Angela Merkels angekündigter Rückzug als CDU-Chefin hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Ein Publizist sagte, mit Annegret Kramp-Karrenbauer könne die Union die nächste Bundestagswahl nicht gewinnen. Die CDU-Generalsekretärin verblüffte wiederum mit einem überraschenden Geständnis über Merkel.
Eine Ära geht zu Ende. Nach 18 Jahren an der Spitze der CDU zieht sich
Die Entscheidung könnte in den kommenden Wochen und Monaten einschneidende Folgen für die deutsche Politik haben.
Maybrit Illner: "Neue Bündnisse, alte Fronten: Was folgt auf Merkel?"
Was ist das Thema?
CDU-Generalsekretärin
Kommt es zu einem Politikwechsel oder gar zur Rückkehr alter Fronten und Lager? Oder wird Merkels Kurs in einem anderen Gewand fortgesetzt?
Wer sind die Gäste?
Annegret Kramp-Karrenbauer: Die AKK genannte Wunschnachfolgerin von Angela Merkel als Parteivorsitzende schätzt die Chancen das Amt zu übernehmen "als nicht so schlecht ein".
Was würde sie anders machen als Merkel? "Vor allen Dingen den Diskussionsstil innerhalb der Partei." Kramp-Karrenbauer warf Zweifel auf, dass die Kanzlerin unter einem Parteivorsitzenden
Michael Spreng: Der Politikberater teilte ordentlich aus. Er bewertete die Chancen der Merkel-Vertrauten aufs Kanzleramt als gering. "Kramp-Karrenbauer ist die Kandidatin der Herzen, aber Merz ist der Kandidat der Machtvernunft", sagte Spreng. Solange Innenminister Horst Seehofer im Amt bleibe, "wird das nichts mit einem Neustart der Regierung", befand Spreng. Kühnert nannte er wegen seiner Abneigung gegen die GroKo den "Sterbehelfer der SPD". Der Juso-Vorsitzende würde der SPD "Selbstmord aus Angst vor dem Tod" empfehlen.
Janine Wissler: Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei empfahl der Union, sich mehr mit den Problemen der Menschen und weniger mit sich selbst zu beschäftigen. An Friedrich Merz ließ sie kein gutes Haar. Er stehe für "einen Neoliberalismus der 90er, der gescheitert ist."
Was war das Rede-Duell des Abends?
Als Kramp-Karrenbauer ihre ablehnende Haltung gegen die "Ehe für alle" verteidigte, verlor Kevin Kühnert, der sich im Frühjahr erstmals zu seiner Homosexualität geäußert hatte, die Fassung. "Da fühle ich mich befremdet, wenn ich sowas 2018 von einer Partei höre, die meint sich zu modernisieren", schimpfte er.
Kramp-Karrenbauer blieb bei ihrem Standpunkt. "Ich habe da eine andere Meinung dazu, selbst wenn sie dem Zeitgeist widerspricht. Und dazu stehe ich auch."
Sogar Spreng, einst Edmund Stoibers Wahlkampfberater, griff AKK an. "So wie Sie es begründet haben, ist es nicht konservativ, sondern reaktionär."
Was war der Moment des Abends?
"Können Sie Kanzlerin?" Kramp-Karrenbauer wich der Frage Maybrit Illners zunächst aus. "Ich bewerbe mich als Parteivorsitzende", sagte sie zu Spekulationen über ihre Zukunft.
Dann wurde sie entschlossener, wenn auch etwas verklausuliert. "Wenn man sich um das Amt (der Parteivorsitzenden – Anm. d. Red.) bewirbt, dann muss man das auf jeden Fall für sich klar haben. Wann auch immer und wer auch immer."
Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?
Gleich zu Beginn startete die Gastgeberin mit einer bissigen Frage an AKK. "Ist Ihre Bewerbung dann nicht ein bisschen langweilig?", fragte sie die CDU-Generalsekretärin, weil sie als Merkel-Verbündete im Vergleich zu den anderen Kandidaten am wenigstens für einen Aufbruch steht.
Auch im ausgegliederten Kurzinterview mit Kramp-Karrenbauer blieb Illner am Ball. Ein engagierter Auftritt.
Was ist das Ergebnis?
Sollte Kramp-Karrenbauer nicht zur CDU-Chefin gewählt werden, sondern einer ihrer Rivalen, dürfte die CDU ein Stück nach rechts rücken und ihr konservatives Profil schärfen. Dann könnte die AfD "in einer Größenordnung von fünf Prozent verlieren", glaubt Wolfgang Kubicki.
"Es könnte ihm gelingen, zur AfD abgewanderte Wähler für die CDU zurückzugewinnen", sagte auch Spreng über Friedrich Merz. Der SPD würde er nicht empfehlen, die Koalition trotz der miesen Umfragewerte aufzukündigen. "Sie muss sich in der Regierung konsolidieren."
Selbstkritische und zugleich vorsichtig optimistische Worte zum Zustand der großen Parteien fand schließlich Kevin Kühnert. "Die Zeit von Volksparteien ist nicht vorbei. Aber nicht so, wie sie zurzeit aufgestellt sind."
Die Große Koalition wird vermutlich bis 2021 halten, so der mehrheitliche Tenor bei Illner. Und dann? Im Anschluss könnte erstmals Schwarz-Grün eine ernsthafte Option im Bund werden. Sogar unter einem Kanzler Friedrich Merz, wie Michael Spreng prognostizierte, wäre das nicht ausgeschlossen. Der CDU-Vorsitz würde Merz` Chancen deutlich erhöhen.
Weil Jens Spahn in den aktuellen Umfragen weit zurückliegt, dürfte es auf einen Zweikampf zwischen dem einstigen Merkel-Gegner und der Merkel-Verbündeten Kramp-Karrenbauer hinauslaufen. Spannende Zeiten in Berlin, spannende Runde bei Illner.
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