Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern hat vor allem eine Oppositionspartei an Wählerstimmen zugelegt: die AfD. Bei "Markus Lanz" überraschte der hessische AfD-Fraktionschef mit gemäßigten Positionen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern wurde die in Berlin regierende Ampelkoalition abgestraft. Bei "Markus Lanz" äußerte sich die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg zu den Versäumnissen der Regierung. Der hessische Fraktionsvorsitzende der AfD, Robert Lambrou, verurteilte die Migrationspolitik der Ampel erwartbar aufs Schärfste - und überrascht doch mit seinem gemäßigten Ton.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die Landtagswahl in Hessen hat der CDU und der AfD starke Zugewinne gebracht, während SPD, Grüne und FDP Verluste verkraften mussten. Abgestraft wurden die drei in Berlin regierenden Ampelparteien auch in Bayern. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm das Wählervotum genauer unter die Lupe und sprach vor allem über die viel diskutierte Migrationspolitik. Außerdem debattierte Lanz über die fragwürdige Rhetorik der AfD.

Das sind die Gäste

  • Linda Teuteberg, FDP-Politikerin: "Der vergangene Wahl-Sonntag war bitter für die FDP."
  • Robert Lambrou, AfD-Fraktionsvorsitzender im hessischen Landtag: "Eine Mehrheit der Bevölkerung möchte eine Begrenzung dieser Masseneinwanderung."
  • Robin Alexander, Journalist: "AfD-Wähler sind aus Prinzip dagegen."
  • Belit Onay, grüner Oberbürgermeister von Hannover: "Diese Bundesregierung liefert ständig Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Angesichts der Wahlschlappe der FDP - nun in Hessen gelang knapp der Einzug in den Landtag - gab Ex-Generalsekretärin Linda Teuteberg zunächst zu: "Das ist ein bitteres Ergebnis." Teuteberg nannte das Wahlergebnis zwar "eine ernste Zäsur", sagte jedoch auch, dass es "ein guter Anlass" sei, "dringend über Prioritäten zu sprechen". Dazu gehöre auch "eine rechtsstaatliche Ordnung" und "Steuerung von Migration".

Lanz hakte nach: "Das heißt, Sie haben die falschen Prioritäten gesetzt?" Linda Teuteberg wiegelte ab und erklärte, dass die Ampel jetzt gemeinsam "diese Probleme" lösen wolle, da es "ganz wichtig" sei, "dass Deutschland und Europa zeigen: Wir können Flüchtlinge und Grenzen schützen". Während die Liberale Versäumnisse der Ampel eingestehen musste, zeigte sich AfD-Politiker Robert Lambrou angesichts des Stimmenzuwachses in Bayern und Hessen selbstbewusst. Als Grund für den AfD-Erfolg sah er vor allem "das Versagen" der Bundesregierung in der Asylpolitik.

"Ich kenne nichts Radikaleres in diesem Land als die Politik der Bundesregierung unter Angela Merkel und Olaf Scholz in Bezug auf die Masseneinwanderung", erklärte Lambrou markig. Die Migrationspolitik der Ampel verschärfe laut Lambrou "dramatisch eine ganze Menge gesellschaftspolitischer Probleme", doch es fehle "der politische Wille, dieses Problem lösen zu wollen".

Im Gespräch mit Markus Lanz ergänzte der Politiker: "Eine starke AfD übt Druck aus. Und deswegen ist eine Stimme für die AfD eine Stimme, die wirkt." Die Wahlergebnisse hätten laut Robert Lambrou gezeigt, "dass sich auf Bundesebene jetzt etwas bewegt".

Grünen-Politiker Belit Onay sieht jedoch keinerlei Fortschritt in dem neuen Migrationskurs der Ampel. Im Gegenteil: "Dieses Thema Außengrenzlager ist nicht neu. (...) Der Türkei-Deal ist nicht neu. Auch die Grenzkontrollen sind nicht neu." Der Oberbürgermeister von Hannover, der neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit hat, ergänzte: "Es gibt immer wieder die Versuche, genau mit den Mitteln, die nicht helfen, (...) neue Anläufe zu versuchen." Diese würden jedoch nicht funktionieren und das sei "der Hauptpunkt, warum wir nicht vorankommen in der Debatte".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Der Hannover-OB redete sich weiter in Rage und erklärte, dass es ihm nicht um die Frage gehe, wer ins Land komme, "sondern wer ist schon da". Laut Onay gebe es auf kommunaler Ebene immer noch "keine Antwort" auf die Frage der Integration mit Kita- oder Arbeitsplätzen. Linda Teuteberg konnte die Kritik des Grünen-Politikers nicht verstehen und bemängelte, dass er die kleinen Schritte nach vorne blockiere, "wenn wir uns doch darüber einig sind, dass es (...) nicht das eine Allheilmittel gibt".

