Der Bruch der Ampel-Koalition könnte die Fortsetzung vieler angeschobener Projekte gefährden. Allen voran das Deutschlandticket. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält es in seiner jetzigen Form für nicht mehr finanzierbar. "Unser Ziel ist, eine Änderung am Deutschlandticket herbeizuführen", sagte Söder am Dienstag in München im Anschluss an eine Haushaltsklausur seines Kabinetts vor Journalisten.

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"Es muss der Bund bezahlen. Und wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen."

CSU-Chef Markus Söder über das Deutschlandticket

Der CSU-Chef forderte, dass der Bund das Deutschlandticket in Zukunft alleine zahlen muss, wenn es weiter existieren soll. Die Bundesländer sollten aus der Finanzierung ausgenommen werden. "Es muss der Bund bezahlen. Und wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen." Nach der Wahl müsse die neue Bundesregierung prüfen, ob die Finanzierung "in der Gesamtverantwortung des Bundes" möglich sei. "Meine Priorität ist Entlastung für Bayern und mehr Investitionen in Infrastruktur."

Söder kann sich statt des bisherigen Tickets ein Ferienticket für 49 Euro vorstellen, das einen Monat im Jahr genutzt werden könne. Das Deutschlandticket, wie es jetzt ist, könne seiner Meinung nach auf Dauer kaum gehalten werden. "Es braucht eine grundlegende Überarbeitung und eine Umstrukturierung."

Aus Söders Sicht fließt beim Deutschlandticket zu viel Geld in die Subventionierung der Fahrkarten und zu wenig in den Ausbau der Infrastruktur: "Schiene, Verkehr, Brücken, Wohnungen können noch mehr Geld vertragen. Deutlich mehr Geld." Alleine Bayern koste das Deutschlandticket 400 Millionen Euro pro Jahr. "Wir halten diese Balance für falsch auf Dauer." Für Bayern wären es zum Beispiel bei einem Ferienticket von einem Monat zwischen 30 und 60 Millionen Euro, je nach der Ausgestaltung, so Söder. Die restlichen mehr als 300 Millionen wären dann in der Infrastruktur besser angelegt.

Baden-Württemberg und Niedersachsen dringen hingegen darauf, das Deutschlandticket zu erhalten und die noch von der Ampel geplante Gesetzesänderung durch den Bundestag zu bringen. Der baden-württembergische Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) mahnte, nicht gebrauchte Mittel dringend ins nächste Jahr zu übertragen – womöglich würde das Ticket sonst teurer. "Das Nachsehen hätten die Fahrgäste."

"Nach monatelangem Hin und Her erwarten die Fahrgäste Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen", sagte Hermann der Deutschen Presse-Agentur. "Es wäre fatal, wenn zur Rettung des Tickets der Preis nochmals erhöht werden müsste, nur weil im allgemeinen Streit anhängige Gesetze nicht mehr umgesetzt würden."

Aus dem NRW-Ministerium hieß es dazu: "Im Zweifelsfall müsste eine neue Bundesregierung ein Gesetz mit gleicher Zielsetzung einbringen." Das gelte auch für die Perspektive des Deutschlandtickets ab 2026. "Eine neue Bundesregierung müsste die hälftige Finanzierung per Gesetz langfristig sichern."

Sozialverband warnt: "Deutschlandticket darf nicht unter die Räder kommen"

Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) aus Niedersachsen sagte: "Ich warne davor, dass das D-Ticket dieser unsicheren Übergangszeit im Bund zum Opfer fällt." In den nächsten Wochen stünden Entscheidungen an, die nicht aufgeschoben werden dürften – dafür sei gerade dies ein Beispiel.

Auch die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, mahnte: "Das Deutschlandticket darf nicht unter die Räder kommen." Für viele Menschen habe es schon mit der letzten Preiserhöhung an Attraktivität verloren. "Umso dringender ist es, den Preis stabil zu halten und ein Sozialticket einzuführen, das wirklich allen Menschen bezahlbare Mobilität ermöglicht." Die aktuelle Unsicherheit zeige, wie schnell gerade soziale Projekte ins Wanken geraten können. "Dem muss die Politik Einhalt gebieten."

Muss der Preis sonst steigen?

Konkret geht es um eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes, das der Bundestag noch nicht beschlossen hat. Das Gesetz regelt, ob und wie nicht eingesetzte Mittel auch in Folgejahren verwendet werden können.

Das Bundesverkehrsministerium stellte mit Blick darauf die große Einigkeit heraus, dass das Ticket "ein tolles Projekt" sei, das fortgeführt werden solle. "Vor diesem Hintergrund appellieren wir an alle handelnden Akteure, dass man sich bei offenen Finanzfragen einig wird", sagte ein Sprecher. Gültig sei weiter die generelle Vereinbarung, nach der Bund und Länder bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr beisteuern.

Die Verkehrsministerkonferenz hatte im September entschieden, dass das derzeit 49 Euro teure Deutschlandticket von 2025 an 58 Euro pro Monat kosten soll. Für wie lange, ist offen. In Baden-Württemberg nutzen Hunderttausende Menschen im Nah- und Regionalverkehr das Deutschlandticket. Nach Angaben des Verkehrsministeriums lag die Zahl der Nutzer im vergangenen März bei mehr als 1,5 Millionen Menschen, jüngere Angaben gibt es nicht. Die Zahl dürfte aber noch höhere liegen: Die Abonnenten, die das Ticket beispielsweise direkt bei der Deutschen Bahn kaufen, sind in der Erhebung des Verkehrsministeriums nicht enthalten.

Frei zu Deutschlandticket: "Ich kann mir das nicht vorstellen"

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, lehnt eine Unterstützung rot-grüner Gesetzesinitiativen wie dem Deutschlandticket ab. "Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, da müssen wir den Schwerpunkt setzen bei Investitionen in die Infrastruktur", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin Politico.

Verkehrsminister Hermann wiederum sieht im Verbleib des inzwischen parteilosen Volker Wissing als Bundesverkehrsminister eine Chance zur Umsetzung von Verkehrsthemen, die im Bund noch vor Neuwahlen unbedingt geregelt werden müssen.

Er zollt Wissing Respekt für dessen Bereitschaft, trotz der Regierungskrise an den drängenden Problemen der Verkehrspolitik auch im Übergang für Lösungen zu kämpfen. "Es erfordert Mut, sich so eindeutig für die Sache zu entscheiden und gegen die eigene Partei. Das verdient Anerkennung", sagte Hermann. (dpa/AFP/bearbeitet von tas)

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