Der Angriff in Aschaffenburg am Mittwoch, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen sind, beschäftigt auch die Politik. Forderungen kommen aus allen politischen Richtungen.

Mehr News zur Innenpolitik

Wieder zwei Tote durch einen Messerangriff. Wieder mussten Unschuldige sinnlos sterben. Der Vorfall am Mittwoch in Aschaffenburg erinnert an die jüngsten Ereignisse in Mannheim oder Solingen. Die Politik reagiert mit Trauerbekundungen und Forderungen, wirkt aber machtlos.

Aschaffenburgs OB Jürgen Herzing (SPD) resümiert. "Ein Geflüchteter greift unschuldige Menschen an, verletzt und tötet sie. Wir sehen die Parallelen". Er betonte aber: "Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer gesamten Bevölkerungsgruppe anrechnen."

Man dürfe trotz Wut, Trauer und "Rachegedanken" keine "Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen", mahnte der SPD-Politiker. Die Polizei werde das Motiv für den Angriff ermitteln. Die politischen Folgen seien Thema vieler Gespräche in der kommenden Zeit.

Scholz reagiert nach Attentat in Aschaffenburg sofort

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war einer der ersten, der sich nach dem Angriff in Aschaffenburg öffentlich äußerte. Während er auf dem Heimweg aus Paris war, berief er in Berlin die Chefs der Sicherheitsbehörden sowie seine Innenministerin, Nancy Faeser (SPD), ein. "Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt", schrieb Scholz auf der Plattform X.

Abschiebung des mutmaßlichen Täters kam nicht zustande

Aber was sind die nötigen Konsequenzen? Der mutmaßliche Täter – ein 28-jähriger Afghane – war bereits den Behörden bekannt. Seine Abschiebung bereits beschlossene Sache.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte nach der Tat mehrere mögliche Gründe, warum diese jedoch noch nicht vollzogen wurde. Zum einen sei ein sogenanntes Dublin-Verfahren bei dem 28-Jährigen nicht rechtzeitig abgeschlossen worden. Dieses Verfahren ist Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und dient der Klärung der Frage, welcher europäische Staat für den Asylantrag eines Schutzsuchenden zuständig ist. In den meisten Fällen ist dies der Staat, in dem der Geflüchtete zuerst EU-Boden betreten hat.

Erst vor einigen Wochen, Anfang Dezember, habe der Mann dann selbst den Behörden – auch schriftlich – angekündigt, freiwillig nach Afghanistan zurückreisen zu wollen, sagte Herrmann. Er wolle sich beim Generalkonsulat Afghanistans um die nötigen Papiere kümmern. Durch diesen Schritt sei sein Asylverfahren beendet worden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe ihn zur Ausreise aufgefordert. Damit war er ausreisepflichtig.

Ob es eine Frist gab, in der er Deutschland hätte verlassen müssen, bleibt aber unklar – ebenso wie die Frage, welche Rolle seine offenbar andauernde psychiatrische Behandlung beim Zeitpunkt der geplanten Ausreise spielte. Klar ist: Der 28-Jährige blieb trotz seiner Ankündigung bis zum Angriff im Park in Deutschland. Ob es ihm gelungen war, die erforderlichen Reisedokumente zu erhalten, ist bislang nicht bekannt.

