Die Bundesregierung ringt um eine Lösung in der Flüchtlingskrise: Horst Seehofer fordert Transitzonen an den deutschen Grenzen, die SPD lehnt das kategorisch ab. Die Fluchtursachen bekämpfen solche Maßnahmen ohnehin nicht. Die Historikerin Birgit Schäbler sagt, ohne ein Ende des syrischen Bürgerkriegs werde es kein Ende der Krise geben.
Am Wochenende trafen sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD, um sich auf das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu verständigen. Heraus kam ein dünnes Positionspapier der Unionsfraktion, das die Sozialdemokraten in Teilen ablehnen. Am Donnerstag soll neu verhandelt werden.
Vor allem um die vom bayerischen Ministerpräsidenten
Weitere Maßnahmen im Positionspapier sind eine bessere Zusammenarbeit mit Österreich, das Aussetzen des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen sowie die Einführung eines Flüchtlingsausweises. Auch die bessere finanzielle Unterstützung der Türkei bei der Versorgung von Geflohenen sowie die verstärkte Abschiebung stehen oben auf der Agenda.
Mit Assad verhandeln
Ein wenig überraschend ist allerdings, dass vom Syrienkonflikt im Positionspapier nicht einmal die Rede ist. Die meisten Asylanträge in Deutschland wurden 2015 schließlich von Syrern gestellt, rund fünf Millionen Menschen haben das Land bereits verlassen, die meisten leben in Lagern in den Nachbarstaaten.
"Ohne ein Ende der Bürgerkriege in Syrien, aber auch im Irak, Libyen und Jemen wird es kein Ende der Flüchtlingskrise geben", erklärt die Nahost-Expertin Prof. Birgit Schäbler vom Lehrstuhl für Westasiatische Geschichte der Universität Erfurt. Dafür müsste mehr Druck auf die Führungsmächte in der Region ausgeübt werden, also auf Saudi-Arabien, Iran und die Türkei.
"Der Spielraum ist gerade eng, aber Angela Merkel muss sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene alles Gewicht in die Waagschale werfen. Um zu Waffenstillständen zu gelangen, muss man auch mit Leuten verhandeln, die man ablehnt, Bashar al-Assad zum Beispiel", sagt Schäbler unserer Redaktion. Das müsse nicht bedeuten, dass der syrische Diktator dauerhaft anerkannt werde.
Neben den Konkurrenten Russland und den USA müsste sich Europa besser positionieren, um auf internationaler Ebene zur Beendigung des Krieges beizutragen. "Europa ist zu wenig sichtbar, hat noch keine Linie. Weil es sich in Syrien auch um einen Stellvertreterkrieg handelt, wäre das aber sehr wichtig", erklärt Schäbler.
Flüchtlingslager humaner machen
Ein weiterer Schlüssel zur Lösung der Krise ist die bessere Unterstützung der riesigen Flüchtlingslager in der Türkei, in Jordanien und im Irak durch die deutsche Regierung. "Es müssen Anreize zum Bleiben geschaffen und Signale gegeben werden, dass es auch hier nicht einfach ist. Die meisten Syrer wollen ja gar nicht dauerhaft nach Europa, sondern das Kriegsende abwarten", erklärt Schäbler. Das haben Umfragen in deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen ergeben.
"Abwarten kann man besser in der eigenen Region, aber es müssen dort Zustände herrschen, die einem das erlauben", ergänzt die Historikerin. Im Libanon leben die Menschen teilweise auf Äckern oder Baustellen.
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen hatte in den vergangenen Jahren immer wieder über die schlechte finanzielle Ausstattung geklagt. Wegen Mangel an Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung machten sich immer mehr Flüchtlinge Richtung Europa auf.
Es sei verschlafen worden, die Fluchtursachen rechtzeitig zu bekämpfen, sagt Schäbler. "Und nun wacht man in Europa auf, weil die Menschen Zäune umrennen." Schon im Januar 2014 hatte der jordanische Innenminister Hussein al-Majali gewarnt: "Was in Syrien geschieht, wird auch Europa und Deutschland treffen." Deutschland hat das Problem zu lange bei Seite geschoben. Und nun reagieren Teile der Bevölkerung und der Politik angesichts der vielen Zuwanderer nervös bis feindselig.
Lösungen statt Parteien-Gezänk
Birgit Schäbler wünscht sich daher einen besonneneren Umgang mit dem Thema. Bayern leiste gerade sehr viel für die Integration, etwa indem es Lehrer einstelle, aber der Ton der CSU heize die Auseinandersetzung im Land gefährlich an. "Das kommt der Rechten zugute. Das ist kontraproduktiv", bemängelt die Expertin. Jetzt seien Lösungen gefragt, und eine Abkehr vom Parteien-Gezänk.
"Ob Transitzonen oder Einreisezentren, es gibt überall enge rechtliche Grenzen. Richtig ist aber schon, Prioritäten zu setzen, also aktuelle Gefährdete aufzunehmen, und in anderen Fällen schnell auch über Ablehnungen zu entscheiden."
Die Flüchtlingskrise wird sich letztlich nicht an der deutsch-österreichischen Grenze lösen lassen. Und auch nicht auf einem Koalitionsgipfel. Will die Bundesregierung die Ursachen nachhaltig bekämpfen, wird sie in den Herkunftsländern der Asylsuchenden noch viel aktiver werden müssen.
Prof. Dr. Birgit Schäbler hat den Lehrstuhl für die Geschichte Westasiens an der Universität Erfurt inne. Sie war zu Forschungsaufenthalten längere Zeit in Syrien und ist regelmäßig im Libanon unterwegs.
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