Auch Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über den umstrittenen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen. Bis auf CDU-Parlamentarier Paul Ziemiak waren sich alle einig: Maaßens Tage im Amt sind gezählt.

Eine Kritik

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Die Diskussionen um Hans-Georg Maaßen, den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, nehmen kein Ende. Auch Anne Will sprach mit ihren Gästen über Maaßens umstrittene Bewertung der Ereignisse von Chemnitz, seine angebliche Nähe zur AfD und welche politischen Folgen der Vertrauensverlust in seine Amtsführung für unsere Demokratie haben könnte.

Wer sind die Gäste?

Martin Schulz: Der Ex-Kanzlerkandidat der SPD ging mit Maaßen hart ins Gericht. Ein SPD-Minister hätte ihn "schon längst entlassen", behauptete der Bundestagsabgeordnete und fügte hinzu: "Ich gehe davon aus, dass Herr Maaßen am Dienstag entlassen wird." Zugleich erteilte er einer Forderung des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert eine Absage. Nein, die SPD werde die Regierung nicht verlassen, sollte Merkel Maaßen nicht rauswerfen. Dies wäre "unverantwortlich".

Paul Ziemiak: Der Vorsitzende der Jungen Union behauptete, es gehe der SPD nur darum, aus der Causa Maaßen parteipolitischen Profit zu schlagen. Ziemiaks Logik: Warum gab es direkt nach Maaßens Auftritt im Innenausschuss des Bundestages keine Rücktrittsforderungen, sondern erst später?

Bestrebungen, etwa der Linkspartei, den Verfassungsschutz ganz abzuschaffen, bezeichnete er als "gefährlich". Zwar nannte Ziemiak Maaßens Bewertung, ein in Chemnitz aufgenommenes Video, das die Verfolgung von Migranten zeigt, sei womöglich Teil einer Desinformationskampagne, "einen Fehler". Doch Rücktrittsforderungen wollte er sich ausdrücklich nicht anschließen.

Georg Mascolo: Der Journalist glaubt nicht an einen freiwilligen Rückzug Maaßens. Er hielte seinen Abgang aber für richtig, weil er in der Bewertung von Chemnitz "einen großen Fehler" gemacht habe. Ein Verfassungsschutzpräsident, der nicht das Vertrauen der Bundeskanzlerin und mehrerer Parteien des Bundestages genießt, könne nicht einfach so weitermachen, so Mascolo. Maaßen habe sich "Verdienste erworben, aber auch Fehler gemacht".

Petra Pau: Von der Vertreterin des Bundestagsinnenausschusses (Linke) bekam Maaßen volle Breitseite. Pau, die selbst jahrelang vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, nannte Maaßen in seinem Amt "von Anfang an eine Fehlbesetzung". Zudem attestierte sie ihm im NSU-Untersuchungsausschuss ein Verhalten, das "immer wieder blockierend, vieles vertuschend" gewesen sei.

Schließlich warf sie ihm "Belügen und Betrügen" vor. Paus Fazit: "Ich habe 100 Gründe, warum er schon längst hätte gehen müssen. Das Maß ist voll."

Robert Habeck: In den Augen des Co-Vorsitzenden der Grünen wird der Schaden für die Institution des Verfassungsschutzes immer größer, weil ihr Präsident den Eindruck erweckt, dass er die Verfassung nicht beschützen kann. Habeck bemängelte wie Petra Pau eine Tradition der Behörde, "nicht sauber" zu arbeiten – und forderte einen Neustart. Konkret: eine Aufteilung in zwei Behörden, "damit der Verfassungsschutz politisch enger geführt werden kann".

Was war das Rededuell des Abends?

In einer eher nüchtern-analytischen Debatte knisterte es nur am Anfang kurz, als sich Martin Schulz über Paul Ziemiaks Vorwurf erregte, die harte Kritik der SPD an Maaßen sei parteipolitisch motiviert. Nach dem Motto: Die schwächelnde SPD bauscht den Fall Maaßen auf, um daraus Kapital zu schlagen.

"Wenn es einen stabilen Faktor in dieser Regierung gibt, dann ist es die SPD", schimpfte Schulz in Richtung des CDU-Mannes. "Jetzt will ich ihnen mal was sagen: Sie müssten mal ihr Haus in Ordnung bringen. Ich finde es geschickt, dass Sie jetzt versuchen, abzulenken." Eine Anspielung auf den schwelenden Streit zwischen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Kanzlerin.

Was war der Moment des Abends?

Moment I

Eine Beichte von Petra Pau: "Hans-Georg Maaßen hat auch bei mir schon auf der Couch gesessen", gab die Linken-Politikerin zu. Dabei habe er sich beschwert, "dass wir immer so kritisch nachfragen".

Moment II

Eine Einordnung von Georg Mascolo: Der Journalist erinnerte daran, dass die aktuelle Situation mit dem Erstarken rechter Kräfte und rechten Gewalttaten in den Jahren 1990/91 schon einmal in vergleichbarer Form in Deutschland aufgetreten ist – und überwunden wurde. Mascolo mahnte ein Stück weit zu Gelassenheit und bemängelte: "Die radikalsten Prophezeiungen bekommen die größte Aufmerksamkeit."

Wie hat sich Anne Will geschlagen?

Im Mittelpunkt der Sendung stehen natürlich die Gäste. Doch wer dieses Mal alles nicht mit Anne Will sprechen wollte, das war auch eine Nachricht wert. Horst Seehofer, Alexander Dobrindt und weitere hohe CSU-Vertreter – alle sagten ab. Hans-Georg Maaßen wollte sich ebenfalls nicht äußern. So mühte sich Ziemiak redlich, die Schwesterpartei zu verteidigen.

Neben dem Einblick in die Einladungspraxis ihrer Sendung punktete Will mit bissigen Nachfragen. Zum Beispiel mit dieser an Grünen-Chef Habeck: "Kommt Ihnen der Fall der Maßen recht, weil Sie den Verfassungsschutz reformieren wollen?"

Was ist das Ergebnis?

Hans-Georg Maaßen wird nicht mehr lange Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sein - das war, von Paul Ziemiak abgesehen, der Tenor der Talkrunde. Maaßen ist übrigens, wie im aktuellen "Spiegel" zu lesen ist, ebenfalls Mitglied der CDU. Gegenüber Parteifreunden spricht man ja eher selten Rücktrittsforderungen aus.

Die Demokratie sahen Wills Diskutanten zwar nicht gleich in Gefahr, ein Schaden sei durch den Fall Maaßen dennoch entstanden, urteilte die Mehrheit. Bei der Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz in dieser Form überhaupt noch gebraucht wird, schwankten die Meinungen zwischen abschaffen (Pau), reformieren (Habeck) und erhalten (Ziemiak).

Laut Mascolo müsste der Verfassungsschutz in den nächsten Monaten vor allem die Frage klären, ob die AfD beobachtet werden muss. In seinen Augen soll sich die Politik aus solchen Bewertungen aber heraushalten, damit nicht der Eindruck entsteht, dass sie dem Verfassungsschutz Weisungen erteilt.

Schließlich sorgte Mascolo auch für ein versöhnliches Schlusswort. Die Menschen in Deutschland müssten sich wieder darauf besinnen, was dem Land in der Vergangenheit so gut gedient habe: einander zuhören und auch mal ein gutes Argument der Gegenseite gelten lassen. Zuversichtliche Worte in manchmal schwierigen Zeiten.

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