Opposition rechnet mit Regierung ab

Besonders die Opposition nutzt die schreckliche Tat in Aschaffenburg jetzt, um mit der aufgelösten Ampel und ihrer Politik abzurechnen. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht fordert erneut einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik und greift Scholz direkt an. "Dass nach Mannheim und Solingen nichts passiert ist, ist in erster Linie das Versagen des Kanzlers und seiner Innenministerin", sagte Wagenknecht dem Magazin "Politico". "Das macht sie politisch mitverantwortlich für jede weitere schreckliche Tat." Wagenknechts Äußerungen sind allerdings nicht ganz korrekt. Nach dem Anschlag von Solingen verabschiedete der Bundestag ein umfangreiches Sicherheitspaket und verschärfte das Asyl- und Aufenthaltsrecht.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz forderte "politische klare Antworten" und ein "faktisches Einreiseverbot" für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente. "Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl und Einwanderungspolitik." Er weigere sich anzuerkennen, dass Taten wie zuvor in Mannheim, Solingen und Magdeburg "die neue Normalität" sein sollen. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel schrieb bei X: "Meine Gedanken sind bei den Angehörigen & Verletzten. Remigration jetzt!"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte eine "Vollbremsung bei der Migration". Darunter verstehe er Zurückweisungen an der Grenze, die Abwicklung von Asylverfahren in Drittstaaten und die verstärkte Abschiebung von Straftätern, sagte Dobrindt dem Internetportal "nius". Der Staat müsse straffälligen Migranten ein "klares Zeichen" geben und sagen: "Ihr seid hier nicht willkommen, wir wollen euch nicht haben, und wir werden euch auch zurückführen." Straftaten wie jene in Aschaffenburg trügen zur gesellschaftlichen Polarisierung bei, warnte Dobrindt.

Auch CSU-Chef Markus Söder äußerte sich zu dem Vorfall in Aschaffenburg. Faktisch werde es "eine Grenzschließung für illegale Migration" geben. Darüber und über weitere Schritte habe er sich mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verständigt. "Unser Motto muss sein: Sicherheit first", sagte der CSU-Vorsitzende. Natürlich sei Deutschland ein humanes Land. "Aber das kann am Ende nicht auf Kosten der eigenen Bevölkerung gehen." Deshalb werde "null Toleranz, null Kompromiss" Leitlinie der Migrationspolitik einer unionsgeführten Bundesregierung sein.

Grundsätzliches Ziel müsse sein: "weniger ins Land und viele raus aus dem Land". Es müsse die Möglichkeit zu Zurückweisungen an den Grenzen geben, und zwar auch für die bayerische Grenzpolizei, forderte Söder. Und es müssten endlich regelmäßig, vielleicht sogar täglich, Abschiebungen stattfinden.

Ex-Regierungspartner nimmt die "Politik in die Pflicht"

Auch der ehemalige Koalitionspartner der SPD und der Grünen, die FDP, äußerte sich kritisch zum Attentat. Fraktionschef Christian Dürr forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Die Politik muss darauf reagieren." Es müsse "sichergestellt werden, dass potenzielle Gewalttäter und psychologisch auffällige Personen wie der Täter aus Aschaffenburg identifiziert und abgeschoben werden".

Dürr forderte die Politik zum Handeln auf. "Wir haben aus einer Reihe furchtbarer Ereignisse gelernt, dass diejenigen, die schon auffällig geworden sind, eine Gefahr darstellen", sagte er. "Wenn jemand ausreisepflichtig ist oder seine Ausreise selbst angekündigt hat, muss diese Ausreise schnell vollzogen werden. Es kann nicht sein, dass jemand einfach vom Radar verschwindet."

Erste Konsequenzen angekündigt

Einen konkreten Handlungsansatz stellt der bayerische Innenminister Herrmann vor. Man wolle die Maßstäbe für die Unterbringung von psychisch Kranken verstärkt überprüfen. "Das ist immer eine schwere Entscheidung, die Lage der Menschen zu beurteilen. Und es ist natürlich auch in unserem Freiheitsverständnis nicht einfach zu entscheiden, da kommt jemand in eine geschlossene Einrichtung und wird dann ´eingesperrt`", sagte der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.

"Aber wir müssen natürlich auch sehen, welche Risiken für unsere Bevölkerung ganz offensichtlich da sind. Und wir müssen da glaube ich schon noch mal mit den Fachleuten diskutieren, ob da die richtigen Maßstäbe hinsichtlich der Gefährdung der Öffentlichkeit, der Gefährdung anderer Menschen wirklich auch angewendet werden."

Die Diskussionen über eine richtige Antwort auf solche Attentate werden auch einen Tag nach der Tat nicht abnehmen – vor allem vor dem Hintergrund der Bundestagswahl im Februar. Am heutigen Donnerstag haben unter anderem der CSU-Chef Markus Söder, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine Pressekonferenz angekündigt. (dpa/afp/bearbeitet von the)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.