilemma: Sie fürchtete, dass die Union bei der Infrastruktur nicht mehr mitziehen würde, wenn die höheren Verteidigungsausgaben einmal gesichert wären.

Zustimmung im Bundesrat unsicher

Die Grundgesetzänderungen sollen laut Merz am Dienstag vom Bundestag beschlossen werden. Die Mehrheiten dafür sind aber weniger sicher als sonst, weil viele Abgeordnete aus Union, SPD und Grünen aus dem Bundestag ausscheiden und sich deshalb weniger an die übliche Fraktionsdisziplin gebunden fühlen könnten.

Am Freitag könnte dann der Bundesrat entscheiden – auch hier ist eine Zweidrittelmehrheit nötig für einen Beschluss. Diese ist ebenfalls noch nicht sicher, da Länder nur dann zustimmen können, wenn ihre Regierungskoalitionen eine gemeinsame Linie gefunden haben. (dpa/bearbeitet von ng und mbo)

Teaserbild: © picture alliance/dpa/Michael Kappeler