Markus Lanz lenkte den Blick auf AfD-Politiker Robert Lambrou und fragte, ob er sich freue, dass dieses Thema innerhalb der Regierung für so viel Diskussionsstoff sorge. Lambrou hielt sich jedoch bedeckt und sagte: "Ich mache mir Sorgen um die Zukunft dieses Landes." Für ihn wirke es nicht so, "als ob wir dieses Problem in absehbarer Zeit in den Griff kriegen" würden.

Als Lanz ihn aufforderte, seinen Lösungsvorschlag zu präsentieren, wich der AfD-Mann zunächst aus: "Eine Mehrheit der Bevölkerung, das zeigen Umfragen immer wieder, möchte eine Begrenzung dieser Masseneinwanderung und ich frage mich: Wie lange kann man eigentlich gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung Politik machen in einer Demokratie?" Lanz hakte nach und wollte wissen, ob der AfD-Politiker demnach "gar keine Migration" mehr wolle.

Scholz besorgt über AfD-Gewinne bei Landtagswahlen

Die deutlichen Stimmengewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern führen auch beim Bundeskanzler Olaf Scholz zu Sorgen. "Es geht schon um die Verteidigung der Demokratie", sagte Scholz am Dienstag bei einem Treffen mit Emmanuel Macron.

Robert Lambrou antwortete nüchtern, dass man "in letzter Konsequenz auf das australische Modell gehen" müsse. Australien fährt seit 2013 eine strikte Asylpolitik, die international sehr umstritten ist. Boote mit Asylsuchenden werden teils abgefangen und in ihre Ausgangshäfen zurückgeschickt. Lambrou beteuerte: "Wir möchten von der AfD niemanden ertrinken lassen. Wir sehen auch die Not der Menschen oder die Hoffnung auf ein besseres Leben, das sie nach Europa treibt." Doch als Politiker vertrete er nun mal "die Interessen der Bürger dieses Landes (...) und nicht die Interessen der Menschen, die nach Deutschland kommen wollen".

In letzter Instanz brauche es daher laut Lambrou "in der Tat europäische Lösungen". Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Sie sind doch die AfD. Sie wollen doch die EU abschaffen?" Lambrou wiegelte ab: "Nein, wir wollen die EU reformieren und auf einen Kern zurückführen."

Den verblüffend konzilianten Tonfall hielt auch Robin Alexander für wenig glaubhaft, aus dem Journalisten platzte es heraus: "Wenn ich Ihnen Ihr Programm vorlese, dann sagen Sie: Das gilt nicht (...). Das macht es echt schwierig!" Belit Onay erkannte dahinter Kalkül: "Sie sind durchgesegelt, genau mit diesem gemäßigten Ton, mit dieser Fassade, durch den Hessen-Wahlkampf!" Die Kritik wollte sich Robert Lambrou jedoch nicht gefallen lassen und sagte wütend: "Das ist keine Fassade, das ist der Kern!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz forderte AfD-Politiker Robert Lambrou immer wieder mit stichelnden Fragen heraus und versuchte, ihn mit Fakten in die Ecke zu drängen. Auch konfrontierte er Lambrou mit den radikalen Aussagen seiner AfD-Kollegen, hatte damit jedoch nur mäßigen Erfolg. Sollte es Lanz' Anliegen gewesen sein, die Partei zu "entzaubern", ist es - nicht zum ersten Mal in seinem ZDF-Studio - kaum aufgegangen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

In Sachen Flüchtlingskrise und europäischer Migrationspolitik konnte auch bei "Markus Lanz" kein gemeinsamer Nenner gefunden werden. "Es gibt keine einfachen Lösungen, denn dieses Problem hat man sich acht Jahre entwickeln lassen", sagte Robert Lambrou, während Belit Onay enttäuscht voraussagte, dass die Probleme und Sorgen von heute auch noch in drei Jahren relevant und aktuell sein würden.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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