Vor allem zwei internationale Krisen ziehen die Aufmerksamkeit des Westens auf sich: Der Krieg in der Ukraine und in Israel. Berichten zufolge sollen in beiden Konflikten Waffen aus Nordkorea zum Einsatz kommen. Wie Pjöngjang die Gunst der Stunde geschickt nutzt und welche Sorge ein Experte hat.
Gemunkelt, dass Nordkorea Russland für den Ukraine-Krieg mit Waffen versorgt, wird schon länger. Zuletzt heizte ein Treffen zwischen Kim Jong-Un und Wladimir Putin am Weltraumbahnhof Wostotschny die Gerüchteküche wieder an.
Beobachter gehen davon aus, dass der nordkoreanische Machthaber und der Kreml-Chef dabei auch Munitionslieferungen für den russischen Angriffskrieg vereinbart haben. Die USA vermuten, dass Moskau unter anderem Artilleriegranaten aus Nordkorea bekommt, gepanzerte Fahrzeuge und Raketen sollen bereits in der Vergangenheit geliefert worden sein.
Mehr als 1.000 Container mit militärischer Ausrüstung und Munition soll Russland von Nordkorea erhalten haben. Das britische Verteidigungsministerium sieht Pjöngjang vor diesen Hintergründen neben dem Iran und Belarus bereits als wichtigster ausländischer Waffenlieferanten Russlands. Wasserdichte Beweise fehlen allerdings.
Griff Hamas mit Waffen aus Nordkorea an?
Nicht nur in Bezug auf die Ukraine sind Waffen von Nordkorea im Gespräch. Auch die radikalislamischen Hamas-Terroristen sollen bei ihrem Angriff auf Israel in Nordkorea hergestellte Waffen eingesetzt haben - zumindest laut Angaben der israelischen Armee (IDF). Demnach sollen etwa zehn Prozent des gefundenen Kriegsgeräts nordkoreanisches Fabrikat sein – es könnte über große Schmuggel-Netzwerke nach Gaza gelangt sein.
Zwei große internationale Krisen, zweimal scheint Nordkorea zu profitieren. Reibt sich Machthaber
Nordkorea in einmaliger Lage
"Nordkorea ist jetzt in der für sich interessanten Lage, dass jemand wieder mit ihm zusammenarbeiten will. Das nutzt Nordkorea sehr geschickt aus", so der Experte. Vor dem Ukraine-Krieg sei China der Hauptansprechpartner der Nordkoreaner gewesen. Es habe die Nordkoreaner immer ein wenig gestört, dass man nur diesen einen engen Partner hatte. "Jetzt rückt man stärker an Russland heran und kann das historisch starke Abhängigkeitsverhältnis zu China etwas lösen", erklärt Spohr.
Das funktioniere nur, weil Moskau von Pjöngjang etwas wolle – einerseits Munition und Waffen, andererseits Rückendeckung und Solidarität. "Russland will zeigen, dass es international nicht komplett isoliert ist", so Spohr.
Im Verlauf des Jahres habe es Besuche und Treffen auf höchster Ebene gegeben. So war Verteidigungsminister Sergej Shoigu beispielsweise im Sommer in Nordkorea, Kim Jong-Un besuchte
Lesen Sie auch: Xi trifft Biden nach diplomatischer Ewigkeit: Darum streiten China und die USA
Freundliche Briefe und Veröffentlichungen in den Staatsmedien
"Schon kurz nach dem Angriff auf die Ukraine hat man diese Annäherung beobachtet. Es gab freundliche Briefe, die man ausgetauscht hat und Veröffentlichungen in den nordkoreanischen Staatsmedien", beobachtet Spohr.
Vor allem in Südkorea nehme man diese Entwicklungen mit großer Sorge zur Kenntnis, denn: "Wenn Nordkorea Munition oder Waffen an Russland schickt, wird es eine Gegenleistung dafür verlangen. Das sind neben Nahrungsmitteln und Geld möglicherweise auch Rüstungstechnik und Technologie", sagt der Experte. Nordkorea werde diese Situation nutzen, um sein eigenes Raketenprogramm voranzubringen, welches zuletzt ins Stocken geriet.
Kim Jong-Un will Rüstungs-Knowhow
Spohr erinnert: "Beide Versuche in diesem Jahr, Spionagesatelliten ins All zu bringen, sind gescheitert." Ein für Oktober erwarteter dritter Versuch sei ausgeblieben – "es gibt Vermutungen, dass man erst noch auf Technologie aus Russland gewartet hat und diese erst verbaut werden muss", so Spohr.
Denn bei dem jüngsten Treffen der Staatschefs ging es auch um das nordkoreanische Satellitenprogramm, welches Russland mit Technologie unterstützen will. Der Kuschelkurs mit Russland sichert Kim Jong-Un die Unterstützung einer Vetomacht im UN-Sicherheitsrat und schürt Hoffnung auf wirtschaftliche Zusammenarbeit. Während es in Nordkorea seit der Corona-Pandemie vor allem an Lebensmitteln mangelt, schwächelt in Russland die Arbeitskraft – denn viele wurden an die Front einberufen.
Instabilität in der Region
Für die Region bedeute diese Entwicklung mehr Instabilität. "Südkorea geht davon aus, dass sich Nordkorea jetzt mit russischer Hilfe weiter aufrüstet. Das Land wird darauf mit eigener Aufrüstung reagieren und von den USA fordern, die nukleare Abschreckung zu erhöhen", vermutet der Experte. Die Rufe Südkoreas dürften nun noch lauter werden, und auch der Ruf nach eigenen Atomwaffen werde wieder aufkommen.
Auch wenn Nordkorea durch Waffenlieferungen vom Nahost-Konflikt profitieren könnte: Russland ist aus Sicht von Spohr der deutlich interessantere Partner. "Natürlich hat man Israel als Feindbild. Man sieht die Israelis als Marionetten der Amerikaner und als Produkt des westlichen Imperialismus", sagt Spohr. Das werde derzeit auch propagandistisch ausgeschlachtet.
Was Experte mit Sorge beobachtet
"Der Konflikt ist aber weniger interessant für Pjöngjang, wenn es darum geht, eigene Unterstützung und Ressourcen zu bekommen". Den Experten treibt noch eine weitere Sorge um: "Die Treffen und die dort genutzte Symbolik deuten daraufhin: Das Sanktionsregime, was im Sicherheitsrat verabschiedet wurde, wird von Russland nicht mehr ernst genommen", sagt Spohr.
Die Sanktionen des UN-Sicherheitsrats würden von Russland fast schon offensichtlich untergraben. Der hat Nordkorea nämlich eigentlich die Exporte von Waffen untersagt – mit Zustimmung aus Moskau.
"Die derzeitigen Entwicklungen deuten darauf hin, dass Russland sich nicht an die Regeln hält, die es selbst mitentschieden hat. Eine äußerst schlechte Nachricht für eine regelbasierte Weltordnung", so Spohr.
Zur Person:
- Frederic Spohr leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.