Mit einem eigenen 10-Punkte-Plan zur Migration wollen die Grünen auf den gescheiterten Unionsvorstoß der vergangenen Woche reagieren. Bei einem Punkt stimmen die beiden Parteien jedoch nicht überein.

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Die Grünen fordern nach Taten wie in Aschaffenburg und Magdeburg eine "breite Sicherheitsoffensive". Dabei gehe es darum, die Sicherheit im Land "für alle – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte" zu erhöhen, heißt es in einem von Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck vorgelegten 10-Punkte-Plan, der der Nachrichtenagentur AFP am Montagabend vorlag. Zugleich müsse eine humane Flüchtlingspolitik gewahrt werden.

Das steckt im Grünen-Papier zur Migration

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister schlägt darin unter anderem mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden wie die biometrische Gesichtserkennung im Internet sowie eine "Vollstreckungsoffensive für Haftbefehle" vor. Über 170.000 Haftbefehle seien nicht vollstreckt worden, dies dürfe nicht hingenommen werden, begründete Habeck seinen Vorstoß. Die Grünen wollen zudem die Bundespolizei stärken – mit mehr Personal und einer besseren Ausrüstung.

Weitere Forderungen beziehen sich auf die Migrationspolitik: Asylverfahren müssten "drastisch" beschleunigt, nicht-deutsche Gefährder und Schwerkriminelle "konsequent" abgeschoben werden. Außerdem gehe es darum, Gefährdungspotenziale früher zu erkennen. "Bei der medizinischen Erstuntersuchung von Asylsuchenden muss ab sofort auch auf psychische Erkrankungen geprüft werden", heißt es in den Forderungen. Das könne letztlich Leben schützen.

Der mutmaßliche Täter von Aschaffenburg war zuvor bereits als psychisch krank aufgefallen und auch bei dem Angreifer des Magdeburger Weihnachtsmarkts wurden psychische Probleme nicht ausgeschlossen. Es sei vor dem Hintergrund auch wichtig, dass Behörden von Bund und Ländern zur Kooperation verpflichtet werden, heißt es in Habecks Plänen weiter, damit Menschen, die bereits mehreren Sicherheitsbehörden aufgefallen seien, nicht "durch das Raster fallen".

Grüne setzen auf europäische Lösung

"Ich will eine Politik, die Sicherheit bestmöglich gewährleistet, die keine Ressentiments schürt und die Grundrechte wahrt", erklärte Habeck zu seinen Vorschlägen. "Niemand darf pauschal an den Pranger gestellt werden." Dabei sei auch entscheidend, dass eine solch breite Sicherheitsoffensive "unter Demokraten verhandelt werden" müsse, fuhr der Grünen-Politiker fort, "nicht mit Rechtsextremisten und nicht unter der Androhung von Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten".

Die Grünen betonen auch noch einmal, dass es bereits eine Lösung auf europäischer Ebene gibt: GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem). Sie werfen laut ZDF der Union vor, dass sie die Umsetzung dieses Systems in Deutschland verhindern. "Wer eine wirksame Kontrolle und Steuerung in Europa will, darf die Umsetzung von GEAS nicht blockieren", fordert Habeck.

Auch Grünen-Chefin Franziska Brantner äußerte sich dazu und zur Forderung der Zurückweisung an deutschen Grenzen der CDU/CSU: "Unsere Antwort ist eine europäische Asylrechtsreform." Zudem fügte sie hinzu, Habecks Plan sei "die grüne Antwort" auf die Fragen, die zurzeit viele Menschen berechtigterweise umtrieben.

Grüne Basis reagiert geschockt auf 10-Punkte-Plan

Nach Bekanntwerden des 10-Punkte-Plans musste sich laut "Bild"-Informationen die Grünen-Spitze massiver Kritik aus den eigenen Reihen stellen. So warf man in einem bereits wieder gelöschten Beitrag des Landesverbands der Grünen Jugend Niedersachsens auf Instagram Habeck eine "menschenfeindliche Abschiebepolitik" vor. Weiter stand dort: "Wenn Habeck nach rechts geht, gehen wir nach links." Die Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard reagierte mit einem Like auf den Post.

Besonders stößt der Basis auf, dass der Plan wohl auf einen Alleingang der Parteiführung zurückzuführen ist. Viele Parteiangehörige wussten wohl nichts von den Forderungen, die sich so auch nicht im Wahlprogramm der Partei wiederfinden. Nachdem Grünen-Chefin Franziska Brantner die zehn Punkte auf Instagram gepostet hatte, bekam sie kräftigen Gegenwind. "Ist das ein Post der CDU mit grüner Kachelfarbe?" oder "Bei aller Kompromissbereitschaft, macht da nicht mit, bitte!" war dort unter anderem zu lesen. Auch Brantner löschte inzwischen ihre Posts wieder.

CDU sieht europäische Lösung als gescheitert an

Die Union stellt hingegen die europäische Asyllösung infrage. "Dublin 3 hat in der Vergangenheit nicht funktioniert, und es funktioniert auch heute nicht", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), in der ARD-Sendung "hart, aber fair". Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren ist in der Regel das europäische Land für einen Flüchtling zuständig, über das er in die EU eingereist ist.

"Unser Vorschlag ist deshalb eine sichere Drittstaatenregelung", betonte Frei. Der CDU-Politiker verwies darauf, dass auch 16 Staats- und Regierungschefs das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) entsprechend verändern wollten. Verfahren über eine mögliche Schutzgewährung sollten folglich außerhalb Europas stattfinden, erläuterte Frei.

Auf die Frage, wo Flüchtlinge in Deutschland dann noch das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Asyl wahrnehmen sollten, verwies Frei auf die Dublin-Regeln: "Da gibt es ein paar wenige Fälle – wir haben das beispielsweise am Flughafen und dergleichen mehr." Im Gegenzug solle es aber Kontingente von Schutzbedürftigen geben. Auf die Frage, wie das organisiert werden solle, erläuterte Frei, dies solle beispielsweise über UNHCR-Organisationen geschehen oder darüber, dass deutsche Beamte in den entsprechenden Ländern besonders Schutzbedürftige aussuchen würden.

Kritik an der Union von SPD und Grünen

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der CDU vor, das in jahrelangen Verhandlungen geeinte EU-Asylsystem GEAS torpedieren zu wollen. "Das wäre für Europa fatal", sagte Miersch. Erst im vergangenen Frühjahr hatten sich die EU-Mitglieder mühsam auf eine Reform der GEAS verständigt. Sie soll ab 2026 gelten. Frei verteidigte den Unionskurs. Das heutige Asylrecht führe nicht dazu, dass wirklich Schutzbedürftige kämen. 80 Prozent der Flüchtlinge seien junge Männer.

Miersch bekräftigte den Vorwurf an die Adresse von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz, mit seinem jüngsten Manöver bezüglich der AfD "gezielten Wortbruch" begangen zu haben. Auf die Frage, ob es künftig wieder anders laufe mit der Unions-Haltung zur AfD, sagte Frei, die Situation werde sich nach der Bundestagswahl verändern. "Wir setzen auf stabile Regierungen." Mit wechselnden Mehrheiten beende man jede Koalition. Deshalb sei es "eine sehr theoretische Frage", ob es auch künftig von der Union betriebene Gesetze mit AfD-Stimmen geben werde.

Habeck will ebenfalls die Tür zu einer möglichen schwarz-grünen Regierung nicht zuschlagen. Er wäre weiterhin für Gespräche mit Friedrich Merz bereit. "Meine Hand für Gespräche war und ist ausgestreckt", schreibt das ZDF. Kritik übte der Grünen-Kanzlerkandidat am CDU-Chef dennoch. Eine solche breite Sicherheitsoffensive beim Thema Migration müsse unter Demokraten verhandelt werden – nicht mit Rechtsextremisten. Auch dürfe die Union nicht damit drohen, ansonsten "mit Rechtsextremisten" zusammenzuarbeiten. (the)

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